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Vorwort

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Da die zweite Ausgabe meines Anna-Göldi-Buches im Jahr 2020 ausverkauft war, wurde der Wunsch an mich herangetragen, es zu überarbeiten und grünes Licht für einen Neudruck zu geben. Ich machte mich an die Aufgabe, realisierte indes bald, dass ich einen entscheidenden Schritt weiter gehen wollte. Ich gab mir deshalb ein Jahr Zeit, um ein ganz neues Anna-Göldi-Buch zu schreiben. Heute liegt es vor. Es basiert zwar auf der «alten» Ausgabe, unterscheidet sich aber deutlich davon durch neue Inhalte, eine andere Gliederung und eine andere Aufmachung.

Die erste Ausgabe meines Sachbuches stammt aus dem Jahr 2007 und trägt den Titel Der Justizmord an Anna Göldi. Diese Ausgabe wurde sechs Jahre später aktualisiert und erweitert durch die Rehabilitierung von Anna Göldi, die 2008 vom Glarner Kantonsparlament beschlossen worden war. Darum erschien das überarbeitete Buch im Jahr 2013 unter dem Titel Anna Göldi – Hinrichtung und Rehabilitierung.

Seit der Erstausgabe vor bald 15 Jahren konnte ich neue Er­­kenntnisse gewinnen. Dazu trugen auch die unzäh­ligen spannenden Begegnungen und Diskussionen im 2017 eröff­neten Anna Göldi Museum in Glarus bei. Weil ich den Fall heute mit anderen Augen sehe als im Jahr 2007, habe ich den gesamten Text umgeschrieben, setze andere thematische Schwerpunkte und ziehe daraus neue Schlussfolgerungen.

Im vorliegenden Anna-Göldi-Buch spielt der damals be­­rühm­­te Churer Priester und Teufelsaustreiber Johann Joseph Gassner eine wichtige Rolle. Für ihn waren unfassbare Krank­heitsbilder, wie sie etwa beim angeblich nadelspeien­den Kind beschrieben wurden, typische Phänomene von Teufelsbe­sessenheit. Die von ihm entfachte Satans-Hysterie befeuerte die drei mutmasslich letzten Hexenprozesse: 1775 im süddeutschen Kempten, 1779 im bündnerischen Tinizong und 1782 in Glarus. Zwischen diesen drei Prozessen gibt es deutliche Unterschiede, aber auch interessante Gemeinsamkeiten.

Mehr als nur ein Nebenaspekt: Der Anna-Göldi-Hexenprozess wurde zu einem der allerersten grossen Whistleblowing-Fälle in Europa. Die öffentliche Debatte, welche die Publikation geheimer Prozessdokumente entfachte, hatte eine heilsame Wirkung. Sie ebnete den Weg zu einer vom Dä­­­monenglauben befreiten Strafjustiz und besiegelte das Ende der Hexenverfolgung, die in erster Linie eine Frauenver­fol­gung war. Was heute fast schon vergessen ist: Während Jahrhunderten wurden Frauen im christlichen Europa als «Maleficae» kriminalisiert und dämonisiert, als Übeltäterinnen und natürliche Verbündete des Teufels.

Der Fall Anna Göldi ist historisch auch dank der Aktenlage von herausragender Bedeutung. Die Dokumente sind einzigartig, weil nie zuvor oder danach behördliche Willkür bei einem Hexenprozess derart minutiös protokolliert wurde und erhalten blieb – Schwarz auf Weiss ein amtliches Zeugnis für die damals herrschende Arroganz der Macht.

Als Jurist und promovierter Prozessrechtler möchte ich die zeitgeschichtlichen und rechtlichen Zusammenhänge des Göldi-Prozesses aufzeigen. Und als Journalist und Buchautor ist es mir ein Anliegen, auch die dramatische Schicksalsge­schichte von Anna Göldi zu vermitteln. Entsprechend habe ich die Erzählstruktur des Buches und eine chronologische Abfolge der Kapitel gewählt.

Im ersten Teil widme ich mich dem Leben von Anna Göldi sowie den Hintergründen der letzten Hexenprozesse und bringe sie in Zusammenhang mit dem von Johann Joseph Gassner neu entfachten Teufelsglauben. Im Mittelteil behandle ich die spannenden Aspekte der Enthüllung geheimer Akten zum Göldi-Fall, namentlich durch Whistleblower Johann Melchior Kubli, bis hin zum Originaltagebuch des damals aktiven Journalisten Heinrich Ludwig Lehmann, das 2020 nach Glarus zurückgekommen ist. Im dritten Teil des Buches beleuchte ich die epochalen Folgen des Göldi-Prozesses, der in einer Zeit des Aufbruchs in die Moderne stattfand. Im abschliessenden Kapitel über die Rehabilitierung von Anna Göldi spanne ich einen Bogen zur heutigen Zeit.

Ich bilde mir nicht ein, das Mysterium um einen der berühmtesten Prozesse der schweizerischen Justizgeschichte restlos aufklären zu können. Das Buch soll im Gegenteil zu weiteren Forschungen anspornen. Der Justizfall Anna Göldi ist eine Geschichte im Wandel. Sie ist nie zu Ende geschrie­ben, gibt neue Rätsel auf und bringt immer wieder Überraschendes ans Licht. Eine Geschichte, die bewegt, aufrüttelt und polari­siert – bis heute.

Anna Göldi - geliebt, verteufelt, enthauptet

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