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Dieses grünäugige Mädchen also.

Wenn die Teenager um die Bank in der Mitte der Straße, ihrer »To-go-Straße« herumstehen, kichernd, saumselig, alles wissend, Smartphones in den Händen, bleibt sie am Rand. Ihren Kopf hält sie gesenkt, ihre unruhigen Augen indes blicken stets hin und her und nach oben, als wolle sie in alle vier Richtungen gleichzeitig schauen. Das gibt ihr einen katzenhaften Blick. Sie raucht wie die anderen, sie lacht wie die anderen und sie checkt, was passiert. Männer, die etwas aus Lieferwagen ausladen, DHL, Hermes, Möbel Höffner. Autofahrer, die langsamer werden, wenn sie vorbeifahren. Manche hupen, wenn sie die Mädchen sehen. Die schauen kurz auf und dann vernichtend zur Seite. Manchmal winken sie auch. Die Grünäugige winkt nie. Sie schaut auf ihr Smartphone.

Da, eine Nachricht.

»Von wem?«, fragt eines der anderen Mädchen.

»Taifun.«

»Was sagt er?«

»Was ich mache und so.«

Und?

Sie geht. »Tschau, bye-bye, haydi tschüss.«

Das grünäugige Mädchen – ein Viertel Balkan, ein Viertel Antalya, das gesamte osmanische Reich, der Rest Berlin, also ganz Berlin, mit Hugenotten, GIs, polnischen Dienstmädchen, und die Mutter schon tot – schlendert die Straße hoch, checkt die Kreuzung, vor der die Straße verkehrsberuhigt ist, überquert den Platz, auf dem Autos parken, geht dorthin, wo die Jungen abhängen.

Taifun, schlecht gelaunt, steht beim Bolzplatz, raucht, wirft seine Zigarette weg, als er sie sieht, steigt ins Auto, BMW, chic chic, sie steigt auf der anderen Seite ein. Die beiden fahren weg.

Aber Maria F. weiß mehr. Sie hat das gesehen, wenn sie der Grünäugigen folgte und die sich ins Auto setzte, das abseits stand, am Ende der Sackgasse, hinter der der Zaun um den Bolzplatz anfängt, wo keine Häuser mehr sind, ein verrufener Ort, nur ein paar marode Karren stehen da, die später ausgeschlachtet werden. Und wie das Mädchen im Sitz hinunterrutscht, bis sie sie nicht mehr sehen kann.

Maria F. ist unruhig. Sie will mehr sagen, aber sie weiß nicht, ob es richtig ist. Denn das Ganze kann ihr in die Fantasie entgleiten. Da will sie nicht hin. Sie hat sich doch vorgenommen, alles roh zu erzählen, höchstens die Schale abgezogen, wie die einer Orange, einer Banane, einer Zwiebel. Aber nichts an der Erzählung soll angeschwitzt daherkommen, geschwenkt, gekocht. Dieses Mädchen, Jungfrau übrigens, und sie achtet drauf , dass sie das bleibt, ist sowieso nicht die einzige hinten beim Bolzplatz, die sich in ein Auto setzt, dann langsam hinter der Scheibe verschwindet und wieder auftaucht mit rotem, erhitztem Gesicht.

Es hebt die Grünäugige also nicht, sich auf diese Art zu versorgen. Mit Handy, Sündentasche, iPad. Der Kopfhörer hängt ihr selbst im Bett um den Hals. Andere tun es auch, und die Grünäugige beklagt sich nicht. Bei wem auch? Den Lehrerinnen? »Ach Gott, und du weißt doch, und bist du dir sicher, und verbau dir die Zukunft nicht.« Welche Zukunft bitte? Und die Idee, jetzt »Vater« oder »Mutter« zu sagen, ist abwegig, abwegig, abwegig. Paralleluniversen erkennt niemand. Ein Flugzeug fliegt übers Haus.

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