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Die Folgen einer Traumatisierung

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hirnorganische Veränderungen

Die Auswirkungen einer Traumatisierung können sehr vielfältig und tiefreichend sein und müssen differenziert betrachtet werden. Schwere, anhaltende frühe Traumatisierungen können bis hin zu hirnorganischen Veränderungen führen. Dies betrifft insbesondere drei Strukturen des Gehirns.

Amygdala

Zum einen kann die Funktion der Amygdala beeinträchtigt sein. Diese auch als »Mandelkern« bezeichnete Zellstruktur im Zentralnervensystem ist Teil des Temporallappens und somit Teil des Limbischen Systems. Dieser Bereich verarbeitet von außen kommende Impulse und leitet vegetative Reaktionen dazu ein. Insbesondere gehören hierzu die Wahrnehmung von Erregung und im weiteren Sinne alle Bereiche von Angst und Furcht, wie sie als Reaktionen auf so empfundene Bedrohungsreize auftreten können; wir nennen sie auch unser »Angstzentrum«. Eine der Folgen einer frühen Traumatisierung ist eine erhöhte Aktivität der Amygdala – und damit eine oft erhöhte Angstbereitschaft.

Hippocampus

Ein weiterer Bereich des Limbischen Systems ist der Hippocampus. Er ist wichtig für die Gedächtniskonsolidierung, also die Überführung von Gedächtnisinhalten aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Diese Funktionen haben mit dem Lernen zu tun. Bei früh traumatisierten Menschen kann die Ausbildung dieses Hippocampus beeinträchtigt sein, er bleibt dann kleiner. Dies hat zur Konsequenz, dass die Lernfähigkeit, besonders die Fähigkeit Betroffener zum Lernen aus Erfahrung, beeinträchtigt sein kann, vor allem auch das Erlernen der wesentlichen Erfahrung: Das war, das kommt nicht wieder – oder auch: Der, der mir das angetan hat, kommt nicht wieder. Und: Ich weiß, dass ich ein anderer geworden bin!

präfrontaler Cortex

Ein weiterer Bereich ist der Frontallappen oder auch Stirnlappen des Gehirns. Dieser Bereich, darin vor allem der präfrontale Cortex, reguliert die kognitiven Prozesse mit dem Ziel, dass jeweils situationsgerechte Handlungen ausgeführt werden können. Auch beeinflusst der Stirnlappen die Amygdala im Hinblick auf Beruhigung und Angstregulierung. Dieser Frontallappen wird durch eine im frühen Lebensalter erlittene Traumatisierung ebenfalls in seiner Ausbildung gehemmt und bleibt kleiner.

Diese zutiefst mit dem Angsterleben und der Angstentwicklung zusammenhängenden komplexen hirnorganischen Veränderungen führen dazu, dass sich betroffene Menschen schneller fürchten, einen stärkeren Schreckreflex aufweisen, dass sie viel eher eine Angst vor der Nähe zu anderen Menschen empfinden, im Alltag allgemein ängstlicher sind – kurz: dass sie ein Leben in Alarmbereitschaft leben.

Körpergedächtnis

Unabhängig von diesen konkreten, bis in die hirnorganische Struktur gehenden Veränderungen sprechen wir bei der PTBS oft auch vom »Körpergedächtnis«. Der Traumaforscher Bessel van der Kolk hat folgerichtig sein wesentliches Buch zur Traumafolgestörung Verkörperter Schrecken benannt und darin Traumaspuren im Gehirn oder auch übergreifend im Körper beschrieben.41

Vereinfachend benennen wir mit Körpergedächtnis eine umfassende Reaktion unseres Körpers auf traumatisierende Ereignisse. Diese kann – wie beschrieben – bis in die Gehirnstruktur reichen, Formen der Muskelanspannung ebenso wie vegetative Symptome umfassen und Einfluss auf die Herzaktionen, die Verdauungsbereiche, regenerative Faktoren, die Krankheitsanfälligkeit, Regulationsstörungen und etliche Funktionen mehr nehmen.

Entscheidend und übergreifend verbindet alle diese Symptome, dass bei einem Betroffenen die aktive, bewusste und willentliche Handlungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt ist.

Dissoziation

Ein wesentliches Phänomen zum Verständnis von Auswirkung und Folgen einer Traumatisierung ist die Dissoziation (auch »Fragmentation«). Dissoziation beschreibt das teilweise oder vollständige Auseinanderfallen von körperlichen und seelischen Funktionen und umfasst damit Bereiche der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität, aber auch der Motorik.

Spaltung zwischen Ich und Emotionen

Dissoziation kann zwischen Bewusstsein und Körper auftreten, Dissoziation kann einen Teil des Körpers umfassen, dann eine Spaltung beispielsweise zwischen dem Kopf und den Gliedmaßen oder den Gliedmaßen und dem restlichen Körper bewirken mit der Folge, dass Gliedmaßen nicht mehr willentlich gesteuert werden können. Bei einer Dissoziation kann ebenso eine Spaltung zwischen dem Ich und den Emotionen, zwischen Gedanken und Empfindungen auftreten. Auch zu einer Spaltung zwischen dem Ich und der Erinnerung an einen Teil eines Ereignisses oder an ein Ereignis als Ganzes kann eine Dissoziation führen.

Somit erschwert oder verhindert eine solche Dissoziation die Möglichkeit, dass ein Mensch seiner selbst in der Fülle bewusst wird, auch über die Möglichkeiten der eigenen Entwicklung, Bewältigung und Verwandlung. So können die eigenen Gefühle als fremd oder nicht zugänglich erlebt werden, was zur Folge hat, dass sich die Betroffenen in ihrer Autonomie des eigenen Handelns als beschränkt und begrenzt erfahren.

Ein 32-jähriger Mann wurde Opfer eines heimtückischen Raubüberfalls, bei dem sein Vertrauen ausgenutzt wurde. Trotz weitgehender Integration in Privat- wie Berufsleben treten Zustände einer vermeintlichen Apathie auf; er erlebt sich dann handlungsunfähig, ausgeprägt verlangsamt, nimmt die Umgebung »wie von weit her« wahr und hat kein Gefühl dafür, wie seine Füße auf dem Boden stehen.

Eine 32-jährige Frau war in der Kindheit schwerster Isolation und teilweise Bedrohung ausgesetzt. Sie hat nicht die einem Kind von Naturzustehende Hilfe und Unterstützung erfahren dürfen. Kleine Herausforderungen, Änderungen eines Vorhabens oder Konflikte führen zu dissoziativen Zuständen. Sie erlebt sich dann »wie schwebend«, hat kein Gefühl für den Körper, alles geht ihr zu schnell, sie empfindet sich wie abgeschnitten von sich selbst, wie gelähmt. Dies führt in sozialen Situationen (unter anderem bei Ämterkontakten) zu schwierigen Situationen: Sie »stelle sich dumm«, wird ihr gesagt, sie »verweigere sich«, sei »affig und überheblich«. Diese Konflikte, die Unfähigkeit, sich zu erklären, verstärken die Symptomatik erheblich.

»Schonung« der Seele

Wie andere Symptome der PTBS beinhaltet die Dissoziation auch den Aspekt einer – wenn auch nur vorläufigen – Lösung, die eine Hilfe für die Betroffenen darstellen kann: Durch die Abspaltung des Affekts, der Gefühle oder auch von belastenden Erinnerungen bleibt die Seele von den überwältigenden, bedrängenden und überfordernden Eindrücken »verschont«. Dies kann uns in der Begleitung eines traumatisierten Menschen lehren, mögliche therapeutische Prozesse vorsichtig und abwartend einzusetzen. Grundgedanke der Therapie bleibt es, zuzuwarten, Hilfe anzubieten, aber nicht aufzudrängen und die jeweilige und aktuelle Möglichkeit des Betroffenen zu einzelnen Schritten zu respektieren – und so lange gegebenenfalls das Fortbestehen einer Symptomatik zu akzeptieren.

Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung

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