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Vom kleinen Hund



Glenn stand auf und ging zu seinem Schreibtisch hinüber und weiter: zu einem in der Wand eingelassenen Stahlschrank.

»Sie kommen draußen viel herum, soweit ich im Bilde bin, nicht?«

»Kann sein.«

»Sagt Ihnen der Name Prokyon etwas?«

»Prokyon im Sternbild des Kleinen Hundes, ungefähr zehn Lichtjahre von uns entfernt, relativ hohe jährliche Eigenbewegung, etwas über eine Bogensekunde, wenn ich nicht irre.«

»Stimmt«, nickte Glenn, während er die Stahltür aufzog. »Hoffentlich haben Sie nicht ein ganzes Lexikon im Kopf. Für mich sind diese Dinger mit diesen komischen Namen wie Kanopus, Fomalhaut oder Aschernar böhmische Dörfer.«

»Hübsches Geständnis für einen führenden Techniker der Raumschifffahrt.«

»Techniker!«, grinste Glenn. »Mehr nicht! Ich bekomme Aufgaben mit bestimmten Bedingungen, die zu erfüllen sind. Mit dem, was dahintersteckt, kann ich mich nicht aufhalten.« Er ging mit einem kleinen Gegenstand, den er dem Stahlschrank entnommen hatte, zum Schreibtisch zurück und beschäftigte sich an einem Bandgerät.

»Ich habe hier ein Tonband, Mr. Tolins«, erklärte er wieder ganz nüchtern. »Ein Magnetband in Liliputformat von Dickson & Carr in Boston. Das zugehörige Aufnahmegerät können Sie sich hinter das Ohr hängen, ohne dass es auffällt, aber das wird Ihnen ja wohl auch nichts Neues sein. Fragen Sie nicht, von wem ich das Band habe. Ich weiß es nicht. Es lag eines Tages hier auf dem Schreibtisch, und bisher hat mir noch niemand sagen können, wie es dorthin gekommen ist. Hören Sie sich das einmal an.«

Er trat zurück. Das Gerät zischelte leise am leeren Band. Dann kam eine Stimme, eine Männerstimme wie durch mitsummendes Seidenpapier hindurch. Sie sprach englisch. Im Tonfall und in der Aussprache lag etwas Fremdartiges, keine Dialektfärbung, sondern eher ein Sprachfehler, wie man ihn bei Menschen mit einer früheren Hasenscharte findet. Auffallend waren auch die Temposchwankungen. Die Worte und Sätze kamen manchmal flott und sogar hastig, dann aber auch langsam und zögernd, unterbrochen durch Pausen, als fiele das Sprechen schwer oder als überlegte sich der Sprecher, was er sagen wollte.

Am bemerkenswertesten war der Inhalt. Nach einem lang gezogenen Geräusch, das ein Stöhnen oder Seufzen sein konnte, teilte der Sprecher mit:

»Ich befinde mich tatsächlich auf dem Prokyon im Kleinen Hund, aber der Teufel mag wissen, wie ich hierher gekommen bin. Eben war ich doch noch in New York. Jetzt bin ich rund hundert Billionen Kilometer davon entfernt, ohne überhaupt etwas von der Reise zu merken. Das ist mir zu hoch. - Sie haben mir gesagt, ich soll alles beschreiben, was ich sehe. Nun, das kann ich ja tun. Ich sehe vor allen Dingen, dass ich in einem Taucheranzug stecke. Nein, ein Taucheranzug ist das nicht, sondern so einer, wie ihn die Raumflieger tragen. Das Ding ist schwer wie Blei und viel zu groß für mich. Auf dem Kopf habe ich einen Helm mit einer Glasscheibe vor den Augen. Er ist auch zu schwer und zu groß. Ich schwitze, aber sonst geht es mir nicht schlecht.

Nun will ich beschreiben, was ich um mich herum sehe. Ich habe erst auf dem Rücken gelegen. Jetzt habe ich mich hingesetzt. Ich sitze auf einem Felsblock. Vor mir ist ein flacher, sandiger Strand und dahinter Wasser, ein See oder ein Meer. Hinter mir befindet sich ein Wald aus Bäumen, die ich nicht kenne. Die ganze Landschaft mit dem Wasser sieht sonderbar grün aus. Das liegt wahrscheinlich am Licht. Eine Sonne gibt es nicht, auch keine Wolken. Der Himmel ist sehr hoch und sieht wie eine gläserne Kuppel aus, auf der sich viel grünlicher Schmutz angesammelt hat. Besonders schön ist es hier nicht.

Jetzt bekomme ich Besuch. Zwischen den Felsblöcken seitlich von mir tauchen Pinguine auf. Sie haben weiße Bäuche und schwarze Klappflügel und watscheln langsam heran. Es sind aber keine Pinguine. Sie sehen nur so aus. Sie haben keine Pinguinköpfe, sondern Köpfe wie kleine Affen. Menschenähnliche Köpfe! Das ist unheimlich. Die Köpfe sind kahl, aber oben so schwarz wie die Flügel, so dass säe aussehen, als ob sie schwarze, glatt angelegte Haare hätten. Und sie haben dunkle, lebendige Augen, die sich hin und her bewegen.

Es sind zehn Stück. Sie haben sich im Halbkreis um mich herum aufgestellt. Bösartig wirken sie nicht, aber sie scheinen sehr neugierig zu sein. Sie bewegen die Lippen und tun ganz so, als ob sie untereinander und mit mir redeten. Ich kann aber nichts verstehen. Der Helm fängt alles ab.

Sie kommen jetzt ganz dicht heran und blicken sogar durch die Scheibe. Mir ist das nicht geheuer, aber ich habe auch keine richtige Angst. Sie grinsen wie kleine Affen, die spielen wollen, und ihre Bewegungen sind so komisch, dass man fast Lust hat, zu lachen.

Sie haben Arme und Hände. Die Flügel sind gar keine Flügel, sondern nur eine Art Federwuchs, in dem sie ihre Arme verstecken, wenn sie herumlaufen. Sie haben aber an jeder Hand nur drei Finger.

Sie arbeiten an mir herum. Ich weiß nicht, was sie wollen. Ich kann jedenfalls nichts unternehmen, weil ich mir vorkomme, als ob ich eingemauert wäre.

Sie ziehen mir den Anzug aus. Der Helm war plötzlich weg, und jetzt zerren sie an den Armen und Beinen. Ich kann wieder richtig atmen. Die Luft ist kühl und riecht ziemlich stark nach Moder und nach Mottenkugeln. Ich höre die Pinguine um mich herum schnattern. Ich wehre mich nicht, sondern helfe ihnen, damit ich aus dem Anzug herauskomme.

Jetzt stelle ich etwas Verrücktes fest. Ich trage unter dem Raumanzug meinen richtigen Anzug wie in New York. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Brieftasche, das Feuerzeug, die Zigarettenpackung, die Schlüssel - alles ist da. Auch die zwanzigtausend Dollar, die sie mir für das Experiment gezahlt haben, sind in der Tasche. Alles in Ordnung, nur ...

Nur - der Anzug ist viel zu groß! Jawohl, der Anzug ist viel zu groß. Er hängt und schlottert um mich herum, als wäre ich noch ein Junge und hätte den Anzug von meinem Vater übergezogen. Das verstehe ich nicht. Ich muss doch wahrhaftig einmal sehen - wo steckt denn der verdammte Taschenspiegel?

Barmherziger Himmel! Jetzt blicke ich in den Spiegel, und was sehe ich? Ich bin es gar nicht. Ich bin es gar nicht! In meinem Taschenspiegel sitzt ein Junge von ungefähr vierzehn Jahren mit einem viel zu weiten Hemd und einem viel zu großen Anzug. Er hat die Augen weit aufgerissen und die Stirn zusammengezogen. Er sieht ziemlich ängstlich aus. An der linken Wange hat er eine Narbe, wie ich sie auch habe, seitdem ich als Kind ... Teufel noch mal, das soll ich doch nicht etwa selbst sein? Der Junge - ja, so könnte ich als Junge auch ausgesehen haben.

Ich greife an meine Nase, er greift auch an seine Nase. Ich stecke die Zunge heraus, er steckt auch die Zunge heraus. Ich kneife die Lider zusammen, er tut es auch. Barmherziger Himmel! Ich bin er, und er ist ich. Ich bin kein Erwachsener mehr, sondern ein vierzehnjähriger Junge. Ich bin plötzlich wieder zwanzig Jahre jünger geworden! Das gibt es nicht! Das ist unmöglich! Ich bin verrückt! Oder ich träume! Ich bin wieder ein Kind! Das hätten sie mir vorher sagen müssen. Das können sie mit mir nicht machen. Nicht für zwanzigtausend. Fünfzigtausend müssen schon herausspringen. Das zahlt mir auch jede Illustrierte, wenn ich mit dieser Geschichte komme. Nein, nicht unter fünfzigtausend!

Die Pinguine mit den Affenköpfen schnattern um mich herum. Sie fassen mich überall an, aber sie meinen es nicht böse. Sie reden auf mich ein. Ich kann sie bloß nicht verstehen.

Ich verstehe überhaupt nichts. Ich war doch eben noch erwachsen und in New York. Wieso bin ich plötzlich so weit von der Erde entfernt auf dem Prokyon und wieder ein Kind? Haben sie da vielleicht etwas ganz Neues herausgefunden? Diese Wissenschaftler sind schon auf die verrücktesten Sachen gekommen, an die vorher niemand gedacht hat. Und mit so etwas können sie die Welt umkrempeln.

Ich komme einfach nicht vom Spiegel weg. Das bin ich tatsächlich, nur eben wieder zwanzig Jahre jünger. Sogar die Zähne sind wieder ganz in Ordnung. Aber in meinem Kopf kann sich nicht viel verändert haben. Ich erinnere mich an alles, was in den letzten Jahren passiert ist.

Ich bin ein Junge mit dem Kopf eines Erwachsenen, oder ich bin ein Erwachsener mit dem Körper eines Jungen. Das ist eine tolle Sache! Ich muss mir einmal überlegen, was sich damit anfangen lässt. Genies!

Das ist der richtige Ausdruck. Diese Leute sind Genies! Wenn sie das können, bringen sie alles fertig. Sie können jemand von einer Minute zur anderen bis in die entferntesten Weltgegenden bringen, und sie kennen jemand von einer Minute zur anderen um Jahrzehnte verjüngen, Damit lässt sich allerhand anfangen!

Nein, ich bin bestimmt nicht verrückt! Ich sehe mich im Spiegel, ich fühle es, wenn ich mich kneife, ich atme diese komische Luft, ich sehe diese komischen Pinguine um mich herum und kann sie anfassen. Das ist alles blanke Wirklichkeit, und ...«

Das Band lief zischelnd aus.


Held des Weltraums: Mark Tolins Band 1-17 - Die ganze Serie

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