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a) Vereinbarungen über die Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1)

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Eine Sache ist zunächst mangelhaft, wenn sie nicht den subjektiven Anforderungen der Parteien entspricht (§ 434 Abs. 1). Dies ist der Fall, wenn die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; Rn 11a ff), ferner, wenn sie sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, dazu u. Rn 18 ff), sowie dann, wenn sie nicht mit dem vereinbarten Zubehör und den nötigen Anleitungen übergeben wird (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 3). Der Kern dieses subjektiven Fehlerbegriffs ist in Übereinstimmung mit dem früheren Recht (§ 434 Abs. 1 S. 1 von 2001) die negative Abweichung der Ist-Beschaffenheit der Kaufsache von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit, wobei sich aus § 434 Abs. 2 S. 2 ergibt, was das Gesetz unter der Beschaffenheit der Sache versteht. Gemeint sind damit sämtliche Merkmale, die der Sache anhaften oder die sich aus ihrer Beziehung zur Umwelt ergeben,[9] namentlich also Art, Menge, Qualität und Funktionalität der Sache sowie überhaupt alle Merkmale, über die sich die Parteien geeinigt haben (s. Rn 11a f). Eine Sonderregelung für Waren mit digitalen Elementen findet sich in dem neuen § 475b Abs. 2 (dazu u. § 6 Rn 10a ff).

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Mit § 434 Abs. 2 von 2021 ist keine Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand bezweckt, so dass wegen der Anforderungen an die Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache als des letztlich entscheidenden Maßstabs für die Annahme der Mangelhaftigkeit einer Sache uneingeschränkt auf Literatur und Rechtsprechung insbesondere zu § 434 Abs. 1 S. 1 von 2001 zurückgegriffen werden kann. Das gilt zunächst für die (schwierige) Frage, wann überhaupt eine Vereinbarung der Parteien über die Beschaffenheit der Kaufsache d. h. über ihren Soll-Zustand oder über die geschuldeten Merkmale angenommen werden kann. Während der Begriff der Beschaffenheit der Kaufsache nach dem Gesagten in diesem Zusammenhang in der Regel weit ausgelegt wird (Rn 11a f), ist die Rechtsprechung bei der Annahme einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien in der Regel ausgesprochen zurückhaltend (Rn 12 f), um die Haftung des Verkäufers für Sachmängel nicht übermäßig auszudehnen, wobei noch hinzukommt, dass sich bei einer weiten Auslegung des Begriffs der Beschaffenheitsvereinbarung nur schwer lösbare Probleme bei der Abgrenzung der verschiedenen Fälle eines Sachmangels ergeben.

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Die Beschaffenheit einer Sache im Sinne des § 434 Abs. 2 S. 2 beschränkt sich nicht auf die physischen Eigenschaften der Sache, sondern umfasst darüber hinaus alle rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse einschließlich der Beziehungen der Sache zu ihrer Umwelt, die aufgrund ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben können[10]. Zahlreiche Beispiele zählt das Gesetz selbst bereits in § 434 Abs. 2 S. 2 auf. Weitere Beispiele sind bei Grundstücken Größe, Ertrag, Höhe der Betriebskosten[11], Bebaubarkeit oder Baureife sowie die Nachbarschaft zu einem kontaminierten Grundstück, von dem auf dem Umweltweg, d. h. über die Luft oder das Grundwasser schädliche Stoffe auf das Grundstück gelangen können,[12] außerdem bei Kunstwerken ihre Herkunft von einem bestimmten Künstler (s. Rn 24), ferner bei Maschinen, wie das Gesetz jetzt in § 434 Abs. 2 S. 2 besonders hervorhebt, ihre Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität, insbesondere ihre Verwendbarkeit an einem bestimmten Platz oder in einem bestimmten Zusammenhang, z. B. zusammen mit anderen Maschinen, sofern vertraglich dafür vorgesehen, sowie schließlich bei Kraftfahrzeugen deren Leistung, Farbe, Alter oder Unfallfreiheit oder auch der Fortbestand einer Herstellergarantie.[13]

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Der Verkäufer haftet folglich nach Maßgabe der §§ 434 Abs. 2 S. 1 und 437, falls die Parteien eine Vereinbarung über die in dem genannten weiten Sinne zu verstehende Beschaffenheit der Sache (o. Rn 11a) getroffen haben und der Sache tatsächlich die deshalb vom Verkäufer geschuldete Beschaffenheit im Augenblick des Gefahrübergangs fehlt (s. o. § 3 Rn 11 ff). Erforderlich ist dafür, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft erklärt, für sämtliche Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einstehen zu wollen.[14]

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Ob eine derartige Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache vorliegt, beurteilt sich nach den §§ 133, 157 und 242, so dass eine Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich auch konkludent abgeschlossen werden kann.[15] Lediglich, wenn für den Vertrag eine besondere Form vorgeschrieben ist, z. B. nach § 311b Abs. 1, bedarf auch die Beschaffenheitsvereinbarung (als Teil des Vertrages) dieser Form[16].

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Eine (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung (Rn 13) setzt eine Einigung der Parteien über die geschuldete Beschaffenheit der Kaufsache voraus (§ 311 Abs. 1). Sie muss deshalb sorgfältig von einer bloßen Beschreibung der Kaufsache, von einfachen Wissenserklärungen des Verkäufers oder von einseitig gebliebenen Vorstellungen des Käufers unterschieden werden, denen der Verkäufer nicht zumindest konkludent zugestimmt hat.[17] Für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung genügt es folglich nicht, wenn dem Verkäufer die Vorstellungen des Käufers über die Beschaffenheit der Sache lediglich bekannt sind; erforderlich ist vielmehr, dass sich der Verkäufer darüber hinaus mit den Vorstellungen des Käufers erkennbar einverstanden erklärt, und zwar in dem Sinne, dass er für alle Folgen des Fehlens der fraglichen Beschaffenheit der Sache einzustehen bereit ist, wobei „strenge Anforderungen“ gelten[18]. Es genügt aber grundsätzlich, wenn der Verkäufer bei Abschluss des Vertrages bestimmte Eigenschaften der Kaufsache hervorhebt und der Käufer auf dieser Grundlage den Vertrag abschließt; Beispiele sind die Bezeichnung eines Kraftfahrzeugs als „fahrtauglich“ oder eines Boots als „seetauglich“,[19] oder bei dem Verkauf eines Oldtimers die Vorlage einer Bescheinigung nach § 23 StVZO über den fahrtauglichen Zustand des über 30 Jahre alten Fahrzeugs.[20] Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Verkäufer lediglich Angaben des Vorbesitzers über bestimmte Eigenschaften der verkauften Sache wiedergibt (Paradigma: „keine Unfallschäden laut Angaben des Vorbesitzers“)[21] oder wenn in dem Vertragsformular die entsprechenden Spalten überhaupt frei bleiben[22]. In diesen Fällen kann sich aber eine Haftung des Verkäufers immer noch aus § 434 Abs. 3 ergeben. Unabhängig davon haftet der Verkäufer außerdem aus cic, wenn er bei den Vertragsverhandlungen die Angaben des Vorbesitzers über die Beschaffenheit der Sache, z. B. über frühere Unfälle eines Gebrauchtwagens, unrichtig oder unvollständig wiedergibt (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280)[23].

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Wenn ein Grundstück als „Baugrundstück“ verkauft wird, gehört die Bebaubarkeit des Grundstücks zu der vom Verkäufer geschuldeten Sollbeschaffenheit (s. auch u. Rn 19). Eigenschaften des Grundstücks, die die Bebauung erschweren oder verhindern, führen folglich in diesem Fall zur Annahme eines Sachmangels[24]. Beispiele sind öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen oder Bauverbote, die ihre Ursache in der Beschaffenheit des Grundstücks und nicht etwa in Rechten Dritter haben[25], sowie nachbarrechtliche Beschränkungen des Eigentums einschließlich eines entschuldigten Überbaus[26]. Ebenso zu behandeln sind bei Verkauf eines „Wohnhauses“ der baurechtswidrige Zustand des Hauses, der zur Folge hat, dass jederzeit mit einer Abbruchverfügung zu rechnen ist[27], sowie bei Verkauf einer „Wohnung“ das Fehlen der Baugenehmigung, so dass eine Untersagung der Nutzung als Wohnung droht,[28] oder das Fehlen der vereinbarten Wohnfläche[29]. Freie Sicht infolge der mangelnden Bebaubarkeit eines Nachbargrundstückes kann ebenfalls ohne weiteres zur vereinbarten Beschaffenheit eines verkauften Grundstücks gehören[30].

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Schier unerschöpflich ist die Rechtsprechung zu Mängeln beim Autokauf.[31] Ein „Neuwagen“ ist grundsätzlich mangelhaft, wenn er technische Mängel aufweist, die die Zulassung hindern oder die Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigen (s. auch Rn 24). Beispiele sind das wiederholte Aufleuchten von Warnanzeigen für Fehler, bei denen das Fahrzeug nicht mehr verkehrssicher ist[32], sowie das ständige Auftreten immer neuer Mängel (Stichwort: Montagsauto)[33]. Ebenso ist es zu beurteilen, wenn das gelieferte Fahrzeug eine andere Farbe als vereinbart aufweist[34]. Ein überhöhter Benzinverbrauch des Autos kann gleichfalls zur Annahme eines Mangels führen, jedenfalls bei Überschreitung der Normwerte um mindestens 10%[35]. Dagegen ist ein Fahrzeug grundsätzlich auch noch nach einer sogenannten Tageszulassung als „fabrikneu“ anzusehen[36]. Und wenn von einem Werksangehörigen ein so genannter „Jahreswagen“ verkauft wird, so bedeutet dies, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen „Neuwagen“ handelt, der von dem Verkäufer nicht länger als ein Jahr gefahren wurde[37].

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Bei gebrauchten Kraftfahrzeugen muss das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung besonders sorgfältig geprüft werden. Die Angabe des Verkäufers in dem Vertragsformular „Datum der Erstzulassung laut Kraftfahrzeugbrief“ kann z. B. auch eine bloße Wissenserklärung des Verkäufers sein, aus der nicht ohne weiteres auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich des Alters des Fahrzeugs geschlossen werden darf.[38] Dagegen bedeutet die Angabe „TÜV oder Hauptuntersuchung neu“, dass sich das Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand befindet und die letzte Hauptuntersuchung durchgeführt wurde.[39] Außerdem bezieht sich die Angabe eines „Kilometerstandes“ in dem Vertragsformular nach Treu und Glauben nicht lediglich auf den (leicht manipulierbaren) Stand des Tachometers, sondern auf die bisherige Laufleistung des Fahrzeugs (§§ 133, 157)[40].

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