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Die Brille

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An einem der nächsten Tage ist wieder Lido mit Baden angesagt. Wir packen unsere Badesachen und lassen uns von Hans zum Lido überstellen.


Am Abend dann, als wir zum Boot zurückkommen, gibt es eine Überraschung: Es ist nicht mehr da. Wir sind aber ganz sicher, wir hatten es hier angebunden. Der Knoten, den Hans benutzt hatte, war zwar kein seemännischer gewesen, aber es war doch auch kein „Simmeringer Zeitstek“ gewesen, der sich nach fünf Minuten von selbst öffnet, sondern eher ein Knoten von der Art, die nur mit Mühe wieder zu lösen ist.

Unser Blick, der die Gegend absucht, erhascht das Boot alsbald – immerhin, es ist nicht gestohlen, sondern nur abgehängt und verlagert worden. Nun ist es 30 Meter weiter an einem anderen Platz angelegt, möglicherweise ist unser Liegeplatz von seinem Eigentümer beansprucht worden, und er hat unser Boot entfernt.




Das Boot ist also da, jedoch ist es nicht ganz so leicht zu besteigen. Das hängt damit zusammen, dass die Pfähle, an denen es befestigt ist, zum Ufer gut einen Meter Abstand haben, und es keinen Landungssteg gibt, der den Spalt überbrückt. Nach kurzer Überlegung wagt Hans den „Sprung“ – mit einem Riesenschritt steigt er auf den Rand des Bootes und umarmt dabei einen der Pfähle. Er schwankt ein wenig, dann hört man einen nur halb unterdrückten Fluch, für den der Grund allerdings vom Ufer aus nicht zu erkennen ist.

Kurz darauf startet Hans sein Boot und holt uns bei einer nahen Stiege ab. Er hat eine kleine Beule an der Stirn, aber den wahren Grund für seinen Aufschrei erfahren wir erst abends im Restaurant, als er uns beim Versuch, die Speisekarte zu lesen, seine zerstörte Lesebrille zeigt. Er hatte sie in seiner Brusttasche aufbewahrt, als er mit Schwung den Pfahl umarmte. Die Brille war futuristisch in Teile zerfallen – sozusagen von einem Designerstück zu einem echten Kunstwerk mutiert.

So kann – gerade in Venedig – ein einziger Schritt leicht tausend Euro kosten. Ganz zu schweigen von einem Fehltritt.

Mein Freund hat ein Boot in Venedig

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