Читать книгу Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung - Walter J. Dahlhaus - Страница 49

Reflexion

Оглавление

Symptome als Selbstheilung

Meines Erachtens reicht es nicht aus und ist es auch nicht sinnvoll, die oben geschilderten Symptome ausschließlich als »krank« oder als »Defizite« zu beschreiben. Natürlich ist das Erleben dieser Symptomatik mit Leiden, oft schwerstem Leiden verbunden, das soll in keiner Weise infrage gestellt werden. Dennoch: Ich halte es für berechtigt, manche dieser Symptome auch unter dem Aspekt einer allerersten »Selbstheilung« zu sehen. Zumindest aber können wir hinter den Symptomen einen – wenn auch unbewussten – Versuch der Betroffenen erkennen, die schweren Folgen einer Traumatisierung für das alltägliche Leben bewältigbar zu machen und damit ein »Überleben« zu ermöglichen. Hier meine ich gerade Aspekte wie Vermeidung, Übervorsichtigkeit, Amnesie, Schlafbeeinträchtigung und auch eine begrenzte Gefühlstiefe, eine eingeschränkte Emotionalität. Auch wenn dies vorläufige »Lösungen« sind, ermöglicht dies vielleicht den Menschen, die Schwere ihres Lebens zu ertragen.

Ein Jugendlicher, der ohne Begleitung durch seine Eltern oder vertraute Personen eine lange, gefährliche und extrem belastende Flucht aus Afghanistan geschafft hat, verbrachte in den ersten Monaten, die er in Deutschland lebte, die Nächte damit, angekleidet in seinem Bett zu sitzen und immer wieder nur kurz einzunicken. Ein Schlafmittel lehnte er ab. Es war deutlich, dass es ihm darum ging, seine Aufmerksamkeit und Kontrolle aufrechtzuerhalten, die ihm letztlich dazu verholfen haben, die Flucht zumindest äußerlich heil zu überstehen.

Übervorsichtigkeit

Ein seelisch verletzter Mensch, der in der Überforderung und Überwältigung der Traumatisierung ohnmächtig war, zeigt in dem vielleicht als übervorsichtig oder auch vermeidend oder überkontrolliert empfundenen Verhalten, dass die Situation dadurch für ihn im Moment beherrschbarer erscheint.

Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung

Подняться наверх