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1.3 Familie

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Familiäre Lebenswelten sind heute vielfältigen gesellschaftlichen Delegationen unterworfen. Zusätzliche Belastungen wie der Arbeitsmarkt, Schule und auch Freizeitgestaltung verändern das Familienklima. Der Wunsch nach einem Kind tritt heute in Konkurrenz mit der beruflichen Karriere beider Eltern oder auch in Abhängigkeit der familiären ökonomischen Verhältnisse. Kinder stellen zunehmend einen Risikofaktor ökonomischer Überlegungen dar. Die Einelternfamilie ist, zumindest im erlebten Alltag, nahezu Standard geworden, in geringerem Maße erleben Kinder heute noch ein gemeinsames Elternpaar. Berufstätigkeit, sowohl bei Vater wie auch Mutter, mütterlicher Spagat zwischen Kindererziehung und beruflicher Eigenständigkeit, fehlende väterliche Funktionen, Flexibilität und damit weite Arbeitswege, extrafamiliäre Betreuung der Kinder, veränderte Freizeitgestaltung und vieles mehr müssen in den familiären Alltag integriert werden. Eine schwierige, teilweise unlösbare Aufgabe. Der »fehlende Vater« ist nach wie vor eine Realität, die Kinder in den kinderanalytischen Praxen beschreiben. Zepf und Seel (2017) beschreiben einen hohen Zeitaufwand von Vätern außerhalb der Familie und einen verschwindend geringen in gemeinsamen Aktivitäten mit ihren Kindern. Dies wird im Kontext der 1980er Jahre aufgezeigt – hat sich die Situation zwischenzeitlich wesentlich verändert? Zusätzlich gestalten sich die heutigen Familienformen sehr vielfältig. Patchwork-Familien, Einelternfamilien, gleichgeschlechtliche Elternteile, Pflegefamilien, Familien mit Migrationshintergrund, um nur einige zu nennen. Familien sind durch die heutigen gesellschaftlichen Ideale einerseits massiven Zwängen unterworfen, müssen sich andererseits jedoch nach außen als selbstbestimmt, verantwortungsvoll und souverän beweisen. Scheitert die Familie oder der Einzelne an gesellschaftlichen Erwartungen und Vorgaben, treten Stigmatisierungsprozesse in Gang. Unsicherheiten im familiären Beziehungsgefüge folgen, Eltern empfinden sich hilflos und inkompetent. Brisch (vgl. Holzapfel, 2013) berichtet von seinen langjährigen Erfahrungen in der Babysprechstunde, in der Eltern ihre Sorge äußerten, ihr Kind zu verwöhnen. Der Spielraum für Erfahrungen, Experimentieren und elterliche Intuition scheint abhandengekommen zu sein. Hohl (1989, S. 118) sieht Verunsicherungen beim Erziehungsverhalten der Eltern in Zusammenhang mit grundsätzlichen Veränderungen psychischer Strukturen. Eine sich durch die Generationen vermittelte und durch Erfahrung speisende Elternfunktion ist unter heutigen Bedingungen schwer zu etablieren, Elternschaft strebt entsprechend gesellschaftlichen Vorgaben einem Idealbild entgegen. Hohl (ebd., S. 119) veranschaulicht Veränderungen in den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. Das Individuum ist wesentlich auf sich bezogen, narzisstisch getönt, frühere Werte und Normen sind längst nicht mehr die Vorgaben, an denen sich Eltern orientieren. Triebkontrolle und Selbstdisziplinierung sind nicht mehr Standard, ein partnerschaftliches Verhältnis zum Kind ist der Trend der Zeit und führt maßgeblich zu einer Irritation in den Interaktionen. Eltern befürchten, falsche Entscheidungen zu treffen. Aushandlungsprozesse innerhalb der Familie münden ins Absurde und überlassen die Entscheidung dem Kind.

Kinder und Jugendliche im Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen

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