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Der alte Wagenfeld war um fünf bei Wetzel. Käsebleich. Zitternd. Der Doktor sollte helfen. Alles würde vergeben und vergessen sein. Sie fuhren mit dem Motorrad zum Teufelsteich, in dem sich die Mädchen sonst ertränkten, zum Wald, an dessen ersten Bäumen sich der Bauer Meisterweg aufgehängt hatte. Die Gendarmen wurden benachrichtigt. Streifen veranstaltet. Man konnte sie nicht finden. Wetzel schwor, daß er sie jetzt heiraten würde. Er schickte Vera kurzerhand fort. Es ging nicht mit ihr. Er war das städtisch Verquere, das Listige und Durchtriebene der Mondänen nicht mehr gewöhnt. Er kannte Besseres: Lena Wagenfeld. Er wartete. Sie würde schon wiederkommen. Oder wußte er schon, daß sie vergangen war und er sie darum leicht lieben konnte?

Nach vier Wochen endlich kam der Brief. Sie war in Leuna als Handlangerin. Ein Höllenleben. Aber da sie den Mut zum Sterben nicht hatte, besser dieses Höllenleben als das Leben mit Wetzel. Er war betroffen. Er fuhr sofort hin. Sie wohnte mit einer achtköpfigen Familie in einem Zimmer, hatte nicht einmal ein Bett für sich. Sie ging mit ihm über die kahlen Felder rings um das Werk. Sie erzählte von ihrer Arbeit: Stumpfsinn. Von ihrem Leben: Not, Stumpfsinn, Haß. Er sagte: „Das ist gar nicht dein Leben.“ „Eben darum“, antwortete sie. „Und ich wollte ja auslöschen.“

Sonst sagte sie nichts. Sie machte keine Vorwürfe, keine Szenen, sie erwähnte nichts von früher. „Ja, ich bin nun eingeordnet,“ schloß sie, „mein Leben schiebt sich von selbst.“

Er begleitete sie zu dem finsteren Haus zurück. Es war Lärm, Geschrei, Gelächter, Kinderweinen drin. „Warum denn?“ versuchte er. Sie aber schüttelte den Kopf. Er hatte nicht den Pakt gehalten. Er konnte doch lieben. Er hatte geliebt, wenn auch nur sich und das Vergangene. Wie aber sollte sie das sagen?

Wetzel wußte es ja auch so.

Er war eine ganze Zeit nahe an der Wahrheit. Er schalt sich feige. Und traf damit das Richtige. Er begriff, daß Vera damals so wenig schuldig gegen ihn gewesen war wie etwa jetzt Lena.

Dann aber gelang es ihm wieder, der Wahrheit Herr zu werden. Er überredete sich, daß er nicht für die Frauen taugte. Vielleicht überhaupt nicht für das lustige, erfolgreiche und schöne Leben der anderen. Er war auf der Schattenseite des Schicksals geboren, und wenn man die Wahrheit liebte, wenn man nicht in übertriebenen Gefühlen schwelgte und in der Verlogenheit der Liebe, so mußte man eben ein Sonderling werden und bleiben.

Dabei verblieb es dann. Dazu zog er die Stirn zusammen, die Mundwinkel herunter. Die Haare entfärbten sich früh und fielen aus. Er machte sich viel zu tun, war immer in Hetze. Ein gesuchter, beliebter Arzt. Kreisarzt später, Vertrauensmann politischer Parteien, Organisator der Landkrankenkassen. Das ist er heute und in zehn, zwanzig Jahren. Daran kann sich nichts ändern. Denn er glaubt, daß er zweimal harte Erfahrungen gemacht hat und das Leben und die Frauen kennt.

Schicksale gebündelt

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