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Kapitel V Alles nur Lügen A. D. 179, September

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Mit hastiger Geste riss sich Centurio Trebius Servantus seinen mit einem roten Kamm verzierten Helm vom Kopf und donnerte seine Rechte ans Herz.

»Ave, Magnus Lucius.«

Lucia, die am Rande des Saales hinter einem Wandvorhang lauschte, grinste in sich hinein. Sie hatte sich schon immer über die Härte amüsiert, mit der Centurio Servantus ihren Vater grüßte. Vielleicht dachte der Soldat, dass ein harter Schlag seine Ergebenheit auf besondere Weise betonte.

Der Angesprochene winkte lässig ab und schob sich eine Dattel zwischen die schmalen Lippen. Mit halb geöffnetem Mund kaute er darauf herum und ein dünnes Rinnsal des Saftes lief aus seinem Mundwinkel. Ein wenig verwirrt sah der Centurio einen Tropfen das sonst makellose Gewand des Praefectus Castrorum besudeln und beglückwünschte sich insgeheim, dass er seinen Blick rechtzeitig davon lösen konnte, bevor es dem Garnisonskommandeur der XX. Legion auffiel.

»Weißt du, Trebius«, sprach dieser genießerisch. »Das ist es, was ich an Rom so schätze. Selbst hier, im primitiven Britannia, auf einer Insel voller Barbaren, bemalter Halbaffen und Dummköpfen, erfreue ich mich der Annehmlichkeiten römischer Kultur. Und das Beste daran ist, dass diese Früchte auch noch recht frisch sind.«

Er vermied es zu erwähnen, dass der Reiter ein Pferd zuschanden geritten hatte, nur um die Früchte in genießbarem Zustand vom fernen Hafen hierher zu bringen. Aber vielleicht wusste er es auch gar nicht, denn es bestand die Möglichkeit, dass der Verwalter des Magazins vergessen hatte, ihm diesen Verlust mitzuteilen.

Trebius Servantus war sich eigentlich sicher, dass dem so war, denn Magnus Lucius schätzte es nicht, auf die Kosten seiner luxuriösen Vorlieben angesprochen zu werden. Und was war schon ein voll ausgebildetes Reitpferd gegen eine Schale voller köstlicher Datteln? Nun, dann musste der Verwalter eben neue Pferde der Einheimischen in die Dienste der XX. Legion stellen. Für einen Augenblick grübelte er über die Frage, wie die Händler es wohl geschafft hatten, im britannischen Sommer das Eis am Schmelzen zu hindern, welches die Früchte während der Überfahrt frisch gehalten hatte.

»Wo bist du mit deinen Gedanken, Centurio?« Die Frage kam leise, aber mit einem hellwachen Unterton, der Trebius sofort wieder ins Hier und Jetzt zurückbrachte.

Lucia in ihrem Versteck musste an sich halten, um nicht loszukichern. So abwesend hatte sie Servantus bisher nur bei einem Gelage beobachtet, bei dem er zu viel Wein genossen und sich zu sehr auf eine Sklavin konzentriert hatte. Und wie immer musste dann eine Sklavin an Lucias statt sein Nachtlager teilen, denn Lucia verstand es geschickt, die ständigen Annäherungsversuche des Centurio abzuwehren, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen.

»Ich … äh, mein Herr. Ich dachte über eine Meldung nach, die in ihrer wesentlichen Aussage vor einigen Wochen schon einmal an mich herangetragen wurde. Damals hielt ich es für eine Narretei, doch nun … zum zweiten Mal …«

»Spann mich nicht auf die Folter, Trebius. Du weißt, dass ich alles wissen will, was in meinem Einflussbereich – und darüber hinaus – geschieht. Ich bin kein Idiot wie zum Beispiel Aquila Tassimo, dieser Narr. Ich bin ein großer Freund von … Informationen.« Er betonte das Wort in einer Weise, dass Trebius Servantus augenblicklich die lange Reihe von Spitzeln, Spionen und Informanten vor seinem inneren Auge sah, welcher sich Magnus Lucius mit Ausgiebigkeit bediente. Eine sehr lange Reihe.

»Herr, es gab ein Gerücht, dass eine Handvoll getöteter Feinde vom Schlachtfeld verschwunden war, bevor sich die einheimische Zivilbevölkerung der Leichen annehmen konnte …«

Magnus Lucius schluckte den Rest einer Dattel hinunter und wischte sich mit einer kurzen Bewegung über den Mund. Es war nicht nötig, dass er etwas erwiderte, sein Blick sagte genug.

»Ich ging der Sache selbstverständlich nach und schickte eine kleine Abteilung Reiter dorthin«, beeilte sich der Centurio. »Der Mann, der die Abteilung anführte«, fuhr er in seinem Bericht fort, »genießt mein volles Vertrauen und ich glaubte ihm, als er meldete, dass ihm nichts Außergewöhnliches aufgefallen sei, als er die Stätte mit aller Gründlichkeit untersuchte.«

»Aber?« Der helle Unterton in der Stimme des Präfekten beinhaltete nicht nur Neugier, sondern auch ein winziges Lauern.

Auch Lucia kannte diesen Ton ihres Vaters und strengte ihre Ohren an.

»Diese zweite – heutige – Meldung besagt, dass nicht nur die Leichen verschwunden sind, sondern auch keinerlei … äh … Überreste aufzufinden waren.«

»Ein hungriges Wolfsrudel vielleicht?«, warf Magnus Lucius ein. Eine eher rhetorische Frage.

»Verzeih, Herr. Aber auf einem Schlachtfeld gibt es immer … äh, menschliche Spuren. Knochen, Schädel … Kleidung …«

»Nichts dergleichen?« Die Frage klang harmlos, doch der helle Unterton nahm deutlich eine bedrohliche Färbung ein. »Die Picten tragen nur wenig, manche gar keine Kleidung, Trebius«, mahnte er an und blickte dabei lauernd auf seinen Centurio.

»Du hast Recht, Herr«, antwortete der Soldat und neigte tief den Kopf. »Die tierischen Fetzen, die die meisten von ihnen tragen, verdienen die Bezeichnung Kleidung nicht. Doch ihre Anführer und Fürsten tragen Lederbeine, Gürtel, an denen ihre verdammten Krummschwerter hängen. Dazu primitiven Schmuck – kein Vergleich natürlich zu edlem römischen Geschmeide. Die meisten jedoch sind bis auf wenige Felle nackt, selbst ihre Frauen.«

»Na gut, Centurio, was also denkst du, könnte passiert sein? Hat sie einer ihrer armseligen Götter geholt, samt all ihrer mickrigen Habe?«

Der Centurio wand sich unter dem oberflächlich harmlos wirkenden Blick des Präfekten und trotz abendlicher Kühle erschienen einige Schweißtropfen auf seiner Stirn.

»Es … es gibt Gerüchte über eine Gestalt, welche die Toten holt.«

Lucia war plötzlich wie versteinert.

»Doch nicht unser guter Pluto, der sie in die Unterwelt bringt?« Die spöttischen Worte ihres Vaters brachten sie in die Gegenwart zurück. »Wie heißt der Barbarengott, der die Picten ins Jenseits – in ihre Anderswelt – führt? Hahaha, mein guter Servantus. Was ist mit dir los? Hat dir der Wein das Hirn vernebelt? Als wäre den größten Teil des Jahres hier auf dieser verdammten Insel nicht schon Nebel genug. Sei froh, dass wir jetzt Sommer haben.«

Schlagartig hatte sich die misstrauische Stimmung des Praefectus Castrorum in Spott gewandelt. Er schien den Aberglauben seines Offiziers als Beweis für die Nichtigkeit der Meldungen anzusehen.

Centurio Trebius Servantus widersprach nicht, ersparte es ihm doch ein Donnerwetter für die Tatsache, dass er nicht schon die erste vage Meldung berichtet hatte. Dieser Fehler würde ihm nicht noch einmal unterlaufen, schwor er sich und lächelte verhalten.

»Du hast wahrscheinlich Recht, Herr …«

»Wahrscheinlich? Hahahahaa, Trebius, Trebius. Ich muss wirklich überlegen, ob ich mir einen so zaghaften Centurio leisten kann.« Er grinste breit und griff wieder in die Schale mit der schon arg geschwundenen Dattelportion und betrachtete das Exemplar genau, das er in seinen Fingern drehte. »Weißt du, Trebius, ich bin hier auf diese kalte Insel gekommen, um mir einen Namen zu machen. Einen Namen, den man auch im fernen Rom mit Achtung aussprechen wird, glaube mir! Ich bin absolut nicht der Mann, der sich von ein paar verschwundenen Halbwilden beunruhigen lässt. Viel zu lange haben meine Vorgänger gezögert, um mit diesem Haufen blauer Affen aufzuräumen.«

Schlagartig wechselte wieder seine Tonlage und ein gefährlicher Klang mischte sich in seine nächsten Worte.

»Nichtsdestotrotz wirst du den Skoten Eirik und sein Pack damit beauftragen, die Sache mit etwas mehr … Nachdruck zu verfolgen. Wir sollten auch die Feindschaft zwischen irischen und britannischen Skoten ein wenig neu beleben. Lass Eirik ein paar … unangenehme Dinge vollbringen. Mal sehen, ob das den einen oder anderen Verräter aus dem Wald treibt. Auch wenn alles nur Lüge und Aberglaube sind, so will ich doch wissen, wer sie in die Welt gesetzt hat und vor allem: warum?«

Er zerquetschte die Dattel und der Saft quoll ihm aus seiner geballten Faust. »Genau das werde ich mit demjenigen tun, der solche Lügen in meinem Teil des Imperiums verbreitet, nicht wahr, Trebius?« Ein böses Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Römers und mit lässigem Schwung hielt er die besudelte Hand zur Seite. Ein gallischer Sklave eilte sofort herbei und tauchte die schmutzige Hand behutsam in ein Becken mit duftendem Wasser.

Der Centurio donnerte seine Rechte an den Brustharnisch, sodass es laut knallte. »Wie du befiehlst, Magnus Lucius, mein Präfekt.«

Lucia schmunzelte dieses Mal nicht über die martialische Art des Centurio. Unbeweglich verharrte sie hinter dem Vorhang und dachte angestrengt nach.

Wie soll ein einzelner Mann all die Toten verschwinden lassen?

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