Читать книгу Mein Freund hat ein Boot in Venedig - Walter Kowarik - Страница 6
Hirschkäfer
ОглавлениеIn unserem Garten gibt es natürlich auch Stechmücken, Bienen, Wespen, ja sogar wunderschöne Libellen, die unsere Katze bisweilen zu jagen versucht. Weiters brummen Rosenkäfer immer wieder durch die Luft, und an Hummeln ist ebenso kein Mangel. Aber etwas ganz Besonderes konnte ich an einem lauen Sommerabend beobachten: Hirschkäfer.
Diese Tiere, mehrere kleinere Weibchen von vielleicht 5 cm Größe und größere Männchen von 6-10 cm Größe, mit beachtlichen Zangen versehen, krabbelten in einem Winkel des Gartens nahe unserer Terrasse unter einem Rosenbusch umher, kletterten teilweise auch langsam an diesem Strauch empor – und flogen. Das hatte ich noch nie gesehen! Die Dämmerung brach herein, da erhoben sich diese Riesenkäfer, denen man kaum zutrauen würde, sich anders als sehr behäbig kriechend fortzubewegen, in die Luft. Mit leisem Gesumm – kaum lauter, als ein Rosenkäfer – zogen sie hoch hinauf und weit dahin, nicht plump, sondern elegant und scheinbar mühelos. Die großen Käfer stehen dabei fast senkrecht in der Luft, der schwere Hinterleib hängt sozusagen herab, während ihre Flügel schlagen und die Tiere dabei auf schöne Geschwindigkeiten beschleunigen. Auch haben sie offenbar keinesfalls die Not, bald wieder Boden unter die Füße zu bekommen, sie fliegen souverän und anhaltend – unglaublich.
Dass Nachbarn, auf die Käfer aufmerksam gemacht, nur Abscheu zeigten, hat mich sehr verblüfft. Ich als Techniker kann diese Tiere nur bewundern und bin fasziniert von der Fähigkeit scheinbar so plumper Tiere, sich in die Luft erheben zu können und einen Rundflug zu absolvieren – Menschen gelingt das bekanntlich nur mit komplizierten Maschinen und viel Treibstoff.
Was diese Käfer unter unseren Rosenbusch verschlagen hat, ist mir bis heute unbegreiflich. Laut Lexikon ernähren sie sich von Eichensaft, der hier allerdings weit und breit nicht zur Verfügung steht.
Leider ist es mir bisher nur an jeweils einem Tag in zwei aufeinanderfolgenden Jahren geglückt, dieses Schauspiel zu beobachten – seither aber nicht mehr wieder. Es mag am Wetter gelegen sein oder daran, dass ich natürlich nicht täglich daheim sein kann, um Tiere zu beobachten. Vielleicht ist es der Hochzeitsflug der Käfer, vielleicht fliegen sie tatsächlich nur einmal pro Jahr, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es ein beeindruckendes Erlebnis war, und dass ich hoffe, irgendwann wieder einmal meine Frau rufen zu können: „Komm schnell – die Hirschkäfer fliegen wieder!“