Читать книгу Humania - Walter Rupp - Страница 16
Gesellschaft
ОглавлениеJene Humanier, die bei der Arbeit am eigenen Charakter nicht weiterkommen, versuchen sich als Gesellschaftsreformer zu betätigen. Mit bewundernswerter Selbstlosigkeit und Einsatzfreude gehen sie daran, die Zustände am Arbeitsplatz, in den Schulen oder Kirchen, und ihre Mitmenschen zu verbessern. Sie greifen dabei auf alte Modelle zurück, die schon früher einmal scheiterten, und entwerfen neue, die sich nie bewähren werden. So rechnen sie sich eine Chance aus, endlich einmal eine entscheidende Rolle spielen zu dürfen.
Ein schon ergrauter und seniler, aber bei den Studenten - trotz seines hohen Alters - umso mehr verehrter Privatlehrer für Gesellschaftspolitik, der - soweit ich herausfinden konnte - Karl Marxer oder Murxer heißt, und der mit Hilfe seiner Theorien die Wirtschaft zahlreicher Länder ruinieren konnte, ohne dadurch sein Ansehen als Wirtschaftstheoretiker zu beschädigen, versuchte mich zu überzeugen, dass es zwei Wege zu einer paradiesischen Gesellschaft gebe: Man müsse entweder dem Strom, der den Garten Eden bewässerte und sich in vier Arme teilte, solange stromaufwärts gehen, bis man das Paradies erreicht, und den Engel - sollte er noch als Wache vor dem Tor des Paradieses stehen - mit Protestmärschen oder Steinwürfen vertreiben. Sollte er sich jedoch nicht vertreiben lassen, könnte man an einem anderen Platz, - es gäbe genügend Plätze, die sich dafür eignen - aus eigener Kraft ein noch schöneres Paradies errichten. Die Menschheit habe dafür tausende von Jahren Zeit. Einwände erstickte er mit dem Satz, den er mit geröteten Augen wiederholte: „Es ist kaum zu glauben, was möglich ist, wenn man nur glaubt.“
Den Begriff ‘Lebensqualität’ habe ich in Humanien bis zum Überdruss gehört. Niemand weiß, wer ihn zuerst erfunden hat und was darunter zu verstehen ist. Die einen stellen sich dabei ein unüberschaubares Angebot von Waren vor, andere Studienförderung und Weiterbildung mit großzügigen Stipendien, andere die Vermehrung von Krankenbetten und Kindergartenplätzen oder bezahlten Urlaub, und vor allem soziale Sicherheit. Die Vergnügungsindustrie hilft dabei kräftig mit, dass jeder ohne Unterbrechung in Zerstreuung leben kann.
Da die Vorstellungen über die Reformen so zahlreich sind wie die Reformer, ist eine Übereinstimmung darüber ausgeschlossen, wie gleich alle sein sollen und wieviel Entscheidungsspielraum jedem zugestanden werden soll? Ob eine strenge Ordnung, ein kontrolliertes Chaos oder das Rudelverhalten, wie es sich unter Raubtieren bewährt, den Vorzug haben sollen? Ob man auf einer geregelten Arbeitszeit oder auf dem regelmäßigen Besuch von Vergnügungsstätten bestehen soll? Wie man Verbrecher als normale Bürger in die Gesellschaft integriert? Wie man jedem Bewohner des Landes seinen Zweitwohnsitz und seine verkehrsfreie Straße garantiert? Wie man eine Gesellschaft ohne Technik schafft, nur mit Natur, ja, wie man durch Verlangsamen der Uhren allen mehr Zeit zur Verfügung stellt.
Nach dem Vorbild jenes Klausners, der einen Mann zum Hüten seiner Kuh einstellte, um die Milch für seine Katze zu bekommen, die die Ratten jagen sollte, unterhalten die Humanier ein Heer von Beamten, die das Geld verwalten müssen, das die Steuerbeamten eingetrieben haben, damit die Betriebe, die sonst eingehen würden, subventioniert werden können.
Wir fordern die Mehrstaatlichkeit, damit sich jeder Zuwanderer an die Gesetze des Landes halten kann, aus dem er ausgewandert ist!
Flugblatt anonymer Asylanten