Читать книгу Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland - Volker Elis Pilgrim - Страница 28
»Damenbesuch hat er nie empfangen«
Оглавление9. Zeuge – die Gemeinschaft von Freunden in Hitlers Münchener Zeit 1913/14
Szenenwechsel: Hitlers Flucht mit seinem Wiener Männerheim-Freund Rudolf Häusler von Wien nach München am 24./25. Mai 1913.
Zwei Zeugnisse darüber liegen vor: die amtliche Abmeldung in Wien am 24. Mai 1913, (Bleibtreu, Bl. 86) und die amtliche Anmeldung in München am 26. Mai 1913. (Orr, Nr. 45 [1952], S. 38) Dortige Lebenszeit von eineinviertel Jahren in einem Zimmer als Untermieter in der Schleißheimer Straße 34, dritter Stock – bis zu Hitlers Sonder-Einstieg in das bayerische Heer am 16. August 1914 zur Mitwirkung am Ersten Weltkrieg als Soldat von deutscher Seite aus. In München amtlich »abgemeldet am 21. 8. 14 – wohin? – Feld«! (a. a. O.)
Zuerst Hitlers Teilen desselben Zimmers mit Häusler in der Schleiß-heimer Straße 34, danach erhalten gebliebene Wohngemeinschaft und später Freundschaft mit Häusler noch bis zu Häuslers Abreise nach Österreich wegen dessen Einberufung zu den Waffen nach Ausbruch des Ersten Weltkregs.
Kein Raum für »Hitler und die Frauen«. Er ist inzwischen 24/25 und befindet sich immer noch in der sexuell heißesten Zeit eines jungen Mannes, doch weiterhin ohne Spuren hin zu Frauen.
»Ein akademischer Mitarbeiter des ehemaligen Hauptarchivs der NSDAP publizierte 1952 unter dem Pseudonym Thomas Orr« (Maser 01, S. 552, Anm. 12) die erste biografische Dokumentation über Adolf Hitler – neben den ebenfalls 1952 erschienenen Biografien von Alan Bullock (Bullock 52) und der Gemeinschaftsarbeit von Walter Görlitz und Herbert A. Quint. (Görlitz/Quint)
Orr hatte die Wohn- und Lebensbedingungen des österreichischen Emigranten Adolf Hitler in München untersucht, einige von Hitlers ehemaligen Münchener Freunden interviewt und darüber Ausführliches berichtet. (Orr) Zuvor hatte Orr die gesamte Gegend um Hitlers Münchener frühes Domizil 1913/14 in der Schleißheimer Straße nach Bekannten Hitlers abgegrast.
Aus Orrs Zeugen-Befragungen treten fünf Personen einprägsam hervor – das Vermieter-Ehepaar Anna und Joseph Popp und drei Hitler-Freunde, der damalige Gerichtsassessor Ernst Hepp, der Bäckermeister Franz Heilmann und der Chemiker Dr. Josef Schnell. Die Beziehungen zwischen Hitler und den Genannten waren so nah, dass Hepp und Schnell dem Kunstmaler Bilder abkauften, die Orr in den Wohnungen der Interviewten noch anschauen konnte. Auch haben die Befragten Hitler einige Male zum Essen eingeladen. Der gut situierte Jurist Hepp schenkte Hitler dazu auch noch Opern-Karten. (Orr, Nr. 46 [1952], S. 38 f.) Über Schnells Besitz von Hitler-Bildern existiert ein Brief im Hauptarchiv der NSDAP (BAB, NS/26, 19–33, Folio 33, Bl. 1)
Aus dem Fünfer-Reigen der Münchener Hitler-Spiegelnden von 1913/14 kommt unisono das Gleiche heraus wie von den Hitler-Jugend-Begleitenden bis zu Reinhold Hanisch: Viel Rühriges am jungen Hitler, das ihn liebenswert macht. Doch wieder tritt keine heterosexuelle Stichhaltigkeit zu Tage. Das Thema Frauen wird abermals direkt angesprochen: »›Damenbesuch hat er nie empfangen‹, versichern alle, die ihn aus dieser Münchener Zeit her kennen.« (Orr) Die Orr-Übermittlung ist so deutlich, dass Hitlers Münchener Bekannten-Kollektiv aus den Jahren 1913/14 zusammen in Gemeinschaft als 9. Zeuge gegen jegliche Hetero-Plausibilität Adolf Hitlers verbucht werden muss. Somit erbringen die fünf Zeugen Orrs einen weiteren Beleg für Hitler als heterosexuelles Niemandsland.
Zu den Orr-Eindrücken passt, was 1933/34 Hitlers Münchener Vermieterin Anna Popp für die englische Publikation Germnay’s Hitler zu Protokoll gegeben hatte: Hitler = ein (heterosexueller) Eremit. (Popp, S. 51)
Dass dieser »mönchische Asket« (Kubizek) nicht heimlich hinter dem Rücken seiner Münchener Freunde in Bordelle oder auf den Münchener Straßen-Strich gegangen ist, braucht nicht extra noch vermutet oder gar geprüft zu werden. Hitler litt unter einer Phobie gegenüber dem weiblichen Körper, wie sein weltbekanntester Biograf Ian Kershaw das Ergebnis seiner Untersuchungen zu Hitlers Sexualität zusammenfasst. (Kershaw 98, S. 44 ff.) Hitler hinterließ mehrere Anti-Prostitutions-Voten – schon in seinen Monologen gegenüber seinem Jugendfreund Kubizek: Die »Flamme des Lebens« dürfe nicht im »Pfuhl der Laster« ausgeblasen werden. Zu mehr Berührung mit dem Rotlicht-Milieu, als einmal gemeinsam mit dem Freund durch die damalige Wiener Schaufenster-Huren-Straße, die Spittelberggasse, Szene-beobachtend zu schleichen, ist es bei Adolf Hitler nicht gekommen. (Kubizek 95, S. 234 f.) An dieser Reserviertheit hat sich auch in Hitlers Münchener Zeit nichts geändert. Gegenteiliges wäre zu den fünf Orr-Zeugen durchgesickert, die »stumm um den ganzen« Puff »herum« geblieben sind. Noch in Mein Kampf paukte Hitler seine Prostitutions-Verdammung in die Lettern. (Hitler 25/26, S. 273 ff.)