Читать книгу Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland - Volker Elis Pilgrim - Страница 39
Kammerdiener räumt mit dem Braun-Tagebuch-Schwindel auf
Оглавление17. Zeuge – Tag-und-Nacht-Kammerdiener Karl Wilhelm Krause
Eine weitere Preziose unter den Schilderungen des Verhältnisses Braun-Hitler hat Hitlers Schatten geliefert, der Kammerdiener Karl Wilhelm Krause. Im Prinzip füllte auch Krause den Rahmen seines Kollegen und Nachfolgers Heinz Linge über die Konditionen von Brauns »ungezwungenem« Dasein an der Seite des schwärzesten Mannes der Geschichte. Krause steuerte eigene Wahrnehmungen bei, die offenlegen: »Als Bettgenossin« hatte sie sich selbst »zu einem entsagungsvollen Leben verurteilt«.
Krause publizierte schon 1949 seine knapp 100-Seiten-Broschüre Zehn Jahre Tag und Nacht Kammerdiener bei Hitler (Krause) und ließ darin auch »Bemerkenswertes« über das Verhältnis Braun-Hitler heraus. 1949 war es nötig, gegen eine in der Öffentlichkeit kursierende Fälschung dieses Verhältnisses zu argumentieren.
Der Filmschauspieler und -regisseur Luis Trenker hatte kurz zuvor einen 96-Seiten-Schreibmaschinen-Text in Umlauf gebracht – mit der Behauptung, das sei »das Tagebuch der Eva Braun«, das diese ihm 1944 in einem Hotel übergeben hätte. Unterschrift, Anmerkungen und Hand-Korrekturen Eva Brauns fehlten auf dem Getippten.
Bei Luis Trenker handelt es sich um den Mann, der – nach Marianne Hoppes Beobachtung in Hitlers Privatkino – der Lieferant für die Gelegenheit war, Hitler einen Spezial-Gewalt-Orgasmus vor dem Trenker-Film Der Rebell zu verschaffen. (Hitlers Männermord-Orgasmus) Die ehemalige Sympathie Hitlers für Luis Trenker muss dem nach 1945 in Geldschwierigkeiten geratenen Trenker zu Kopf gestiegen sein, sodass er sich die Verbreitung und möglicherweise sogar die ganze Produktion des gefälschten Braun-Tagebuchs zugetraut hat.
Französische, italienische, holländische und Anglo-Verleger glaubten an den Schwindel und druckten das Produkt umgehend. Frankreich begann 1948 mit der Herausgabe unter dem Titel Hitler et les femmes. Le journal intime d’Eva Braun. 1949 folgte dann nach den italienischen und holländischen Versionen auch die englische: The Diary of Eva Braun. Bis in die Gegenwart hinein glaubt die ausländische demimonde-Presse an die Echtheit der Schmiere, die immer mal wieder aufgelegt wird.
In Deutschland war mit Glauben diesmal nichts, denn Eva Brauns Eltern, im Verbund mit Leni Riefenstahl, klagten gegen den Anlauf von Vorabdrucken in deutschen Boulevard-Zeitschriften und bekamen Recht. In den deutschsprachigen Ländern wurde für immer eine Publikation der Fälschung untersagt. Die internationale Hitler-Forschung brauchte deshalb in das Thema gar nicht erst einzusteigen, da der Schwindel noch vor einem deutschen Buchdruck zu Tage trat.
Die Einzelheiten zu dieser Rüpelstory würden sich amüsant ausnehmen, wenn sie nicht ein Abfallprodukt des schauerlichsten Zeitgeschehens wären.
Die Trenker-Machenschaft vom Tagebuch der Eva Braun ist nicht zu verwechseln mit dem Tagebuch-Fragment, das Brauns erster wissenschaftlicher Biograf, der türkisch-amerikanische Journalist Nerin E. Gun, in den Washingtoner National Archives entdeckte und 1968 herausgab. (Gun 68 I – Einzelheiten zur Authentizität dieses Tagebuch-Fragments unter ORALO)
Das »dicke Ding« der sofort aufgeflogenen Tagebuch-Fälschung nach 1945 hat jedoch ein Nachspiel, das bis heute wie mit verteilten Rollen durch die Köpfe der Hitler-Rezeptoren spukt. Ein heterosexuell normal grundierter männlicher Jemand hatte sich eingebildet, wie wohl die Beziehung Braun-Hitler verlaufen sein könnte, hatte seiner Fantasie freien Lauf gelassen und damit 96 Schreibmaschinen-Seiten gefüllt. Dadurch gelang es der postfaschistischen Braun-Tagebuch-Aktion, das Braun-Hitler-Verhältnis saftigst zu heterosexualisieren.
Kurz nach 1945 wusste kaum jemand, wie Hitler intim wirklich gewesen war. Und doch: Zu viele Hitler leibhaftig Umgebende hatten von dem Verhältnis Braun-Hitler etwas mitbekommen und ihr Wissen, vermischt mit eigenen Vorstellungen, nach draußen tröpfeln lassen. Gerüchte begannen auszuschwärmen und sich im Volk zu verändern. Während ihrer permanenten Verbreitung und Verdünnung »ver-heterosexualisierte« sich die Beziehung zwischen Hitler und Eva Braun mehr und mehr, woran das der Braun angedichtete Schriftstück kräftig mitwirkte. Deshalb hatte trotz des sofort offenkundigen Schwindels die Braun-Tagebuch-Fälschung schon damals eine Wirkung, die bis heute nicht aufgehoben ist.
Da sehr bald in der Hitler-Forschung einhellige Klarheit – wie selten in Hitlers Angelegenheiten – darüber herrschte, dass das Trenker’sche Braun-Tagebuch eine komplette Fälschung ist, braucht nicht mehr auf Einzelheiten eingegangen zu werden, aber das Braun-Tagebuch muss in der Zeugenaussage Karl Wilhelm Krauses Zerrspiegel-haft reflektiert werden. Denn Krause wollte 1949 inmitten des Medien-Rummels mit dem historischen Phantasy-diary gegen etliche Einzelheiten zu Felde ziehen, was er gerade wegen seiner Tag-und-Nacht-Nähe zu Hitler erlesenermaßen leisten konnte: Es gab keinen Nebenbuhler, der von Hitler umgebracht worden war. Kein Selbstmord geschah auf dem Berghof. Braun und Hitler gingen nie gemeinsam »shopping«, wie Hitler es noch zu Vor-Regierungs-Zeiten mit seiner Nichte Geli Raubal gemacht hatte. Braun und Hitler badeten nicht draußen in einem See, weil Hitler das nie getan hat …
Der Effekt von Krauses Lügen-Ausmerzungen in der Braun-Tagebuch-Fälschung trifft ins Schwarze der Wahrheitssuche: Hitler und Braun – sexuell miteinander aktiv oder nicht?
Mit Krauses Widerlegungen von allem Erfundenen reinigte er das gesamte Verhältnis nicht nur von den permanenten sexuellen Anspielungen, sondern auch von dessen ganzer vorgespiegelter Sexualität. Nach Krauses Berichtigungen bleibt nichts mehr, das die Braun-Hitler-Beziehung als eine geschlechtlich intakte kennzeichnen könnte. Nach Krauses Wahrheits-Saubermachen bleibt ein leeres Zimmer zurück, in dem auch kein Bett mehr steht.
Der Produzent des Fantasie-Tagebuchs der Eva Braun muss ein drahtiger Hetero gewesen sein, der von sich auf Hitler als Braun-Liebhaber geschlossen, der möglicherweise selbst ein Ehefrau-Geliebten-Doppelleben geführt oder bei einem Freund beobachtet hat und sich das Phänomen Geliebte nur als ein ständiges Begierde-angeköcheltes Unter-Strom-Stehen vorstellen konnte. Jedenfalls war der Fälscher aus »Normalmann«-Perspektive nach dem Schema Esther Vilars vorgegangen: Das polygame Geschlecht. Das Recht des Mannes auf zwei Frauen.
Die tote Hose ist den »Normali« zwar durchaus für ihre steril gewordenen Ehe- und andere Langzeit-Verhältnisse bekannt und verständlich, nicht aber bei allem, was unter dem Wort Geliebte zusammengefasst wird. Und in Krauses Gegendarstellungen kommen nun die gesammelten toten Hosen zum Vorschein, die Braun und Hitler in verschiedenen Weiten und Größen getragen haben.