Читать книгу Held des Weltraums: Mark Tolins Band 1-17 - Die ganze Serie - W. W. Shols - Страница 72
Nur über meine Leiche!
ОглавлениеDas Haus, in dem James Henley wohnte, verbarg sich, einige Kilometer vom Werk entfernt, hinter dicken Baumbeständen, die hinter dem Haus in einen verwilderten Wald übergingen. Um das gesamte Grundstück lief eine. Schneise von einigen Metern Breite herum. In ihrer Mitte befand sich ein hoher Drahtzaun, der mit Hochspannung geladen war, falls es nach den Warnschildern ging. Diese Schutzmaßnahme wirkte etwas dramatisch, war aber nicht ungewöhnlich. Es gab genug Leute, die geringere Geheimnisse als Henley zu schützen hatten und sich trotzdem noch stärker abriegelten.
Mark Tolins fand auf die Anmeldung hin, zu der sich der Chefingenieur bereit gefunden hatte, Einlass. Einer der beiden Wächter am Tor telefonierte und öffnete dann das Tor.
Die Zufahrt schwang im sanften Bogen auf einen Hauseingang zu, der mit seinen angepappten Säulen sicher ein Portal sein sollte, aber sich als schlichte Haustür besser gemacht hätte. Das zweistöckige Gebäude, an dem ein neuer einstöckiger Betonbau wie ein Klotz hing, war nicht groß und entsprach sonst im Stil den üblichen Landhäusern auf Long Island - wobei das Stilvollste die Fensterläden waren.
Die Tür wurde durch einen hünenhaften Neger geöffnet. Er konnte etwa vierzig Jahre alt sein, befand sich aber körperlich bestimmt noch in Form. Seine Bewegungen verrieten es. Er hieß Amos, wie Mark Tolins bereits erfahren hatte, und galt als der treueste Diener seines Herrn. Sein Gesicht erinnerte entfernt an eine Bulldogge. Die untere Partie schob sich klobig und bissig vor. Die Stirnhaut lag in tiefen, speckigen Falten, die sich nie glätteten. Der Kopf war kahl rasiert. Die Augen lagen tief. Kein freundlicher Typ! Ein bissiger Wachhund! Oder täuschte dieses Gesicht genauso wie bei den Bulldoggen, die viel harmloser sind, als sie aussehen? Solche Stirnfalten fand man auch bei Schülern, die sich vergeblich bemühen, ihr Pensum zu lernen, und harte Kinnbacken garantierten nicht Immer Mord und Totschlag.
Im Augenblick war er jedenfalls so korrekt wie die uniformartige Kleidung, die er trug. Seine Verbeugung verriet eine gute Schule.
»Guten Tag, Sir. Wenn Sie bitte eintreten wollen - Sie wurden telefonisch angemeldet. Bitte nehmen Sie Platz. Mr. Poulter wird gleich erscheinen.«
In der kleinen Diele stand eine bescheidene Sesselgruppe. Mark Tolins verzichtete auf die Benutzung. Es hätte sich auch nicht gelohnt. Nevin Poulter trat schon eine Minute später auf.
Er war so sorgfältig und gut angezogen, als hätte er eine gepflegte Teeparty vor sich, und er war groß und schlank genug, um eine gute Figur zu machen. Vermutlich hatte er die Vierzig noch nicht ganz erreicht. Das schwarze, glatte Haar war etwas zu korrekt angekämmt und die Nase etwas zu spitz, aber diese und innige andere Kleinigkeiten gingen im Gesamteindruck unter. Nevin Poulter besaß zweifellos eine starke, ausstrahlende Intelligenz und verbarg hinter einer gewissen Glätte eine bemerkenswerte Persönlichkeit.
»Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen«, versicherte er verbindlich, während er Mark Tolins die Hand drückte. »Glenn konnte mir keinen größeren Gefallen tun, als Sie herüberzuschicken. Ich habe schon manches von Ihren verwegenen Raumfahrten gehört. Darf ich Sie bitten?«
Mark Tolins folgte ihm in einen Raum, der wohl ein Mittelding zwischen Wohnraum und Bibliothek sein sollte. Er war angenehm hell und freundlich, besaß aber keine Atmosphäre. Er hätte ebenso gut in einer Ausstellungshalle stehen können. Möglicherweise wurde er überhaupt nur benutzt, um gelegentliche Besucher abzufertigen.
»Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen«, lud Poulter in die Sessel hinan. »Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus, dass Sie sich heute mit mir begnügen müssen. Professor Henley ist leider durch eine Arbeit gebunden, hat mich jedoch beauftragt, Sie zu empfangen. Wenn ich also etwas für Sie tun kann ...«
»Oh, eigentlich nichts«, erwiderte Mark Tolins leichthin, denn er hörte Alarmglocken in sich. Er hielt nicht viel von Leuten, die plötzlich so sehr viel zu tun hatten, dass sie nicht persönlich in Erscheinung treten konnten. »Ich wollte mich nur einmal mit Mr. Henley unterhalten, weil ich hoffte, einige Erfahrungen mit ihm austauschen zu können. Soviel ich weiß, unterhält er eine Außenstation auf dem Jupiter.«
»Am Jupiter«, berichtigte Poulter. »Darüber hätte Ihnen aber Glenn die beste Auskunft geben können, denn es handelt sich um eine Werksstation. Sie prüfen dort Ortungsgeräte und eine neue Art von Schutzanzügen, soweit ich im Bilde bin. Ich glaube nicht, dass Mr. Henley Ihnen darüber etwas sagen kann.«
»War er nicht kürzlich draußen?«
»Nein.«
»Natürlich«, nickte Mark Tolins. »Er wird sich damit nicht belasten. Er dürfte seine eigenen Forschungsarbeiten verfolgen.«
»Gewiss«, bestätigte Nevin Poulter glatt wie ein gut geölter Riegel, aber eben doch wie ein Riegel, der eine Tür abschloss. Es nützte ihm freilich nicht viel. Mark Tolins überhörte kaltblütig die Abweisung.
»Woran arbeitet er eigentlich?«
»Oh, einige Grundlagenforschungen«, wich Poulter aus »Sie werden verstehen, dass ich Ihnen darüber nichts sagen kann.«
»Schade«, lächelte Mark Tolins. »Ich hätte ein interessantes Problem für ihn.«
»Wenn Sie es mir anvertrauen, wollen ...«
Sie unterbrachen. Amos trug ein Tablett mit Erfrischungen herein. Wahrend er servierte, fragte Mark Tolins beiläufig:
»Übrigens, Amos - hat Mr. Henley das Mikroband noch nicht vermisst, das er drüben bei Mr. Glenn liegen ließ?«
Er hätte ebenso gut ein Kaninchen aus dem Ärmel schütteln können. Amos rückte, dass die Gläser klirrten, war eine Sekunde lang halb vorgeneigt ganz steif und griff in der nächsten mit einer mechanischen Bewegung unter seine Jacke, unter der leicht eine Waffe verborgen sein konnte. Er verzichtete jedoch noch rechtzeitig genug.
»Verzeihung«, brachte er etwas mühsam heraus. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
Er log. Er wusste Bescheid. Warum log er? Mark Tolins hatte blind geschossen, aber er musste ins Schwarze getroffen haben.
Oder doch nicht? Nevin Poulter zeigte keine Schreckreaktion.
»Erschrecken Sie Amos nicht«, glättete er belustigt. »Er fühlt sich sogar für die Brotkrumen verantwortlich, die Mr. Henley vom Tisch fallen lässt. Sie können gehen, Amos.«
Der Neger ging. Vorher bedachte er Mark Tolins noch mit einem Blick, der seltsam aus Furcht, Hass und Trauer gemischt war. Er versprach nichts Gutes.
»Amos ist empfindlich«, plauderte Poulter über den Zwischenfall hinweg. »Er steht in mehrfacher Hinsicht zwischen den Welten. Vielleicht haben Sie von Glenn gehört, dass er ein hervorragend begabter Student war, der eine glänzende Laufbahn vor sich hatte. Er geriet dann ohne Schuld in eine sehr unangenehme Geschichte, aus der ihn Henley herausholte. Seitdem hat er auf alles verzichtet und begnügt sich damit, Henleys Diener und Leibwache zu sein. Und insofern ist es besser, ihn nicht zu reizen.«
»Nichts lag mir ferner«, versicherte Mark Tolins.
»Ich weiß. Glenn hat Ihnen das Band vorgespielt?«
»Ja.«
»Er scheint es nicht überwinden zu können«, lächelte Poulter. »Dabei ist es doch wirklich nur ein Scherz, den ihm einer seiner Freunde zugedacht hat. Ein kleiner Sprung über hundert Billionen Kilometer bis zum Prokyon und dann noch zwanzig Jahre jünger! Hübsch, aber ein bisschen dick, nicht?«
»Sicher«, stimmte Mark Tolins zu. »Andererseits - es gibt schon seltsame Dinge im Raum. Mir selbst ist kürzlich etwas passiert, worüber ich eigentlich mit Mr. Henley sprechen wollte.«
»Ja?«, nahm Poulter den Ball auf.
»Ich habe einen Toten aufgelesen«, berichtete Mark Tolins, während er das Gesicht Poulters überwachte. »Zwischen Jupiter und Mars auf Erdkurs. Er klebte plötzlich an unserem Fenster. Er trug einen Henley-Anzug. Ein gewisser Jim Darcay, wie ich feststellen konnte.«
Nevin Poulter zeigte nicht mehr als die angemessene Verwunderung.
»Eine erstaunliche Sache! Ein Toter, der frei durch den Raum treibt! Wie hängt das zusammen?«
»Ich weiß es leider nicht. Noch nicht! Ich hoffe jedoch, es herauszufinden. Schließlich gibt es ja nicht viel Möglichkeiten. Darcay stammt aus New York. Das Räumkommando weiß nichts von ihm. Er kann also nur privat hinausgekommen sein. Es gibt nur wenige amerikanische Unternehmen, die Außenstationen unterhalten, und nur ein einziges, das einen Stützpunkt im Jupiterbereich besitzt.«
Poulter schüttelte den Kopf.
»Die Henley-Werke, nicht wahr? Ich glaube aber nicht, dass Sie damit richtig tippen. Glenn müsste Ihnen gesagt haben, dass dieser Darcay unmöglich mit uns zu tun haben kann. Zum Jupiter kommen nur wenige, streng gesiebte Leute, und die Vorstellung, dass sich jemand einschmuggeln könnte, ist geradezu märchenhaft.«
»Gewiss, aber gerade das würde nur noch eine Möglichkeit zulassen, nämlich eine private Mitnahme in einem privaten Raumschiff, das nur von seinem Besitzer kontrolliert wird.«
Nevin Poulter richtete sich steifer auf.
»Sie denken hoffentlich nicht im Ernst an Henley?«
»Warum sollte ich nicht?«
»Weil es einfach absurd ist«, antwortete Poulter mit Nachdruck. »Henley hat nur eine kleine Henley-Marshall-Sport, in der sich niemand verbergen kann. Und über einen Fahrtteilnehmer würden ich und Amos unterrichtet sein, denn wir nehmen an jeder Fahrt teil. Aber ganz abgesehen davon, ist diese ganze Sache schlechthin unmöglich. Wo auch immer der Tote gewesen sein mag: Er kann nirgends eine Außenstation verlassen, denn die Schwerkraft hält ihn überall fest. Ebenso gut könnten Sie ihn verdächtigen, mit einem Sprung von der Erde loszukommen und durch den Raum zu fliegen.«
»Völlig klar«, stimmte Mark Tolins abermals zu. »Sie sehen aber wohl auch, was sich daraus ergibt: Darcay kam nicht von einer Außenstation, sondern muss ein auf Erdkurs liegendes und in voller Fahrt befindliches Raumschiff verlassen haben, freiwillig oder unfreiwillig.«
»Absurd!«, zensierte Nevin Poulter ruhiger, aber feindseliger. »Sind Sie wirklich sicher, diesen Toten aufgelesen zu haben?«
»Oh, ich denke schon«, lächelte Mark Tolins. »Der Rest ist natürlich rätselhaft. Sie werden jetzt vielleicht verstehen, dass ich gern Mr. Henley selbst sprechen möchte. Vielleicht hat er eine Erklärung.«
»Wenig wahrscheinlich, aber ich will gern versuchen, ihm Ihr Problem vorzutragen.«
»Überlassen Sie das mir.«
»Bedaure, aber er befindet sich in einer Arbeit, bei der er nicht gestört werden will. Berücksichtigen Sie bitte, dass ich nur sein Assistent bin und mich an seine Anweisungen zu halten habe.«
»Schade, aber verständlich. Hoffentlich bekommen Sie deswegen keine Schwierigkeiten. Mr. Henley wird kaum viel davon halten, in dem Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu geraten.«
»Darf ich fragen, wie Sie das meinen?«
»Warum nicht?«, blieb Mark Tolins leicht. »Ich gebe natürlich keine Ruhe, bis ich Bescheid weiß. Glücklicherweise besitze ich einige Beziehungen, um gründliche Nachforschungen zu ermöglichen. General Stanwyl wird sicher das ganze Raumkommando durchkämmen. Die Industrieforschung wird sieh auch nicht gern etwas nachsagen lassen. Die Presse interessiert sich bestimmt für einen Toten im Raum. Sie wissen ja, wie das ist. Man braucht der Meute nur einen appetitlichen Brocken hinzuwerfen, um sie zum Heulen zu bringen. Wahrscheinlich wird das unangenehm für Mr. Henley, denn bei solchen Gelegenheiten wird alles wieder aufgewärmt, was schon längst vorbei ist. Ich fürchte, nicht einmal bei Ihnen oder bei Amos bleibt ein Blatt, das nicht irgendein Reporter oder Detektiv umwendet.«
Nevin Poulter sah jetzt reichlich wie ein Bankdirektor nach einem schwarzen Freitag aus. In seinen Augen lag Gehässigkeit. Er hatte Mühe, einigermaßen glatt zu bleiben.
»Soll das eine Drohung sein?«
»Eine Warnung.«
»Sie haben kein Recht, die Öffentlichkeit auf uns zu hetzen und unsere Arbeit zu stören.«
»Ich bin neugierig.«
»Eine empörende Rechtfertigung!«
Mark Tolins wurde kühl. In das helle Grau seiner Augen leuchtete stärker als bisher ein blauer Schimmer hinein.
»Das ist keine private Neugier, Mr. Poulter. Sie können sich selbst leicht ausrechnen, was dieser Tote im Raum bedeutet: entweder die Aufhebung gewisser Naturgesetze oder ein Verbrechen.«
Nevin Poulter schluckte daran und stand dann auf. Er war jetzt ein Bankdirektor, der Einem faulen Kunden den Kredit verweigert.
»Ich nehme an, dass Ihnen Ihre Phantasie einen Streich spielt, Mr. Tolins. Wie ich Ihnen schon sagte, will ich versuchen, Ihre Angelegenheit Mr. Henley vorzutragen. Ich werde Sie verständigen, wenn er sie für wichtig genug hält, um persönlich mit Ihnen darüber zu sprechen. Mehr kann ich nicht für Sie tun.«
Die Verabschiedung war deutlich genug. Mark Tolins erhob sich ebenfalls. Er hielt es für zwecklos, weiterzubohren. Dieser Assistent war ihm so wenig geheuer wie die Sperre um Henley, aber andererseits konnte sich wohl kein Assistent anders verhalten, wenn er strenge Anweisungen seines Brotgebers besaß. Wenn Poulter mehr wusste, als er zugab, so hatte er seine Karten nicht schlecht gezogen.
Amos verdarb ihm das hübsche Spiel.
Er hielt Mark Tolins an der Haustür auf, nachdem er sie geöffnet hatte. Er legte sogar seine Finger um den Arm des Besuchers.
»Kommen Sie nicht wieder«, warnte er leise, aber mit unverhüllter Feindschaft. »Und machen Sie nicht andere Leute rebellisch. Ich habe alles gehört, was Sie zu Mr. Poulter gesagt haben. Nehmen Sie sich in Acht! Wenn Sie uns nicht in Ruhe lassen, bekommen Sie es mit mir zu tun.«
Mark Tolins drückte seine Hand weg. Er sprach kalt und ruhig.
»Sie übernehmen sich, Amos. Ich schätze es, dass Sie zu Mr. Henley halten, aber wir wollen im Rahmen bleiben. Sie können nicht jeden lästigen Besucher umbringen.«
Amos blickte überrascht auf seine Hand, blieb aber bei seinem finsteren Faden.
»Ich habe Sie gewarnt. Er will in Ruhe arbeiten, und ich werde dafür sorgen.«
Mark Tolins schoss ohne Warnung.
»Was ist mit Darcay passiert?«
Der dunkle Hüne zuckte wie unter einem Schlag und presste die Lippen zusammen.
Mark Tolins schoss sofort nach.
»Was ist mit dem Tonband? Nur Mr. Henley selbst kann es bei Glenn verloren haben.«
Amos ballte die Fäuste. Seine Stimme quetschte.
»Gehen Sie jetzt. Es ist besser für Sie.«
Mark Tolins fixierte ihn schärfer.
»Sie wollen sich hoffentlich nicht schon wieder übernehmen? Sie sind zu intelligent dazu. Und ich bin nicht dumm genug, um in Ihnen nur einen übereifrigen Leibwächter zu sehen.«
»Gehen Sie!«, forderte Amos zum dritten Mal auf.
»Gern«, nickte Mark Tolins und schoss ganz beiläufig zum dritten Mal. »Sind diese fünfzigtausend Dollar, von denen in dem Tonband die Rede ist, nun eigentlich gezahlt worden, oder ist es bei zwanzigtausend geblieben?«
Das war ein Volltreffer. Amos wurde grau im Gesicht. Seine Augen irrten hilflos. Er brauchte Sekunden, bevor er sich genügend zusammenreißen konnte.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, behauptete er heiser, warf sich herum und verschwand hinter der Tür.
Mark Tolins ging zu seinem Wagen und fuhr weg. Er nahm nicht den Eindruck mit, dass man ihn gern gesehen hatte.