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Folgen einer Traumatisierung bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

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Verhalten als »Sprache«

Immer wieder müssen wir uns in diesem Zusammenhang verdeutlichen, dass wir immer differenzierter lernen müssen, dass das Verhalten eines Menschen selbst als »Sprache« verstanden werden kann, insbesondere bei erheblicher kognitiver Einschränkung der sprachlichen Kommunikationsfähigkeit. So muss der Blick stärker auf das Gesamtverhalten gerichtet werden und außerdem auf körperlich-somatische Phänomene wie Erregung, Erstarrung, taktile Über- oder Unterempfindlichkeit, erhöhte Krankheitsanfälligkeit, auffällig intensives oder geringes Schmerzempfinden oder auch Erbrechen.

Bei einer 42-jährigen Bewohnerin einer Einrichtung (Down-Syndrom, ausgeprägte Intelligenzminderung, nur sehr eingeschränkte sprachliche Kommunikationsfähigkeit) treten heftigste Durchfälle auf. Eingehende körperliche Untersuchungen und Stuhlproben geben keinen Hinweis auf die Ursache. Die Beeinträchtigung tritt über ein Jahr auf, nicht nachvollziehbar immer im Zusammenhang einer anstehenden Busfahrt. Nach dem Suizid des früheren Busfahrers werden sexuelle Übergriffe durch ihn bekannt. Mit größter Wahrscheinlichkeit war auch die Bewohnerin davon betroffen, ohne dass sie dies hinreichend verbalisieren konnte. Der Durchfall war ihre »Sprache«.

Symptome

Es gilt verstärkt wahrzunehmen:

•das Verhalten in sozialen Beziehungen, beispielsweise Bindungsstörungen,

•eine verminderte Fähigkeit zur Affektregulation,

•ausgeprägte Ängste vor Unbekanntem,

•Kontaktvermeidung und Rückzugsverhalten,

•ausgeprägtes Verweigerungsverhalten,

•sexualisierte Verhaltensweisen, generell ungewöhnliche Kontaktgestaltung,

•regressive, d. h. auf frühere Entwicklungsstufen zurückfallende Phänomene,

•schwere aggressive und selbstverletzende Verhaltensweisen.

Auch eine Verstärkung der Anfallsfrequenz bei Epileptikern kann vor diesem Hintergrund gesehen werden.

Lea, 27 Jahre alt, weist nach einem Sauerstoffmangel unter der Geburt einen Zustand nach frühkindlicher Hirnschädigung (FKHS) mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung auf. Weitere Folge der FKHS sind eine Lähmung im Sinne einer Tetraspastik sowie eine fokale Epilepsie mit Neigung zur Generalisierung mit schweren Grand-mal-Anfällen. Im Elternhaus machte sie bis zur Heimaufnahme zur Zeit der Pubertät schwere Gewalterfahrungen. Vor anstehenden Besuchswochenenden zeigte sie eine deutliche Stress-Symptomatik, dabei vor allem eine ausgeprägt erhöhte Anfallsbereitschaft.

verschiedene Ursachen möglich

Selbstverständlich können alle hier genannten Phänomene auch durch andere Umstände oder Ursachen bedingt sein. Sollte aber eine Mehrzahl dieser Phänomene beobachtet werden und ist deren jeweilige Ursache nicht erkenntlich, auch nicht einfühlbar, muss an eine Traumatisierung als Mitbedingung gedacht werden.

Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung

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