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Wetzel ordnete seine Angelegenheiten vom Hotel aus. Ein junger, sonst unbeschäftigter Anwalt mußte gleich am andern Morgen die Scheidungsklage aufsetzen. Der Nachmittag war der Auseinandersetzung mit Vera Wetzel gewidmet. Sie erschien in einem kückengelben Frühjahrskostüm mit hellblauem Hut, war verweint, unsicher, voll Selbstanklage. Sie wollte seine Verzeihung erbitten oder sein Verständnis, wollte sich, wenn er es verlangte, scheiden lassen und seine Freundin bleiben. Sie hatte sich von 9 Uhr abends bis nachmittags um vier tausend Möglichkeiten ausdenken können. Aber Wetzel versteifte sich darauf, gekränkt und betrogen zu sein.

„Nein, wie konntest du? ...“ rief er erregt, oder: „Wer ist denn dieser junge Mann? So? Keller heißt er? Kenn’ ich nicht!“ Oder: „Während ich jede Stunde sterben kann ...“ und anderen unnützen Kram. Auf diese Weise gab es natürlich keine Verständigung. Sie gerieten schließlich in Vorwürfe von gestern und vorgestern. „Welche Interessen verbinden uns?“ sagte er zum Beispiel. „Hättest du auch einen Blick für Gesunde gehabt!“ antwortete sie. Sie untersuchten sorgfältig, ob sie sich jemals geliebt hätten, und verneinten es. Vera betonte, daß Wetzel nicht gerade der Schönste sei mit seinen Sommersprossen, dem kurzgeschorenen Rundschädel und den leicht gebogenen Beinen. Wetzel hingegen hatte ihre Tränenlosigkeit beim letzten Abschied zu bemängeln (dabei war sie eiskalt verzweifelt gewesen), ihre unbändige und unruhige Genußsucht und ihren Hang zum Luxus, der in der Tat ein wenig über ihre materiellen Möglichkeiten hinausging.

Kurzum: kaum hatte man sich voneinander entfernt, so war man getrennt. Der eine Schmerz zog hundert alte und neue Schmerzen hinter sich her, in der einen Enttäuschung waren hundert andere enthalten. Als Vera um neun Uhr die Treppe hinunterstieg, war von ihrer Ehe nichts mehr übrig. Keine Wärme, keine Erinnerung, kein Lächeln. Hatte sie nicht seine Hände geliebt, seine ungestüme Tapsigkeit, die Schärfe seines Verstandes und die Hilflosigkeit seiner tapferen kleinen Seele? Sie wußte es nicht. Sie sah nur seine alberne Verbeugung am Schluß, die verkniffenen Lippen und die großen, roten Flügelohren.

Wetzel hatte es ein wenig besser. Denn wenn er auch in seinem Trotz nichts hörte und sah, so roch er doch die sanfte Wolke von Veras Parfüm. Es war noch dasselbe, von dem er ihr im letzten Augenblick vor der Trauung eine halbe Flasche in den Schleier gegossen hatte, so daß sie, wie ein Treibhaus duftend, zum Altar gehen mußte.

Daran konnte er denken. Ein wenig weinen und lachen, und als am anderen Tag der Duft verschwunden war, hatte er sich bereits an den Gedanken gewöhnt, daß er sein Leben nur noch auf sich stellen konnte, falls er überhaupt leben würde.

Schicksale gebündelt

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