Читать книгу Held des Weltraums: Mark Tolins Band 1-17 - Die ganze Serie - W. W. Shols - Страница 76
Pistolen oder Harfen?
ОглавлениеDer Weg führte durch weite Türen und einige Ecken herum zu einem breiten Korridor und von diesem in einen großen, gut ausgeleuchteten Wohnraum mit einer Standardeinrichtung, wie sie dem zahlungskräftigen Mittelstand verordnet wurde. Vom Teppich bis zur Picasso-Kopie, von der verspiegelten Hausbar bis zu den supergroßen Streichhölzern war alles da, was ein feiner Mann um sich herum haben musste.
Der feine Mann hieß Norman Foster. Er sah wie ein Double von Clark Gable aus, wenn auch weniger schurkisch: ein gepflegter älterer Herr mit grauen Schläfen und dünnem Schnurrbart, dessen Stich ins Intrigante und Abenteuerliche nicht ausreichte, um ihm das Seriöse zu nehmen.
Die dunkelviolette Smokingjacke stand ihm ausgezeichnet, wenn sich ihre Farbe auch mit dem grellen Polsterbezug des Sessels stach.
Im Sessel nebenan lehnte ein jüngerer Mann, der gut und gern sein Privatsekretär sein konnte. Er sah recht sportlich und sogar fast vornehm aus. Vermutlich lag das mit daran, dass er sich mit einem mitternachtsblauen Smoking begnügt hatte. Seine Augen blickten interessiert wie die eines Fuchses, der Hühner auf der Stange sieht.
Norman Foster dagegen fiel es offenbar schwer, die dicken Lider zu heben. Er bedachte die Eintretenden mit einem gelangweilten Blick.
»Das sind sie also?«, bemerkte er ohne Neugier. »Na schön. Ab damit!«
Er verfügte wohl auch über geheime Kontakte. Die eben erst zugefallene Tür öffnete sich wieder, und zwei stabile Männer schoben sich herein, die nach Möbelräumern im Sonntagsstaat aussahen und kein Kopfzerbrechen verlangten. Gleichzeitig öffnete sich eine Tür in der Seitenwand und ließ zwei weitere Männer ein, die auch keine Rätsel aufgaben, obgleich sie wesentlich anders aussahen. Sie waren schmal, wendig und gierig wie Jungen, die einem Maikäfer die Beine ausreißen wollen.
Die Schläger und die Schießer! Der Mann im Sessel bezahlte eine ganz hübsche Garde. Und es gehörte wirklich nicht viel Intelligenz dazu, um zu erraten, was gespielt wurde. Gefahr!
»Also los!«, brummte einer der Schwergewichtler neben Mark Tolins. »Kleine Spazierfahrt gefällig!«
Mark Tolins räusperte sich kurz und drehte sich langsam herum. Im nächsten Augenblick schlug er blitzschnell zu. Seine Faust traf das erste Kinn wie ein Stahlhammer. Die beiden Schwergewichtler hatten so wenig mit einem Angriff gerechnet, dass er sogar noch beim zweiten seinen Schlag auf den Punkt bringen konnte.
Die beiden Männer gingen rückwärts über die Schwelle, als wollten sie vom Sprungturm mit einem Salto rückwärts ins Wasser kommen. Sie landeten an der jenseitigen Korridorwand.
Mark Tolins warf die Tür hinter ihnen zu und stellte sich dagegen.
Auf Biggy konnte man sich verlassen. Er hatte in jeder Hand eine Automatik, und wie ihn Mark Tolins kannte, war damit sein Arsenal noch lange nicht erschöpft.
Er hatte es mit geschulten Leuten zu tun. Norman Foster ließ seine Hände auf dem Tisch, sein Nachbar ließ sie auf den Sessellehnen, und die beiden Schießer an der anderen Tür hoben sie in Kopfhöhe. Der Laufbursche, der sie geholt hatte, ließ sie vor lauter Schreck unten. Glücklicherweise nahm ihm das niemand übel.
Alles in allem war es eine hübsche Überraschung. Die Männer schluckten sie nicht so schnell.
»Nun?«, bohrte Mark Tolins leichthin in die Stille hinein. »Irgendwer wollte mir irgendetwas über Jim Darcay erzählen.«
Alles schwieg. Sie verdauten noch. Nur draußen im Korridor rumpelte es.
»Allerhand!«, anerkannte Norman Foster endlich, als müsste er seine Zähne von einem Kaugummi losreißen. »Das nenne ich eine Überrumpelung! Bewaffnet in meiner Wohnung! Ich muss schon sagen ...«
»Hör zu, Norry!«, drängte der Lauf-junge dazwischen. »Das ist nicht meine Schuld. Wir wollten ...«
»Halt den Mund!«, befahl Foster. ohne sich aufzuregen. »Ich werde nächstens einen Kinderhort aufmachen. Da passt ihr hinein.«
»Machen Sie lieber ein Gefängnis auf«, schlug Biggy freundlich vor. »Da passen sie noch besser hinein. Sie auch.«
Fostear bedachte ihn mit einem aufmerksamen Blick.
»Wer sind Sie eigentlich?«
»Leonardo da Vinci«, antwortete Biggy prompt. »Der Graf von Monte Christo, falls Ihnen das etwas sagt. Und wenn Ihr Junge dort drüben noch weiter den müden Arm spielt, mache ich ihn munter. Zufällig bin ich Kunstschütze.«
Der Laufjunge versuchte es noch einmal.
»Hör zu, Norry! Das ...«
»Halt den Mund!«, schnitt Foster abermals ab und wandte sich mehr an Mark Tolins. »Sie können sich das Theater sparen. Ich habe genug Leute im Haus, um ein Dutzend von Ihrer Sorte fertigzumachen.«
»Meinen Glückwunsch!«, antwortete Mark Tolins kalt. »Sie werden aber nicht viel Spaß an Ihrer Armee haben. Der erste Schuss trifft Sie.«
»Etwas schwierig«, parierte Foster träge und nervenlos. »Ich habe den Fuß auf einem Knopf. Sobald ich ihn hebe, schießen meine besten Leute durch Wandschlitze. Sie werden es nicht leicht haben, den richtigen Augenblick für mich abzupassen.«
Mark Tolins lächelte unbeeindruckt.
»Lassen Sie das meine Sorge sein. Und nun zu Jim Darcay.«
»Kein Wort, solange Sie noch bewaffnet sind. Lassen Sie die Pistolen fallen, dann können wir uns vernünftig unterhalten.«
»Witzbold!«, bewunderte Biggy.
»Hör zu, Norry!«, bemühte sich der Laufbursche wieder, aber er kam auch jetzt nicht über den Ansatz hinaus. Das Telefon summte. Foster hatte es dicht vor seinen Händen, blickte aber erst fragend zu Mark Tolins hin. Er besaß gute Nerven, was man ihm sonst auch immer nachsagen mochte.
»Haben Sie etwas dagegen?«
»Bitte.«
Norman Foster hob den Hörer ab, meldete sich und lauschte eine ganze Weile. Dann legte er den Hörer wieder ab und fixierte seinen Laufjungen. Seine Stimme klang tödlich.
»Ich höre soeben, dass ein Kerl mit einem neuen Trick einen Automaten nach dem anderen ausgeleert und alle anderen damit verrückt gemacht hat. Der Salon ist kurz und klein geschlagen, und die Polizei ist im Haus. Warum habe ich das nicht vorher erfahren?«
»Aber ich wollte es dir doch saßen«, wehrte sich der andere nervös. »Du hast mich doch nicht zu Worte kommen lassen. Ich wollte dir doch sagen, dass du nichts gegen die beiden unternehmen kannst. Du kennst doch die Polizei. Wir sind zwar im anderen Haus, aber die benutzen bestimmt die Gelegenheit, um alles zu durchstöbern. Und wenn es jetzt hier Stunk mit den beiden gibt, sind wir geliefert. Und wenn es keinen Stunk gibt, sind wir auch geliefert. Da unten sind doch ein paar Dutzend Leute, die den Dicken hier bestimmt wiedererkennen. Und wenn er hier futsch geht, wird sich die Polizei mächtig um jeden kümmern, der an dem Salon beteiligt ist.«
»So ist das!«, murmelte Foster leise, als wäre es noch nicht richtig in ihn eingedrungen.
»Hübscher Trick, nicht?«, grinste Biggy wohlgefällig. »Nun mal herunter mit dem Fuß vom Knopf. Ein paar Schüsse wären für die Polizei gerade richtig.«
»Sie haben die Automaten ausgeleert?«, baute Foster halblaut weiter, während er das Geheimnis an Biggy zu entdecken versuchte. »Wie haben Sie das gemacht?«
»Später«, grinste Biggy. »Ohne Zeugen. Und vorher wollten Sie uns etwas über Darcay erzählen.«
Norman Foster erlaubte sich einen langen Atemzug. Er klang fast wie ein Seufzer.
»Richtig, Darcay! Hm, wir sind hier vermutlich in ein Missverständnis hineingerutscht, Mr. Tolins. Sie können getrost auf Ihre Waffen verzichten. Ich habe nicht das Geringste gegen Sie, und ich kann mir nicht vorstellen, was Sie gegen mich haben könnten. Die Angelegenheit ist erledigt. Sie können jederzeit das Haus verlassen. Ich verbürge mich dafür.«
»Nett von Ihnen«, quittierte Mark Tolins. »Sie haben aber immer noch nichts von Darcay erzählt.«
»Ich weiß leider nicht das Geringste über diesen Darcay. Ich habe nie von ihm gehört. Ich bekam nur einen Tipp, dass ich Sie mit diesem Namen herlocken könnte.«
»Von wem?«
Norman Foster räusperte sich.
»Hm, kein Name. Möglicherweise kennen Sie sich in meiner Branche nicht aus. Ich unterhalte ein Institut für Kundendienst. Es gibt immer wieder Unannehmlichkeiten im Leben, und manche Leute haben es nicht gern, sich damit zu befassen. Dafür sind wir dann da - gegen eine gewisse Gebühr natürlich. Teppiche klopfen, Babys hüten, Schwiegermutter abholen und solche Dinge. Ein Anruf genügt. Sobald die Gebühr eingegangen ist, gehen wir an die Arbeit, ohne weiter zu fragen. So war es auch hier. Man hat mich telefonisch verständigt, und eine Stunde später war auch schon das Geld da, so dass wir anfangen konnten. Kein Name und keine Rechnung! Vertrauen gegen Vertrauen! Das ist unser Geschäftsprinzip.«
»Seien Sie vorsichtig«, riet Mark Tolins trocken. »Mein Freund leidet an einem weichen Gemüt. Er wird gleich vor Rührung weinen. Sie sollten uns ermorden?«
»Wir wollen solche brutalen Ausdrücke lieber vermeiden«, bat Foster höflich.
»Zartgefühl!«, bewunderte Biggy.
»Wer ist Ihr Auftraggeber?«
»Ich habe Ihnen doch erklärt, dass ...«
Ein Summton unterbrach ihn, der nicht aus dem Telefon kam. Foster wurde hastiger.
»Die Polizei. Sie wird bald hier sein. Sie können uns natürlich Unannehmlichkeiten bereiten, aber es wäre besser, wenn Sie sich und uns Scherereien ersparen würden. Vielleicht brauchen Sie eines Tages auch einmal ein Institut für Kundendienst. Lassen Sie wenigstens meine Leute hinaus. Sie können schließlich nichts dafür, dass sie dachten, ich würde von Ihnen überfallen und sie müssten mir zu Hilfe kommen.«
»Sie werden uns tatsächlich noch rühren, aber von mir aus ...«
Norman Foster machte eine Kopfbewegung. Die beiden Schießer, der Mann im Nebensessel und der Laufjunge verschwanden durch die Türen.
»Nehmen Sie Platz«, bat Foster erleichtert. »Ich nehme an, dass Sie mich besucht haben, um einen Auftrag zu vergeben - vielleicht die Betreuung eines Bekannten, der sich New York ansehen will.«
Mark Tolins und Biggy blieben neben der Tür.
»Ich weiß etwas Besseres«, sagte Biggy. »Wie heißen Sie eigentlich?«
»Foster. Norman Foster.«
»Hübscher Name. Also, ich möchte gern einen gewissen Norman Foster in eine bessere Welt versetzen lassen. Was kostet das?«
Foster bedachte ihn mit einem giftigen Blick, blieb aber verbindlich.
»Eine Gegenfrage: Ich möchte den Trick kennen lernen, mit dem Sie Automaten ausleeren. Was kostet das?«
»Schlaukopf!«, grinste Biggy. »Mit einem Sack in der Hand von einem Spielsalon zum anderen ziehen und die Dinger schröpfen, nicht? Keine schlechte Idee!«
»Ihr Auftraggeber?«, erinnerte Mark Tolins.
»Ich kenne ihn wirklich nicht. Mein Wort darauf.«
»Also gut, bringen Sie uns hinaus.« Norman Foster tat sein Bestes, denn draußen rumorte schon die Polizei. Er versicherte einem misstrauischen Inspektor, dass seine Besucher schon seit einer Stunde bei ihm gesessen hätten, um Einzelheiten über die Betreuung einiger ausländischer Besucher mit ihm zu besprechen, und brachte sie damit aus der Gefahrenzone.
»Geschickter Knabe!«, erkannte Biggy später an, während er neben Mark Tolins durch die Straßen ging. »Glatt wie ein Aal! Und wie ich ihn kenne, hält er sich auch noch für einen ehrenwerten Geschäftsmann.«
»Sicher«, nickte Mark Tolins. »Die Zeiten ändern sich. Früher nannte man so etwas eine Verbrecherbande. Heute ist es ein streng reelles geschäftliches Unternehmen, und solche Leute wie Foster sind schnell mit einer Verleumdungsklage bei der Hand, falls man sie nicht für gesittete Bürger hält. Sie leben von den Lücken im Gesetz.«
»Komische Zustände, nicht?«
»Nicht gar so komisch. Wenn ein betrunkener Autofahrer einen Menschen mit seinem Fahrzeug ins Jenseits befördert und dafür drei Monate Gefängnis mit Bewährungsfrist erhält, gehen die Maßstäbe verloren. Das Verbrechen wird zum Kavaliersvergehen, und die Versicherung zahlt. Wie war das übrigens mit diesen Automaten?«
»Keine Ahnung.«
»Biggy!«
Biggy schüttelte den Kopf.
»Nee, lieber nicht. Wie leicht könnte es jemand hören, oder du könntest es auf deinem Sterbebett ausplaudern. Niemand kann dafür garantieren, was er auf seinem Sterbebett alles anstellt. Und nachher muss ich dafür verantwortlich sein, dass die ganze Spielautomatenindustrie in den Eimer geht und unser Wirtschaftsleben ernstlich gefährdet wird. Nichts zu machen! Jeder Mensch hat seine kleinen Geheimnisse. Du erzählst mir ja auch nicht, wie es dieser Knabe auf dem Prokyon fertig gebracht hat, über hundert Billionen Kilometer zu kommen und dabei zwanzig Jahre jünger zu werden. Und überhaupt habe ich meine moralischen Verpflichtungen, Solche Tricks darf man niemand erzählen. Zugegeben, diese .Portokassen von früher, in die die notleidenden Jünglinge hineingriffen, gibt es nicht mehr, so dass die notleidenden Jünglinge von heute mehr oder weniger darauf angewiesen sind, an Spielautomaten herumzufingern, aber gerade deshalb werde ich mich hüten, ein Wort zuviel zu sagen. Ich will die Jugend nicht verderben.«
Mark Tolins lachte. »Du brauchst wieder, einmal viel Worte, um kein Wort zuviel zu sagen.«
»Und gewisse Leute verlieren wieder einmal kein Wort, wo viel zu sagen wäre.«
»Schöner Abend!«, bewunderte' Mark Tolins und winkte eine Taxe heran. Er wusste, dass Biggy schon genug in der Nase hatte, hoffte aber, ihn zum Einschlafen zu bringen. Bei dem, was er vorhatte, war es besser, Biggy in der Hinterhand zu lassen.