Читать книгу Die Mächtigen, die Scheinmächtigen und die Ohnmächtigen - Werner Linn - Страница 9
„Les Trois Vallées“ (1)
ОглавлениеDie Weihnachtsfeiertage waren nicht anders als jedes Jahr gewesen und Lenning hatte noch einige Fälle, bei denen Verjährung drohte, zu bearbeiten, während seine Sozien schon in Weihnachtsurlaub waren. Kurz vor den Festtagen meldete sich der von Rooy bevollmächtigte niederländische Geschäftsfreund und teilte Lenning in knappen Sätzen mit, dass Rooy am 20. Dezember 2001 im Krankenhaus gestorben sei. Er habe zum Schluss zwar noch gesagt, Lenning müsse den Prozess fortsetzen, doch sein Sohn wollte aus ökonomischen Gründen in Hamburg nicht mehr weiter prozessieren und er war nunmehr als Erbe Rechtsnachfolger und bestimmte damit, wie Lenning das Mandat zu führen hatte. Lenning fragte Keith Hulk noch, wie die näheren Umstände gewesen waren und er meinte „ganz arm.“ Rooy sei vorher noch aus dem Bett gestürzt, habe sich am Gesicht verletzt und sei kurz darauf ins Koma gefallen, aus dem er nicht mehr erwachte. Lenning schmerzte der Verlust des Freundes, aber schließlich hatte er damit gerechnet. Er würde nun den Fall so zu Ende bringen, wie dies die Erben wünschten und Rooy war nur noch eine Erinnerung. „Wer kann sagen, wie kurzlebig diese Zeit ist“, dachte Lenning und überlegte, wie er über die Feiertage – insbesondere Weihnachten ist nicht für jedermann ein Genuss – kommen würde. Viele wissen an diesen Tagen nichts mehr mit der Zeit anzufangen; oftmals geht nach mehreren Feiertagen die Scheidungsquote und die Selbstmordrate drastisch nach oben. Lenning dachte nicht an derartige Schwierigkeiten, aber Feiertage waren für ihn immer mit Stress verbunden und schon als Kind hatte er Weihnachten fürchten gelernt: An diesen Tagen war meistens der Familienfrieden etwas in Frage gestellt und schließlich und endlich war auch heute nicht immer Weihnachten ein Fest des Friedens für ihn.
Lenning wurde von Dax aus seinen Gedanken gerissen. Dax wollte die Kanzlei verlassen. Lenning schaute den Hund an. Er war nun auch schon über 10 Jahre alt, aber bis jetzt, so dachte Lenning, schien er kerngesund. Vielleicht schafft er es noch länger, als sein Vorgänger, der immerhin über 17 Jahre alt geworden war und schließlich hatte Dax´s Mutter fast 19 Jahre erreicht. Der Hund bellte, als er merkte, dass Lenning auf ihn aufmerksam geworden war und sprang an der Tür hoch.
„Wir gehen gleich“, meinte Lenning und unterschrieb die ihm vorgelegte Post.
Danach ging es zur Garage und unterwegs traf Lenning noch einige Bekannte, was Dax gar nicht gefiel, denn er wollte schnell aus der Stadt heraus, obwohl er selbst den Weg vom Büro zur Garage genoss: Es gab sehr viel zu riechen und manchmal traf man auch Bekannte...
Nach den Weihnachtsfeiertagen erhielt Lenning einen Anruf auf dem Mobiltelefon, der die nächste Zeit doch maßgeblich beeinflussen sollte. Es war John Bullock, der Lenning ein Zusammentreffen in den französischen Alpen vorschlug.
„Wir wollen alle wieder einmal Skifahren und wir dachten, Du könntest dabei sein, Wolf“, begann John Bullock, ohne lange Einleitung.
„Ja, hast Du denn soviel Zeit?“ wollte Lenning zunächst wissen.
John meinte, man bräuchte nur ein paar Tage und schließlich könnte man hier auch Dienstliches mit Privatem, sprich mit „Angenehmen“ verknüpfen.
Lenning verstand. „Also, wann soll´s denn los gehen?“ Lenning zückte den Kalender. „Bei mir ist noch einige Zeit frei. Vielleicht nach dem 9. Januar ein paar Tage?“
John bestätigte. „Geht in Ordnung. Welchen Ort würdest Du vorschlagen? Val Thorens oder Courchevel?“
Lenning überlegte nur kurz. „Im Augenblick sind die Schneeverhältnisse nicht so ideal. Val Thorens ist höher gelegen und schneesicherer.“
„In Ordnung!“ bestätigte John. „Wie fahren wir? Ich schlage vor, wir kommen mit meinem Auto zu Dir in die Nähe und lassen es dort stehen und fahren mit Deinem Auto weiter.“
„In Ordnung!“ quittierte Lenning. „Wann und um wieviel Uhr?“
„Ja, wie Du eben sagtest. Am 9. Januar, wir übernachten in der Nähe, haben dort auch dienstlich zu tun und treffen uns am 9. morgens um 9:00 Uhr. Einverstanden?“
„Bis zum 9.“
Lenning überlegte kurz, was mit „dienstlich in Frankreich“ gemeint sein könnte und freute sich eigentlich auf ein so nettes Zusammentreffen, denn frühere „Skikurzurlaube“ mit diesen Freunden waren wirklich irgendwie toll gewesen. John war ein recht guter Skiläufer. Er fuhr typisch “amerikanisch“, das heißt, so wie man eben beispielsweise in Aspen/Colorado Ski läuft. Weniger versessen auf Stil, mehr im Geschwindigkeitsrausch und keine Piste, die man nicht schaffen würde. Lenning hatte sich etwas von diesem „Cowboystil“ angeeignet, aber bei ihm war alles doch irgendwie europäischer und lediglich im Extremfall, wenn es darauf ankam, John zu zeigen, dass er auch schnell Skilaufen konnte, überholte Lenning John.
Pünktlich am 09.01.2001 meldete sich John auf Lennings Mobiltelefon.
„Wo bist Du?“ wollte er wissen.
„Ich bin gerade noch in der Kanzlei.“
„Dann fahr schon mal los. Von Landau nach Karlsruhe hast Du es ja nicht weit. Wir stehen dort bei einem Freund, das ist ganz in der Nähe des Bundesgerichtshofs. Dort lassen wir unser Auto stehen und laden schnell um.“
Er nannte Lenning die Adresse. Lenning kannte in etwa die Gegend und es dauerte nicht lang, so war er auch schon vor Ort. Man begrüßte sich kurz und nutzte die Zeit zum Umladen. Es ist doch eine ganze Menge, wenn vier Männer ihr Gepäck zum Skifahren in einer Limousine unterbringen müssen. John hatte erwartungsgemäß, Tom mitgebracht. Erstaunt war Lenning über den Dritten im Bunde: Es war Plummy, der Ire, den Lenning in Hamburg kennen gelernt hatte und der auch im letzten Herbst in Burgund dabei war. Plummy freute sich riesig.
„Wolf, ich bin sehr froh, dass Du dabei bist, wenn ich mir die Beine breche.“
„Aber Plummy, warum willst Du Dir denn die Beine brechen?“ fragte Lenning.
„Ich bin noch nie auf Skiern gestanden und soll gleich in das größte Skigebiet Europas gebracht werden.“
„Du bist gut informiert“, meinte Lenning. „Aber mit dem „Beine-brechen“ wird das nichts. Du besuchst dort einen französischen Skikurs und abends sehen wir uns dann nach dem Skifahren.“
„Das hat John auch schon gesagt, aber wir wollen doch nicht den ganzen Tag getrennt sein? Ich allein in einer Skifahrergruppe...“
Plummy protestierte.
„Du wirst vielleicht schon am dritten Tag mit uns fahren können, so wie ich Dich einschätze.“ Lenning hatte Plummy von oben bis unten und von unten bis oben gemustert und meinte, er sei ein sportlicher Kerl, der so etwas schnell lerne.
Die Skier und das Gepäck waren auf zwei Dachgepäckbehältern und im Kofferraum verstaut worden, bevor die Fahrt losging. Kaum waren die fünf Reisenden – Dax war nämlich wieder dabei – auf der A 5 Richtung Basel, begann John:
„Wolf, wir sind im Einsatz“, sagte er lächelnd..
Lenning lachte und meinte „Solch einen Einsatz zum Skifahren habe ich ganz besonders gern!“
„Ja, Wolf! Bevor wir Skifahren gehen, haben wir noch eine Sache in Genf zu erledigen.“
„Nicht schlecht“, konterte Lenning. „Wir fahren gleich dort zu den internationalen Institutionen oder willst Du etwa zu einer Bank?“
„Weder noch, Wolf! Du machst immer die besten Scherze. Wir treffen dort einen Exportkaufmann und vielleicht auch seine Banker.“
„Einen Exportkaufmann und seine Banker…“ wiederholte Lenning. „Da kann man sich ja viel darunter vorstellen. Was denkst Du, wann wir in Genf sein werden?“
John schaute auf die Uhr und meinte dann „Wenn wir flott durchkommen, dürften wir Genf am frühen Nachmittag erreichen.“
„Und wann hast Du den Termin ausgemacht?“ wollte Lenning wissen.
„Den Termin haben wir, wenn wir hinkommen“, lächelte John. „Denn wir wissen ja nicht, wie schnell Du durch die Schweiz kommst.“
John erklärte in kurzen Sätzen, dass in Genf ein Libanese ein Exporthandelsgeschäft betreibe, das unter anderem in alle möglichen sauberen und unsauberen Geschäfte involviert war und insbesondere in Waffengeschäften mitmischte. Der Libanese sei wohl Christ, jedenfalls sei sein Vorname André. Sein Büro war in Genf in bester Lage in der Innenstadt. John war ausdrücklich von seiner vorgesetzten Stelle angewiesen worden, diesen Mann aufzusuchen, um mit ihm über eine Lieferung von F 18 Kampfflugzeugen an ein asiatisches Land zu verhandeln. Natürlich hatte John alle erforderlichen Dokumente bei sich und war gespannt darauf, ob für diese immense Lieferung ein Akkreditiv gestellt werden könne. Von besonderem Interesse war dabei, dass Razard, so hieß der vorgebliche Libanese, keine genauen Angaben über das Abnehmerland machen wollte, jedenfalls in diesem Stadium sei das – wie er behauptete – nicht unbedingt erforderlich. Später sollten Enduserzertifikate gestellt werden, das sei so in der Branche üblich.
Lenning zuckte die Schultern.
„Ich habe immer nur erlebt, dass schon von Verhandlungsbeginn ab klar war, wohin die Lieferung zumindest zunächst gehen sollte. Ein Endabnehmerzertifikat sollte schon dann vorgelegt werden, damit überhaupt die Produktion in die Gänge kommt, denn von der Stange kauft man solche Materialien so gut wie nie“, meinte er.
„Es sei denn ‚gebraucht’“, warf John ein.
„Wäre dieser Razard mit gebrauchtem Material einverstanden?“ wollte nun Lenning wissen und John schaute ihm überrascht ins Gesicht.
„Nein. Genau das ist es. Er wünscht die Lieferung von zwei Dutzend neuen F 18. - voll ausgestattet.“
„Donnerwetter!“ Lenning überlegte kurz. „Es gibt nicht viele Staaten, die sich so etwas leisten können.“
„Siehst Du und deshalb müssen wir hin.“
„Was vermutest Du?“ bohrte Lenning.
„Wolf, ich bin da anders als Du. Ich vermute grundsätzlich nie etwas und lasse mich immer gern überraschen. Jede Vorhersage trägt irgendwie in sich den Keim der sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Du arbeitest dann in eine gewisse Richtung und beeinflusst das Ergebnis.“
„Müsst Ihr denn schon wieder über die bessere Methode streiten? Wolf, sag Du doch, was Du für eine Vermutung hegst!“ versuchte Tom auszugleichen.
Tom schien weitaus ruhiger als früher und Lenning warf John einen bezeichnenden Blick zu.
„Ja, los Wolf! Sag, was Du davon hältst!“ insistierte nunmehr John.
„John, die Sache ist so abstrus für meine Erfahrungen, dass ich eigentlich glaube, dass aus dem ganzen Geschäft nichts wird. Es handelt sich um einen “großen Scherz“!“
„Für Scherze ist weder die NSA, noch die CIA besonders empfänglich und aufgelegt“, unterbrach an dieser Stelle John. „Aber die Quintessenz Deiner Aussage ist, dass nicht das dahintersteht, was äußerlich vorgegeben wird“, fasste John zusammen. „Das wolltest Du doch sagen, Wolf?“
„Genau das wollte ich sagen. Und noch eins. Mich würde es nicht wundern, wenn wir diesen André Razard gar nicht anträfen.“
„Wie kommst Du denn schon wieder darauf?“ fragte John etwas gereizt.
„Nur so ein Gefühl.“ meinte Lenning.
„Wenn Wolf ein Gefühl hat, ist meistens etwas dran, habe ich gehört“, meldete sich nun auch Plummy zu Wort. „Also warten wir es ab und reden uns nicht die Köpfe heiß.“
„Und was ist, wenn wir Razard nicht antreffen?“ wollte Lenning wissen. „Geht’s dann gleich weiter in die Berge oder bleiben wir in Genf?“
„Wir haben für heute Abend in Rolle ein wunderschönes Hotel gebucht. Du hast mir davon mehrmals erzählt und deshalb habe ich dieses etwas außerhalb liegende Hotel gewählt, statt einfach ins „Beau Rivage“ zu gehen.“
„Ah ja, dann hast Du keine schlechte Wahl getroffen. Wer zahlt?“
„Natürlich die Organisation“, bekräftigte John und alle schienen zufrieden zu sein.
Eine Pause wurden nicht eingelegt. Sie fuhren durch und kamen tatsächlich um 14:00 Uhr in Genf an. Leicht fanden sie die Büroadresse des Libanesen und auch einen Parkplatz hatten sie gleich ergattert.
„Wir gehen nicht alle hinauf, sondern nur Wolf und ich“, erklärte John. „Ihr müsst unbedingt hier in der Nähe bleiben. Vielleicht in einem Café da drüben.“
„In Ordnung!“ erklärte Tom militärisch kurz und für Plummy war ohnehin klar, dass ihnen hier eine andere Aufgabe zugedacht war. Welche, sollten sie noch erfahren.
John und Lenning traten in den Eingang des mehrgeschossigen Gebäudes und suchten den betreffenden Klingelknopf. Da gab es eine ganze Menge und schließlich fand man den gewünschten. John betätigte ihn und es dauerte einen Moment bis sich eine weibliche Stimme in französisch fragte:
„Hallo, wer ist da?“
John meldete sich und sagte den Namen irgendeiner Firma, der Lenning bisher unbekannt war.
„Einen Moment. Kommen Sie herauf in die vierte Etage, die Tür ist offen.“
Wolf Lenning und John Bullock benutzten nicht den Fahrstuhl, sondern gingen die Treppe hinauf. Auf der zweiten Etage kamen Ihnen zwei Polizeibeamte entgegen.
„Die haben Deinem Freund Razard schon den Laden dicht gemacht“, frotzelte Lenning und John wirkte genervt.
„Pass auf, dass sie Dich nicht noch festnehmen oder sogar uns beide“, meinte John. „Immerhin könnte es ja sein, dass sie uns krimineller Machenschaften verdächtigen, wenn dieser Razard so ein Windhund ist.“
Inzwischen waren sie auf der vierten Etage angelangt. Die Tür stand tatsächlich offen und eine ganze Menge Leute schienen mit merkwürdigen Arbeiten beschäftigt: Es wurden Schilder mit kleinen Nummern im Raum verteilt, mehrfach flammte ein Blitzlicht auf und schließlich hantierte ein Mann mit einem Pinselchen und einem feinen Pulver an einem Schreibtisch.
„Monsieur Bullock?“
Die junge Dame, die auf Lenning zutrat, war höchstens Mitte dreißig. Lenning jedoch schätzte sie eher auf Ende zwanzig.
„Non, Madame!“ Lenning zeigte auf John. „Leider habe ich nicht das Vergnügen.“
Die junge Dame warf den Kopf leicht in den Nacken und indem sie sich an Bullock wandte, meinte sie: „Ob es ein Vergnügen sein wird, werden wir noch sehen. Monsieur Bullock, im Terminkalender des Ermordeten haben wir Ihren Namen und eine Telefonnummer gefunden.“
Bullock zuckte mit keiner Wimper und auch Lenning verhielt sich professionell ruhig.
„Wir haben versucht, die Telefonnummer anzurufen, aber wir haben niemanden unter dieser Nummer erreichen können. Der Anschluss scheint nicht vergeben zu sein. Kennen Sie diese Nummer?“
Die junge Dame hielt John Bullock einen kleinen Zettel hin. Bullock schaute zu Lenning und meinte „Diese Nummer ist mir nicht bekannt.“
„Dann erzählen Sie doch, in welcher Angelegenheit Sie Herrn Razard aufsuchen wollten. Verzeihung, ich habe vergessen mich vorzustellen. Ich bin die Ermittlungsrichterin Curzon.“
Lenning konnte nicht anders, er musste einfach lachen. „Was hab ich Dir vorhin gesagt, als wir die Treppe heraufkamen?“
Die Ermittlungsrichterin schaute Lenning missbilligend an und bat: „Wie können Sie denn solche Scherze angesichts eines Toten machen?“
„Ich habe keinen Toten gesehen“, sagte Lenning.
„Müssen Sie alles gleich sehen, Herr...?“
Lenning dachte gar nicht daran, sich jetzt schon vorzustellen, sondern meinte
„Madame Curzon, wer sagt uns überhaupt, dass Sie Ermittlungsrichterin sind, dass jemand ermordet wurde? Es könnte doch genauso gut sein, dass hier das schweizerische Fernsehen DRS einen neuen Krimi abdreht und wir gerade in die Vorbereitungen bzw. in die Drehpause gelangt sind?“
Madame Curzon schaute Lenning jetzt schon drohend an.
„Haben Sie einen Ausweis?“ begann sie.
„Madame, Sie haben mir noch nicht den Ihren gezeigt“, wandte Lenning ein.
„Mit einem Griff in die Tasche, löse ich dieses Problem.“
Sie zeigte ihren Dienstausweis und Lenning las laut vor
„Corinne Curzon.“
Schnipp – der Ausweis war wieder dort hin verschwunden, wo er hergekommen war.
„Nun meinen Ausweis... Tut mir leid, Madame, mein Ausweis liegt in meinem Auto.“
„Und wo befindet sich Ihr Auto?“ fragte die Ermittlungsrichterin.
„Nicht weit von hier. Soll ich ihn holen gehen?“
Lenning wendete sich zur Tür.
„Halt!“ meinte die Ermittlungsrichterin. „Es kann Sie jemand begleiten.“
Sie schaute sich um, die Polizeibeamten waren alle beschäftigt.
„Ich werde Sie begleiten“, meinte sie und verließ mit Lenning das Büro.
Sie steuerte zielbewusst auf den Aufzug zu, der sofort kam und schweigend fuhren die beiden ins Erdgeschoss.
Im Erdgeschoss angekommen ließ Lenning der Untersuchungsrichterin gar galant den Vortritt und als sie vor die Tür des Gebäudes trat und nicht wusste, wo Lenning sein Fahrzeug geparkt hatte, führte er sie zu seiner Rechten zu dem unweit abgestellten Wagen. Lenning öffnete die Tür und entnahm der linken Türablage seinen Pass, den er der Untersuchungsrichterin reichte.
„Ah, Sie sind Deutscher“, stellte sie fest und musterte Lenning noch mal von oben bis unten.
„Was hatten denn Sie gedacht?“ forschte Lenning.
„Ich war mir ziemlich sicher, dass Sie Amerikaner sind“, klärte ihn Madame Curzon auf. „Immerhin ist Ihr Freund ja Amerikaner.“
Lenning sah von der gegenüberliegenden Straßenseite Plummy und Tom auf das Fahrzeug zukommen. Er wollte ihnen ein Zeichen geben, doch zu spät.
„Hallo, Wolf, seid Ihr schon fertig?“
Tom hatte zunächst Madame Curzon übersehen. Nun schaute er erwartungsvoll auf Lenning, damit ihm dieser die Dame vorstellen sollte, während jene wiederum ebenfalls Lenning anschaute, um Aufklärung darüber zu erlangen, wer die hinzutretenden Fremden wohl seien. Lenning reagierte sofort.
„Darf ich vorstellen: Tom Hayworth und...“ er stockte einen Augenblick, denn ihm war der Familienname O`Haras entfallen. Dann wies er mit der Hand in Richtung der Untersuchungsrichterin „Madame Corinne Curzon“.
Keiner war richtig mit dieser Vorstellung zufrieden, denn die Untersuchungsrichterin wusste nichts mit den Namen anzufangen, ebenso wenig wie Tom und Plummy, denen der Name Corinne Curzon kaum etwas sagte.
Lenning zeigte keine Reaktion und meinte nur zu den beiden, man sei noch lange nicht fertig und sie könnten noch in das Café zurückgehen, um dort auf ihn zu warten.
„Meine Herren, Sie können uns gerne begleiten“, lud Madame Curzon in einer Art ein, dass es den beiden nicht einfiel, nein zu sagen.
„Das Café ist übrigens geschlossen“, erklärte Tom. „Razard wird hoffentlich einen heißen Kaffee für uns haben.“
Die Untersuchungsrichterin horchte auf. „Sie wollen zu Monsieur André Razard?“ hakte sie nach.
Tom schaute Lenning an, der etwas sagen wollte, sich aber doch eines Besseren besonnen hatte.
„Kennen Sie Monsieur Razard?“ fragte die Untersuchungsrichterin zuerst Plummy und dann Tom, die beide den Kopf schüttelten.
„Dann bleiben also nur noch Sie, der Monsieur Razard identifizieren könnte!“ Sie blickte kritisch auf Lenning, der den Kopf schüttelte.
„Ich habe ihn nicht gekannt.“
„Ihr Freund hat aber auch gesagt, er habe ihn noch nie gesehen. Was wollten Sie denn dann von Monsieur Razard?“
Die Gruppe war inzwischen beim Hauseingang angekommen, als ihnen zwei eilfertige Beamte fast die Tür ins Gesicht schlugen, als sie heraus stürmten.
„Madame, wir haben Sie schon gesucht. Oben klingelt dauernd das Telefon und Sie haben verfügt, dass keiner abnehmen dürfe.“
Diese Begebenheit schaffte Lenning einen Moment Luft, denn die Untersuchungsrichterin eilte zum Aufzug und ließ die drei Männer einfach stehen. Lennings Pass hatte sie in der Hand behalten.
„Wo hast Du denn die aufgegabelt?“ fragte Tom Hayworth und fügte missbilligend hinzu:
„Wolf, Du bist ein unverbesserlicher Womanizer!“
Lenning lachte.
„Sie ist wirklich ganz hübsch, entspricht genau Deinem Geschmack,“ setzte Tom nach, „aber sie hat so etwas von einer Domina an sich. Ich möchte nicht unbedingt mit ihr die Nacht verbringen, jedenfalls heute nicht.“
„Dazu wirst Du möglicherweise noch Gelegenheit haben“, lachte Lenning. „Razard ist nämlich ermordet worden und sie ist die zuständige Untersuchungsrichterin und traut uns nicht.“
Tom Hayworth mimte den Erschrockenen.
„Ach Du meine Güte. Und Madame haben es ganz auf Dich abgesehen. Wo steckt denn unser Freund John?“
„Der ist noch oben. Ich bin nur mit ihr hinuntergegangen, um meinen Pass zu holen, denn sie hat mir so wenig getraut, dass ich nicht einmal allein zum Auto gehen durfte.“
„Was Du nicht alles sagst. Dann sehe ich natürlich schwarz für unsere wenigen Tage beim Skilaufen.“
Lenning und die beiden anderen nahmen die Treppe und als sie oben wieder ankamen, stellten sie gerade fest, dass der Aufzug sich wieder nach unten bewegte.
„Wo ist Madame Curzon?“ fragte Lenning einen der anwesenden Beamten.
„Sie ist mit dem Aufzug hinuntergefahren und sucht Sie,“ meinte dieser grinsend.
„Und Mister Bullock?“
„Ihn hat sie mitgenommen, denn sie meinte, es genüge ihr, wenn einer entwischt sei.“
Jetzt musste auch Lenning lachen. Die anwesenden Beamten kicherten alle etwas vor sich hin und Lenning schaute von einem zum anderen, zuckte die Schultern und meinte schließlich „Was ist denn so lächerlich an der ganzen Geschichte?“
Der wohl dienstälteste, wahrscheinlich ein Hauptkommissar, klärte Lenning auf:
„Madame Curzon ist wohl eher eine Demoiselle und es ist ihre erste größere Sache. Sie ist ganz neu in der Kantonsjustiz und wahrscheinlich hier etwas überfordert.“
Lenning musste laut auflachen, brach jedoch ab, denn in diesem Augenblick öffnete sich die Aufzugstür und die Untersuchungsrichterin erschien mit John.
„My goodness!“ rief dieser. „Die Lady hat geglaubt, Du seist fortgefahren und hättest mich hier alleine zurückgelassen.“
Lenning unterdrückte ein Lachen und ging auf die ernst dreinblickende Untersuchungsrichterin zu.
„Wie kommen Sie auf eine solche Idee, Madame? Ich werde Sie doch nicht verlassen, ohne mich verabschiedet zu haben.“
Inzwischen war Madame Curzon so verunsichert, dass sie John Lennings Pass in die Hand drückte und zu dem Kommissar gewandt, fragte, ob schon die Presse informiert sei.
„Madame, Sie selbst haben verfügt, dass keine Pressemitteilung herausgehen darf, bevor Sie es nicht ausdrücklich gestatten.“
„Dann müssen wir doch irgendwie etwas tun. Demnächst fährt unten ein Leichenwagen vor und bei dem Personalaufgebot kann das hier nicht verborgen bleiben und es wird heißen, die Justiz mauert.“
Madame Curzon schien ganz aufgebracht.
„Haben Sie denn noch keinen Mordfall zu lösen gehabt?“ fuhr sie den Kommissar barsch an und dieser erwiderte ganz trocken
„Doch, schon einige, Sie noch nicht?“ und dabei blickte er ihr gerade ins Gesicht. Madame Curzon errötete zum ersten Mal und die Röte schien nicht aus ihrem Gesicht weichen zu wollen.
John tippte vorsichtig Lenning auf die Schulter und flüsterte „Blush!“
Lenning hatte verstanden, aber schon zuvor war ihm die Hilflosigkeit der Untersuchungsrichterin so nahegegangen, dass er schließlich beschloss, ihr beizuspringen.
„Monsieur,“ meinte er, an den Kommissar gewandt, „Madame Curzon hat in dieser Situation die Pflicht, besondere Vorsicht walten zu lassen, denn dieses Verbrechen könnte internationale Verwicklungen heraufbeschwören und nur deshalb ist sie vielleicht ein bisschen unfreundlich, nicht nur zu ihnen, sondern auch zu uns.“
Dabei warf er John einen bezeichnenden Blick zu und dieser nickte. „Ja, diese Situation könnte leicht zu allen möglichen Schwierigkeiten für die Strafverfolgungsorgane, die Justiz und die Diplomatie führen.“
Madame Curzon schien einen Moment lang gar nichts mehr zu begreifen. Sie schaute dennoch dankbar zu Lenning herüber und fragte ihn dann „Haben Sie schon den Toten in Augenschein genommen?“
Lenning schüttelte den Kopf.
„Er liegt nebenan, kommen Sie mit.“ Ihre Verunsicherung war nicht gewichen, aber ihre Stimme war weitaus freundlicher als vorhin.
Sie traten in das durch eine nach rechts führende Tür verbundene Büro. Dort befand sich ein großer Schreibtisch, ein Hängeregal, ein modernes Gemälde und eine Leiche. Bei dem Toten handelte es sich um einen dunkelhaarigen, kräftigen Mann, der schon eine erhebliche Stirnglatze hatte. Sein Alter schätzte Lenning auf sechzig Jahre. Trotz seines Alters hatte der Tote kaum graue Haare. Der Mund war geöffnet und ließ auf ein kräftiges Gebiss mit diversen Goldzähnen blicken. Der Mund war von einer Art Knebelbart eingefasst, die Barthaare waren tiefschwarz und von einer grauen Strähne in der Mitte durchzogen. Der Tote trug einen dunklen Anzug mit Weste, der teilweise blutverschmiert war. Was jedoch Lenning und seinen Freunden sofort ins Auge sprang, war die Verletzung: Der Einschuss war auf der Stirn erfolgt, genau in der Mitte über der Nasenwurzel. Der Größe des Einschusslochs nach zu urteilen, muss es sich um ein sehr großes Kaliber gehandelt haben. Der Tote lag hinter dem Schreibtisch zwischen Sessel und Wand auf dem Rücken. Lenning überblickte den Raum und sah, dass die Wand hinter dem Schreibtischsessel etwa 1,70 Meter über dem Boden sehr stark verunreinigt war: Dort klebte nicht nur eine Menge Blut sondern auch Haare und Gewebeteile. Lenning nahm an, der Tote sei wohl hinter seinem Schreibtisch aufgestanden und habe aus nächster Nähe von einem auf der anderen Seite des Schreibtischs stehenden Täter einen Schuss mitten in die Stirn bekommen. Danach muss wohl der Tote mit einer 45 Grad Drehung nach links zusammengesunken sein und war mit dem Gesicht nach oben auf den Teppich zum Liegen gekommen. Lenning kannte den Mann nicht. Er schätzte ihn tatsächlich als Libanesen ein, wie John ihm das schon mitgeteilt hatte. Weiterhin fiel ihm die dicke goldene Rolex auf, die schweren Manschettenknöpfe aus Gold und schließlich eine kleine Anstecknadel am Revert. Lenning beugte sich vor, um diese Nadel genauer betrachten zu können, wurde jedoch von der Untersuchungsrichterin daran gehindert.
„Bitte, nichts hier berühren! Auf keinen Fall etwas anfassen!“ Ihre Stimme überschlug sich fast, denn sie hatte offensichtlich angenommen, Lenning wollte die Nadel mit den Fingern anfassen.
Lenning schreckte durch den Aufschrei der Untersuchungsrichterin schockiert zurück und meinte gutmütig „Keine Angst, ich werde Ihren Fall nicht stören; im Gegenteil, ich will Ihnen helfen.“
„Das habe ich schon gemerkt,“ meinte die Untersuchungsrichterin und Lenning war sich nicht sicher, ob sie das ironisch meinte oder ob wirkliche Dankbarkeit aus ihren Worten sprach.
„Was haben Sie jetzt vor?“ fragte Lenning Madame Curzon.
„Sie werden mich in den Justizpalast begleiten und wir werden ein Protokoll aufsetzen. Das muss alles noch geschehen, bevor die Sache der Presse gemeldet wird.“
Lenning betrachtete nochmals den Toten und folgte dann den anderen hinaus. Madame Curzon bestand darauf, dass Lenning und John Bullock sie zum Justizpalast begleiten sollten und Lenning willigte schließlich ein und fragte, was mit den beiden anderen, mit Plummy und Tom, inzwischen geschehen sollte. Die Untersuchungsrichterin überlegte kurz und meinte dann, diese beiden bräuchte sie nicht, denn sie seien ja gar nicht im Gebäude gewesen und könnten folglich auch nichts zur Lösung des Falles beitragen. Lenning übersetzte den beiden den Inhalt des in französischer Sprache geführten Gesprächs und meinte, die beiden könnten ja im Auto warten oder in ein Lokal in der Nähe gehen; er rechnete nicht damit, in den nächsten zwei Stunden zurück zu sein. Madame Curzon näherte sich einem Renault Clio und öffnete die Beifahrertür.
„Monsieur Bullock, nehmen Sie im Fond Platz“, forderte sie ihn auf und John wiederholte „Im Fond?“ und grinste.
„Herr Lenning, für Sie ist der Beifahrersitz reserviert!“ sie lächelte jetzt und gewann mit diesem Lächeln Lennings Zuneigung.
Grundsätzlich sind ihm ihrem Amt verpflichtete Damen ein Graus. Allerdings ist Lenning flexibel genug, um nicht auch hinter der harten Schale oftmals einen weichen Kern zu vermuten. Seine Menschenkenntnis trägt dazu bei, dass selbst das rüdeste Flintenweib nicht vor ihm verbergen kann, dass es in Wirklichkeit auch anders sein kann, vorausgesetzt die Person ist nicht durch und durch verknöchert.
Auf der Fahrt zum Justizpalast wurde wenig gesprochen und Lenning wie auch John Bullock waren sehr froh, mit heiler Haut aus dem Fahrzeug herausgekommen zu sein, denn der Fahrstil der Untersuchungsrichterin konnte nicht anders als fahrig oder gar kriminell bezeichnet werden. Lenning wollte eigentlich mit John Bullock einige Sätze wechseln, aber das war wegen der ständigen Aufmerksamkeit der Untersuchungsrichterin, die sie den beiden widmete, nicht möglich. Schließlich erreichten sie das Arbeitszimmer der Untersuchungsrichterin und Madame Curzon bat sie, auf zwei Schemeln Platz zu nehmen, die vor dem Schreibtisch standen. Sie selbst ging um den Schreibtisch herum, öffnete eine Schublade, entnahm eine Diktierkassette, legte diese in ein Gerät ein und begann: Zunächst wurde Datum, ein Aktenzeichen und ähnliches aufgesprochen, dann richtete sie den Blick auf Lenning und suchte nach dem Pass.
„Habe ich Ihnen Ihren Pass schon zurückgegeben?“ meinte sie.
„Nein, Sie haben meinen Pass Herrn Bullock gegeben. Wie Sie sehen, hat er ihn immer noch.“ Bullock reichte ihn ihr. Sie nahm das Dokument und diktierte die persönlichen Daten Lennings soweit sie aus dem Pass ersichtlich waren.
„Ihr Beruf?“ sie blickte Lenning fragend an.
„Rechtsanwalt!“ meinte Lenning.
Die Untersuchungsrichterin schien sehr erstaunt. „Sie sind Rechtsanwalt?“
„Ja, was haben Sie denn gedacht?“ fragte Lenning nun tatsächlich interessiert, was Madame Curzon hier antworten würde.
Zum zweiten Mal errötete sie. „Ich habe gedacht, Sie seien...“ Sie stockte.
„Heraus damit, was haben Sie denn gedacht?“ insistierte Lenning nun.
„Monsieur Lenning, ich führe die Vernehmung!“ Die Untersuchungsrichterin hatte sich wieder gerade aufrecht hingesetzt und zeigte ein charmantes Lächeln. „In welcher Beziehung standen Sie zu dem Toten?“ wollte sie nun wissen.
„In gar keiner,“ erklärte ihr Lenning, „ich kannte ihn nicht, ich habe nie mit ihm gesprochen.“
„Und warum sind Sie dann vorhin zu ihm ins Büro gegangen?“
„Diese Frage stellen Sie besser meinem Freund hier!“ Lenning verwies auf Bullock. „Mehr kann ich Ihnen zur Sache nicht sagen.“
Die Richterin nahm sofort das Gespräch auf und wandte sich jetzt an John Bullock. Dieser gab seine Personalien zu Protokoll, wie aus seinem Pass ersichtlich, danach erklärte er, es handle sich um eine reine Geschäftsanbahnung und Razard sei ihm vorher nicht bekannt gewesen. Wie er auf Razard gekommen sei, wollte schließlich die Untersuchungsrichterin wissen, worauf John ihr einen Zeitungsausschnitt herüberreichte, den sie aufmerksam studierte. Hier stand, André Razard habe sich als Unternehmensberater betätigt. Außerdem bot er seine Dienstleistungen im Im- und Export an.
„Mit welchen Dingen wollten Sie mit ihm Handel treiben?“
John verstand nicht, was die Untersuchungsrichterin meinte, denn ihr Akzent - sie bemühte sich Englisch zu sprechen - war nicht immer ganz verständlich. Lenning versuchte auszuhelfen und schließlich diktierte die Untersuchungsrichterin ins Protokoll, Bullock sei zu seiner ersten Kontaktaufnahme zu dem Toten ins Büro gekommen, später sei beabsichtigt gewesen, über den Import von elektronischem Spielzeug ins Geschäft zu kommen. Lenning musste unwillkürlich lachen.
Alle Waffenhändler dieser Welt reden von „Toys“ und meinen damit doch einen recht gefährlichen Spielwarenladen. Er konnte gar nicht verstehen, dass die Untersuchungsrichterin sich mit so wenig Fakten zufrieden gab, dass sie nicht einmal die beiden anderen, die dabei waren, aktenkundig werden lies. Er konnte nicht verstehen, dass keine Frage dahingehend kam, was vier Personen auf einer solchen Fahrt zu suchen hatten. Sie war beruhigt, die Skigepäckträger gesehen zu haben und hielt tatsächlich die ins Auge gefassten Geschäfte zwischen dem Amerikaner und dem Libanesen für harmlos.
„Ich bringe Sie nun zurück, meine Herren,“ erklärte schließlich die Untersuchungsrichterin, als Bullock demonstrativ auf seine Armbanduhr geschaut hatte.
Lenning war überrascht. „Sie müssen ohnehin noch mal zum Tatort?“
„Nein!“ gab die Untersuchungsrichterin freimütig zu. „Eigentlich nicht. Das übrige erledigt die Kantonspolizei.“
Lenning staunte nicht schlecht über die Sorglosigkeit, mit der die junge Frau jetzt den zuvor als so schwerwiegenden kritisch angesehenen Fall behandelte. Eine Frage getraute er sich jedoch noch zu stellen.
„Aber wenn Sie uns hinbringen, werden Sie sich doch noch einmal zum Tatort begeben?“ Lenning ließ nicht locker.
Die Untersuchungsrichterin schaute ihn erstaunt an „Warum interessiert Sie das so?“
Lenning zuckte die Achsel und meinte, das sei die reine Neugier eines Anwalts. Mit dieser Antwort gab sich Madame Curzon jedoch nicht zufrieden, sondern hakte ihrerseits nach: „Wollen Sie noch einmal zum Tatort zurück gehen?“
Lenning kam eine Idee. „Warum nicht? Ich schlage vor, wir gehen zusammen noch einmal zum Tatort und Sie nehmen danach eine Einladung zum Mittagessen an.“
Die Untersuchungsrichterin blickte zur Uhr. „Mittagsessenszeit ist schon lange vorbei und außerdem habe ich schon gegessen. Aber wir können ja einen Kaffee trinken gehen,“ lenkte sie schließlich ein.
Als sie ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz neben Lennings Fahrzeug abgestellt hatte, versuchte Bullock über sein Mobiltelefon Kontakt zu den beiden anderen aufzunehmen, während Lenning mit der Untersuchungsrichterin zu dem Bürogebäude ging. Wieder benutzten sie den Aufzug, doch diesmal unterhielten sie sich über allerhand Dinge; über Skifahren, über Tiere und über Urlaub. Madame Curzon hatte nämlich Dax gesehen und sie interessierte sich sehr dafür, warum dieser große Hund mit in Ski-Urlaub genommen wurde. Schließlich kamen sie gerade noch hinzu, als der Leichnam in einen Transportsarg gelegt wurde. Dabei stellte Lenning fest, dass der gesamte Teppich durchgeblutet war. Der Einschuss hatte Razard den halben Hinterkopf abgerissen und die Blutlache wäre wahrscheinlich viel mehr aufgefallen, wenn die gesamte Menge Blut nicht in dem dunklen Teppich versickert wäre. Als Lenning den Leichnam nochmals betrachtete, um die Anstecknadel zu identifizieren, musste er feststellen, dass diese fehlte. Er hütete sich jedoch, Madame Curzon hierauf aufmerksam zu machen, denn er fürchtete, sie würde dann nicht mitgehen, um einen Kaffee zu trinken und hierauf kam es ihm in diesem Augenblick an. Die junge Frau gefiel ihm und sein ritterlicher Instinkt war geweckt, denn sie war als Untersuchungsrichterin hier offensichtlich überfordert.
Lenning hatte sich jedoch geirrt, als er dachte, er könne durch fehlende Hinweise verhindern, dass der Abstecher ins Café ausfallen würde. Gerade als er hierauf zu sprechen kommen wollte, klingelte das Mobiltelefon der Untersuchungsrichterin und sie entfernte sich von Lenning, so dass dieser den Inhalt des Gesprächs nicht mitbekommen konnte. Das Gespräch dauerte relativ lange und Lenning wurde ungeduldig. Er blickte zu John, der die Achseln zuckte. Gerade als die beiden ins Treppenhaus gehen wollten, kam die Untersuchungsrichterin und signalisierte ihnen durch Gesten, sich noch etwas zu gedulden. Lenning schien erleichtert und wartete mit John im Besucherzimmer des Büros. Dort lagen einige Zeitungen aus und Lenning griff nach einer „Financial Times“ und stellte überrascht fest, dass sie vom heutigen Tage war. Er machte John darauf aufmerksam und dieser schien ebenso überrascht. Beide lasen in der gleichen Zeitung und machten sich gegenseitig auf einige offensichtlich besonders bedeutsame Artikel aufmerksam. Lenning erhob sich schließlich und wollte gerade zur Toilette gehen (die er an diesem Tage schon einmal aufgesucht hatte), als die Untersuchungsrichterin plötzlich vor ihm stand. Mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte sie, man könne sich den Gang zum Caféhaus sparen, sie müsse sofort zum Justizministerium. Lenning war überrascht, stellte jedoch keine Fragen und die Untersuchungsrichterin verabschiedete sich mit Handschlag.
„Dann werden wir uns wohl nicht wieder sehen,“ stellte Lenning bedauernd fest.
Die Untersuchungsrichterin hielt Lennings Hand einen Moment fest. „Sie wollten heute nicht weiterfahren,“ meinte sie. „Jedenfalls haben Sie dies doch gesagt,“ fügte sie hinzu.
Lenning war überrascht, er erinnerte sich nicht daran. „In der Tat wollen wir heute in Rolle übernachten.“
Die Untersuchungsrichterin sah Lenning prüfend ins Gesicht.
„Ah, in Rolle. Wahrscheinlich im „Cheval noir“.“
Lenning nickte. „Woher wissen Sie das, habe ich Ihnen das auch erzählt?“
Sie lächelte spitzbübisch und meinte „Ich wohne dort ganz in der Nähe und kenne mich deshalb sehr gut aus.“
„Also, dann würde ich vorschlagen, dass Sie heute Abend unser Gast sind.“
Lenning war sich nicht sicher, ob die Untersuchungsrichterin eine solche Einladung annehmen würde und war tatsächlich etwas überrascht, als Madame Curzon sich nach einer Uhrzeit erkundigte. Lenning blickte zu John und meinte nach einer Absprache durch Blicke „So gegen 19:30 Uhr, 20:00 Uhr?“
Die Untersuchungsrichterin nickte. „Wenn ich so früh fertig bin, komme ich zwischen sieben und acht.“
„Und wenn Sie nicht so früh fertig sind, kommen Sie eben später. Wir warten mit dem Abendessen,“ stellte Lenning fest.
„Einverstanden, ich habe auch Ihre Telefonnummer?“ Sie schaute ihn an.
„Sie steht auf meiner Karte.“
„Gut, also bis heute Abend. A bientot.“
Sie waren inzwischen über die Treppen hinuntergegangen und die Untersuchungsrichterin war in ihren Clio eingestiegen, während Lenning sich umschaute, um Plummy und Tom Hayworth mit den Augen zu suchen.
„Wo mögen die abgeblieben sein?“ meinte Lenning.
„Sie haben auch eine Aufgabe,“ erklärte John, nachdem die Untersuchungsrichterin fortgefahren war.
„Eine Aufgabe?“ Lenning runzelte die Stirn. „Mir ist nichts von ihrer Aufgabe bekannt.“
„Doch,“ erklärte John, „sie sind in der Bank.“
„In welcher Bank?“ wollte Lenning wissen.
„In der Geschäftsstelle der „Union Bank of Switzerland“.“
„Ah, in der UBS.“ Lenning begriff. „Das ist die Hausbank Razards.“
„Richtig.“
„Und was für einen Auftrag führen sie dort durch?“
„Das wirst Du sehen, warte noch etwas ab. Ach, da kommen sie ja schon.“
Tatsächlich näherten sich die beiden mit schnellem Schritt. Tom strahlte über das ganze Gesicht.
„Das war einmalig,“ freute er sich.
Lenning schaute ihn fragend an und Tom warf John einen prüfenden Blick zu. John nickte und erklärte:
„Tom und Plummy sollten ein Konto eröffnen und hatten sämtliche Unterlagen dabei. Anlässlich der Kontoeröffnung sollten sie verschiedene Gespräche, unter anderem über Razards Firma „Karty Enterprises“ führen, um möglichst viel Hintergrundwissen von der Bank zu bekommen. Beweist ja, das Schweizer Bankgeheimnis ist löchrig wie der gleichnamige Käse.“
Lenning lachte „Ganz so einfach mach´ es Dir nicht. Aber immerhin, offensichtlich hat ja Tom Erfolg gehabt.“
Tom strahlte noch immer über das ganze Gesicht „Ja, Wolf, und was für einen Erfolg. Stell’ Dir vor, die Sachbearbeiterin ist eine junge Schweizerin und heißt Peggy.“
Lenning überlegte kurz und meinte „Das ist aber kein typischer Schweizer Name.“
„Nein, es ist ein Schweizer Name, aber ich kann ihn nicht so aussprechen, wie die Schweizer hier.“
Lenning kam nicht darauf, wie der Name wohl wirklich heißen würde und war nicht wenig überrascht, als Tom fortfuhr.
„Ja, ich hab´ zuerst Miss Piggy verstanden. Aber das Mädchen ist ganz patent. Es hat mich alle Details über Razard und „Karty Enterprises“ sogar einsehen lassen. Stell’ Dir vor, sie hat die Akte geholt und mich hineinschauen lassen.“
Lenning war wirklich verblüfft, fast konsterniert. „Was hat sie?“
„Ja, und stell Dir vor, sie kommt heute Abend zum Abendessen.“
Lenning schaute zunächst gen Himmel und dann nach John.
„John, ich schätze Du und Plummy müsst Euch anstrengen, damit Ihr heute Nacht nicht solo seid.“ Lenning lachte.
Tom schien wirklich glücklich. „Ja, Peggy bringt sogar eine Ablichtung der Akte für uns mit.“
„Was ist denn das Besondere an dieser Firma?“ wollte nun Lenning wissen und Tom wollte ihn nicht lange auf die Folter spannen.
„Razard ist zwar Libanese, aber er hat auch eine Firma in Jordanien und in Ägypten.“
Lenning war überrascht „Und in Ägypten?“
„Ja, denn er ist eigentlich Palästinenser.“
Lenning war nicht sonderlich überrascht „Es gibt Verbindungen zwischen dem Libanon und den Palästinensern von Anfang an. Es ist immerhin ein angrenzendes Gebiet und die familiären Bande dieser...“
„Ja, und stell Dir weiter vor, im Zahlungsverkehr sind Gelder bei Razard eingegangen, die eindeutig von PLO-Konten kommen.“
Nun war John etwas überrascht. „Wir haben seinen Namen aber nicht bei den PLO-Dateien gefunden.“
„Nein, aber die Leute sind ja nicht ganz dumm.“
Lenning lauschte der Diskussion, ohne sich einzumischen.
„Nein, sie sind nur die dümmere Ausgabe der übrigen Araber.“
„Du scheinst keine sehr hohe Meinung von Arabern zu haben,“ meinte Plummy und fühlte sich etwas vor den Kopf gestoßen, als Tom ihm erklärte, dass die Araber eine gewisse Ähnlichkeit mit den Iren hätten.
„Beide haben ein unglaubliches Gottvertrauen und vernachlässigen damit ihren kritischen Geist.“
Plummy wollte etwas erwidern, doch John gebot mit einer Geste Ruhe.
„Wir fahren jetzt hinaus nach Rolle und dann sehen wir weiter. Wenn die Unterlagen, die die Bankerin mitbringt, so toll sind, wie Tom gesagt hat, werden wir einiges wiedergutmachen..., nach dem Desaster bisher.“
Sie fuhren am Flughafen vorbei zum Nordufer des Genfer Sees und hatten eine herrliche Fernsicht. In Rolle angekommen, bezogen sie das Hotel und danach ging Lenning mit Dax und John noch einmal spazieren, bevor man sich zum Abendessen im Speisesaal einfinden würde. John war nicht unbedingt bester Laune.
„Wolf, was hältst Du von der Sache? Die Untersuchungsrichterin soll anwesend sein und die Bankerin. Meinst Du nicht, dass das zu... wie auch immer gearteten Problemen führen kann?“
Lenning blickte etwas verunsichert.
„Ich kann die Verantwortung für die Untersuchungsrichterin übernehmen, indem ich sie ganz einfach ablenke. Aber ich weiß nicht, wie sich die Bankerin in Szene setzen wird.“
Lenning war hier sehr offen und John überlegte:
„Das Ganze ist ein gewisses Risiko, aber es birgt auch die Chance auf einen erhöhten Gewinn“, wandte Lenning ein.
„Stell Dir vor, wenn wir die Kenntnisse, die wir haben, mit den Kenntnissen der Damen austauschen, können wir die wahren Nutznießer sein, wenn wir beispielsweise die Untersuchungsrichterin in die von uns gewünschte Richtung ermitteln lassen.“
Das leuchtete John ein und man wartete mit Interesse das Abendessen ab. Die Untersuchungsrichterin war die erste, die eintraf. Sie hatte sich umgezogen und trug ein „bezauberndes“ Kleid, jedenfalls würde so eine Mutter das Kleid ihrer Tochter bezeichnen, die zur Brautschau geht. Es war in einem dunklen Blau-, fast Violettton gehalten, hatte eine Schleife und um die Schultern ein Cape, an dem Fransen waren. Das Dekolletee war tief, aber nicht zu tief ausgeschnitten und die Länge war dem Abend angepasst.
Kurz darauf erschien die Bankerin. Sie hatte einen im Schottenmuster karierten Rock und eine weiße Bluse an und stand damit im direkten Gegensatz zur Untersuchungsrichterin. Eine kleine Schleife rundete auch das Bild der Bankerin ab, die sehr geschäftig wirkte. Tom begrüßte sie und stellte sie den anderen vor. Sie war blond, hatte mittellange Haare und war recht hübsch. Als sie Lenning vorgestellt wurde, hatte dieser den Eindruck, sie trage Kontaktlinsen, denn sie blinzelte etwas und Lenning hatte schon immer gemerkt, wenn jemand zur Vermeidung einer Brille Kontaktlinsen trug. Die Sitzordnung war so gestaltet, dass sich die Damen nicht zu nahe kamen, denn immerhin sollten die Informationen über die Herren laufen.
Zwanglos fand eine Unterhaltung an der Bar statt, wobei sich begreiflicherweise Lenning mit der Untersuchungsrichterin unterhielt und Tom Hayworth mehr der Bankerin widmete.
Die Bankerin sprach sehr gutes Englisch, fast akzentfrei. Ihre Muttersprache war jedoch offensichtlich französisch, denn wenn ihr einmal tatsächlich ein Wort entfallen war, holte sie das bei der Untersuchungsrichterin auf französisch ein. Man sprach über Bergsteigen, Skifahren und Segeln, über Hunde, gutes Essen und vor allen Dingen über den hiesigen Wein, den Fendent.
Das Essen war hervorragend und noch vor dem Nachtisch kam Tom auf das Thema der Akte. Die Bankerin, Claudine war ihr wirklicher Vorname, fühlte sich verunsichert durch die vielen Leute und wollte zuerst gar nicht diese Akte herausgeben, ja sie leugnete sogar zunächst, von dem Thema Kenntnis zu haben. Erst als Tom ihr erklärte, alle seien hier gute Freunde und Madame Curzon hätte überhaupt keine Ahnung von Bankangelegenheiten, war schließlich Claudine bereit, nach mehreren Gläsern Fendent und etlichen Avancen von Seiten Toms, diesem unter dem Siegel des Vertrauens ein Kuvert zuzuschieben, verbunden mit der Bedingung, heute Abend nicht mehr darüber zu sprechen, sondern bestenfalls bei einem nächsten Treffen. Tom hielt sich auch an diese Bedingung und so wechselte der braune Umschlag sehr diskret den Besitzer.
Lenning war dies ebenso wenig entgangen, wie John und beide vermuteten, dass die Untersuchungsrichterin hiervon überhaupt nichts mitbekommen haben dürfte. Die Untersuchungsrichterin war auch etwas verunsichert durch die große Gesellschaft und ging erst ein bisschen aus sich heraus, als Lenning mit ihr und Dax noch einmal ins Freie ging.
Es war recht kalt, fast zu kalt sogar für diese Gegend. Lenning wollte den Arm um die Schulter der Untersuchungsrichterin legen, diese aber entglitt ihm mit einer Drehbewegung und hielt von da an etwas Abstand zu ihm. Lenning, dem dies unangenehm aufgefallen war, machte auch keinen Versuch mehr, der Untersuchungsrichterin näher zu kommen und so schritten sie mit einem Abstand, dass der Hund dazwischen laufen konnte, nebeneinander her.
„Haben Sie den Fall schon lösen können?“ erkundigte sich Lenning beiläufig.
„Nein, er ist mir entzogen worden,“ bekannte die Untersuchungsrichterin frei.
„Warum ist er Ihnen entzogen worden? Sie haben doch alles nur Mögliche und Erdenkliche getan.“
Die Untersuchungsrichterin zuckte die Schultern und blickte zur Seite.
„Wahrscheinlich ist es keine Sache für Berufsanfänger.“
Lenning schaute erstaunt auf die Untersuchungsrichterin.
„Man kann doch nicht direkt von einem Berufsanfänger bei Ihnen sprechen. Sie haben die Sache doch recht professionell angepackt.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das glauben Sie selbst nicht, Herr Rechtsanwalt. Ich glaube, mein größter Fehler war, den Polizeibeamten alles zu überlassen und selbst nicht genügend bei der Leitung des Falls zu tun.“
„Was verstehen Sie unter Leitung?“ wollte Lenning wissen.
„Unter Leitung verstehe ich, die Leute anzuweisen und auch zurückzupfeifen, wenn sie in eine Richtung laufen, die nicht erwünscht ist.“
„Welche Richtung kann denn hier nicht erwünscht sein?“ Lenning wurde neugierig.
„Sie erinnern sich an das Abzeichen am Revert des Opfers?“
Lenning war erstaunt.
„Ja, Sie erinnern sich!“ meinte Sie. „Dieses Abzeichen hat schließlich gefehlt.“
Lenning Neugierde auch „Wer hat denn das festgestellt?“
„Hauptkommissar Petrus von der Kantonspolizei.“
„Und wie hat er das Verschwinden erklären können?“
„Ganz einfach, er hat in seinem Bericht angemerkt, dass ich Sie an den Tatort gelassen habe und nicht genügend aufgepasst hätte.“
Lenning war mehr als überrascht. „Ich habe gesehen, dass das Abzeichen noch daran war, als Sie und ich den Raum verlassen hatten und als wir zurückkamen, hat es gefehlt.“
„Das ist Ihnen aufgefallen?“ Die Untersuchungsrichterin tat erstaunt.
„Jawohl.“
„Warum haben Sie mich nicht darauf aufmerksam gemacht?“
Lenning zuckte die Schultern „Ich wollte doch nicht unser Caféhaus gefährden.“
Lenning lachte und die Untersuchungsrichterin stimmt ein.
„Dies ist nicht so tragisch, wie Sie meinen. Interessant sind jedoch einige Einzelheiten. Wissen Sie, dass mich der Justizminister persönlich auf meine Verschwiegenheitsverpflichtung hingewiesen hat?“
Lenning war erstaunt.
„Insbesondere Ihnen gegenüber.“
„Mir gegenüber?“ Lenning war noch erstaunter.
„Den „Amerikanern“ gegenüber.“
Sie schauten sich an.
„Darüber müssen wir uns ein anderes Mal unterhalten.“ Lenning brach das Gespräch ab, denn die anderen waren ihnen entgegengekommen.
Viel Gelegenheiten zum Dialog gab es nun nicht mehr und so löste sich die Runde zu später Stunde von selbst auf. Lenning begleitete die Untersuchungsrichterin zu ihrem Clio.
„Was wollen Sie nun machen?“ wollte er wissen.
„Zunächst einmal habe ich Urlaub eingereicht. Ich gehe auch Skifahren.“
„Wohin?“
„Weiß ich noch nicht. Sie fahren ja in die „Drei Täler“.“
Lenning nickte „Auch das wissen Sie noch?“
Er wusste gar nicht, dass er darüber gesprochen hatte.
„Vielleicht hat Herr Bullock etwas gesagt.“
Lenning staunte „Dies ist eine sehr gute Gegend und der beste Schnee.“
„Vielleicht komme ich auch hin.“
„Dann haben wir ja tatsächlich eine Chance, uns noch einmal zu treffen.“
Lenning glaubte in Wirklichkeit nicht daran und man verabschiedete sich freundschaftlich distanziert.
Es war schon relativ spät und Lenning ging mit den anderen zurück zum Hotel und begleitete die Untersuchungsrichterin nicht die letzten Schritte zu ihrem Clio; als er sich jedoch noch einmal umdrehte, bevor er das Hotel betreten wollte, sah er Madame Curzon mit dem Fahrzeug rangieren, denn der Parkplatz war ziemlich überfüllt. Er zögerte einen Moment und wollte ihr behilflich sein beim Ausparken. In diesem Augenblick jedoch konnte sie vorwärts zur Straße fahren. Sie musste ihn offenbar beobachtet haben, denn er sah, wie das Seitenfenster geöffnet wurde und sie mit der Hand zum Abschied winkte. Noch während er ihr nachblickte, bemerkte er ein weiteres Fahrzeug, das am Eingang des Parkplatzes gestanden hatte. Das Fahrzeug startete relativ abrupt, nachdem das Licht eingeschaltet wurde und folgte dem Fahrzeug der Untersuchungsrichterin. Lenning war mehr erstaunt als besorgt und zweifelte an sich selbst. Handelte es sich hier wirklich um jemanden, der die junge Frau beschattet hatte oder war es Zufall, dass fast zur gleichen Zeit ein anderer Gast den Parkplatz des Hotels verließ? Lenning dachte einen Moment, dass es seine Fantasie sei, die mit ihm durchzugehen drohte und folgte den anderen.
Die anderen, d. h. John, Tom, Claudine und Plummy saßen an der Bar. Claudine sollte überredet werden, hier zu bleiben. Sie schien nicht ganz abgeneigt zu sein, denn sie zögerte, als Tom den Kellner fragte, ob im Hotel noch Zimmer frei seien. Dieser meinte, er müsse an der Rezeption nachfragen und verschwand nach draußen.
„Wenn nichts mehr frei ist, kannst Du auch in meinem Appartement übernachten. Es ist sehr groß und ist offensichtlich für mehr als eine Person gedacht, denn es befindet sich neben einem großen Bett noch eine ausziehbare Couch darin.“ Tom gab sich alle Mühe, charmant zu erscheinen.
Claudine kicherte und Lenning konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass es ihr ganz recht sein müsse, wenn der Kellner zurückkehren sollte, um mitzuteilen, das Hotel sei ausgebucht. Tatsächlich dauerte es nur noch Sekunden und Claudines helles Lachen klang Lenning noch im Ohr, als der Kellner mit einem bedauerlichen Axelzucken Tom erklärte, das Hotel sei „complet“. Lenning beobachtete die Szene aufmerksam und blickte zu John, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte und Lenning mit der Hand ein Zeichen machte, das dieser wohl verstand. John wäre lieber gewesen, man hätte gemeinsam die von Claudine übergebenen Papiere studieren können, aber das war nun nicht mehr möglich, da ja Tom Claudine gegenüber verpflichtet war und auf keinen Fall die Unterlagen weder seinen Freunden geben konnte noch mit ihnen über die Angelegenheit sprechen durfte. Claudine und Tom verabschiedeten sich dann auch als erste und Tom meinte entschuldigend, man müsse ja die Frage mit der Schlafstatt noch klären, unter Umständen sei nämlich eine Aufbettung notwendig. Lenning und John schauten sich an und als die beiden verschwunden waren, lachten sie laut auf, sagten jedoch nichts.
Man trank noch eine Flasche Fendent, die mit Sicherheit für die drei Verbleibenden zu viel war und verabschiedete sich dann für die Nacht.
Lenning wurde in dieser Nacht wieder einmal von Alpträumen geplagt und konnte sich eigentlich an keine Einzelheiten mehr erinnern, nur an ein Auto, dessen Scheinwerfer plötzlich vor ihm aufflammten und ihn regelrecht blind machten. Das Fahrzeug fuhr mit aufheulendem Motor auf ihn zu, im letzten Moment wachte er auf und musste unwillkürlich an Corinne Curzon denken, ohne dass er eigentlich wusste warum. Später fiel ihm das Fahrzeug, das der Untersuchungsrichterin gefolgt war, ein: dieses hatte auch plötzlich Licht eingeschaltet und war losgefahren. Bestand vielleicht doch eine Gefahr für die Untersuchungsrichterin? Er würde es ja ohnehin wahrscheinlich nie erfahren, dachte er und nahm einen Schluck aus der Mineralwasserflasche, die schon fast leer war.
„Mann, habe ich heute einen Durst,“ meinte er zu sich selbst und versuchte wieder einzuschlafen.
Lange Zeit lag er wach und konnte nicht einschlafen, doch schließlich nach einer guten Tafel Schweizer Schokolade fand auch er die notwendige Ruhe und wachte spät auf, als Dax ihn weckte, der unbedingt nach draußen wollte, denn die Nacht war relativ lang für ihn gewesen; inzwischen war es 9:00 Uhr und Lenning musste sich beeilen, zum Frühstück zu gelangen. Beim Frühstück saßen nur John und Plummy. Tom und Claudine hatten sich, wie John gleich zur Begrüßung Lenning mitteilte, das Frühstück auf dem Zimmer servieren lassen.
„Unser Kamerad Tom scheint ja seinen Auftrag sehr ernst zu nehmen“, meinte Lenning lachend und John nickte.
„Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wenn wir wieder alleine sind.“
„John, meinst Du nicht, dass Claudine vielleicht mit nach Frankreich fahren will?“
John wirkte empört. „Glaubst Du, wir haben noch Platz im Auto?“
Lenning lachte laut. „Auf Toms Schoß ist sicher noch ein Plätzchen frei.“
John schüttelte den Kopf. „Du sollst nicht immer von Dir auf andere schließen, Wolf!“
„Tom könnte auch hier bleiben,“ wandte Lenning ein. „Vielleicht gefällt ihm das frühlingshafte Wetter am Genfer See.“
John schüttelte den Kopf „Nein, wir sind hier im Einsatz und Tom geht mit.“
Das Frühstück war überwältigend. Es gab alles, was man sich nur vorstellen kann. Vom kleinen „Mignon Steak“ bis zu allen Sorten Fisch, Cerealien jeglicher Art, Eier in allen Variationen, alle Sorten Früchte und zum Trinken alles was das Herz begehrt, von Champagner bis Schokolade. Lenning hätte gerne ein Gläschen Champagner genossen, fühlte sich jedoch heute nicht so wohl und trank daher entgegen seiner Gewohnheit eine Tasse Tee.
Schließlich begaben sich die drei Freunde zu Toms Suite und mussten feststellen, dass dort erst nach einigem Klopfen geöffnet wurde. Allerdings waren Tom und Claudine schon reisefertig und gingen mit ihren wenigen Gepäckstücken gleich mit hinunter. Tom wirkte relativ einsilbig, nachdem er sich von Claudine kurz aber herzlich verabschiedet hatte. Es war schon fast Mittag, als die vier Freunde im Auto mit geöffnetem Schiebedach Richtung Süden brausten.
„Na Tom, diesmal warst Du der Sieger,“ lachte John.
Tom antwortete gar nicht und schien mit den Gedanken nicht bei der Sache zu sein.
„Wo hast Du denn Dein Kuvert?“ Tom schreckte aus seinen Träumen auf. „Das Kuvert? Mein Gott, das habe ich..., nein es ist in meinem Koffer.“
Ohne weitere Reaktionen abzuwarten, ließ Lenning das Fahrzeug am Straßenrand ausrollen, ging nach hinten zum Kofferraum und brachte Tom das besagte Gepäckstück.
„Wo ist das Kuvert?“ fragte John nicht ohne Strenge.
Tom öffnete wortlos den Koffer und fand nach einigem Suchen das Kuvert sehr zerknickt.
„Wir hatten es ja eilig beim Packen,“ meinte er, „denn Ihr hämmertet schon an die Tür,“ entschuldigte sich Tom.
Dann fuhren sie weiter. John hatte das Kuvert an sich genommen, er saß auf dem Beifahrersitz und blätterte in der sauber kopierten Akte. Lenning warf einen Blick nach rechts.
„Ein Kontoeröffnungsantrag, ein Handelsregisterauszug, einige Verkehrszahlen, ein eingereichter Jahresabschluss, eine Kreditbeurteilung und Referenzen.“ John schien etwas enttäuscht.
„Und wo liegt das Besondere hieran?“ fragte er Tom.
Tom wirkte gereizt: „Dann hol´ Du doch erst mal solche Unterlagen von einer Bank ab, ohne dass Du eine Berechtigung nachweist.“
„Schon gut Tom, schon gut“, beruhigte ihn Lenning. „Das ist schon eine beachtliche Leistung, nur wie uns das weiterhelfen soll, muss John beurteilen können.“
John sah die Referenzen durch und war tatsächlich erstaunt: „Hier steht etwas von NNPC, also hat Razard auch Geschäfte mit der nationalen Ölgesellschaft in Nigeria gemacht. Das ist schon erstaunlich. Das haben wir nicht gewusst.“
Lenning staunte auch und man fuhr den nächsten Parkplatz an. Lenning wollte es sich nicht entgehen lassen, selbst ungestört einen Blick auf die Unterlagen werfen zu können. Er ging alles der Reihe nach durch. Der Jahresabschluss hatte wenig Aussagekraft, es handelte sich um ein Unternehmen, das offensichtlich hohe Umsätze bei hohen Kosten machte. Interessanter war der Handelsregisterauszug, da riss es Lenning förmlich vom Sitz. Er fand dort zwei bekannte Namen: Norbert Jeschke und Mohammed Ismail.
„Was hast Du, Wolf?“ fragte John, der Lennings Erstaunen bemerkte.
„Das sind Leute, die ich kenne.“
„Nicht möglich!“ John beugte sich vor. „Erzähl´, wo hast Du die Leute kennen gelernt?“
Lenning schien überrascht. „Der eine ist ein Iraki, der andere ein Deutscher und weilt nicht mehr unter den Lebenden.“
„Erzähl` mehr,“ wollte John wissen, doch Lenning lehnte ab.
„Das können wir heute abend besprechen, zunächst müssen wir daran denken, weiter zu kommen.“
Ihm war es nicht recht, jetzt über diese Dinge sprechen zu müssen, wo doch so viel interessante Informationen noch nicht von John zu ihm herübergekommen waren. Er misstraute John nicht, wollte jedoch auf Nummer sicher gehen und zunächst noch einiges über dieses Unternehmen hier erfahren. So fuhren die Vier weiter und unterhielten sich über alle möglichen Sachen, während Tom erst langsam wieder Worte fand, nachdem er einen großen Teil der Fahrt in sich gekehrt dagesessen und geschwiegen hatte.
Kurz vor Val Thorens war eine Straße gesperrt, da sich ein Verkehrsunfall ereignet hatte und so kamen die Reisenden erst sehr spät in der Nacht in Val Thorens an. Es war bitter kalt und man setzte sich noch in einem Lokal zu einem Raclette zusammen. Dabei wurde immer wieder von Johns Seite versucht, mit Lenning ins Gespräch über die ihm bekannten Personen zu kommen, Lenning jedoch konnte erfolgreich das Thema vermeiden, ohne John vor den Kopf zu stoßen. Schließlich schien John begriffen zu haben, dass man auf diese Weise mit Wolf Lenning nicht weiterkommen konnte und deshalb wurde dieses Thema überhaupt nicht mehr zum Gegenstand der Unterhaltung gemacht.
Tom war nach dem Raclette-Essen wieder der Gleiche wie früher und überlegte, warum der Apremont dem Fendent so ähnlich schien und doch so verschieden war. Diese „Weinphilosophie“ breitete sich schließlich bei allen aus und man war sich darüber einig, dass jeder für sich, der Aprement aus Savoyen und der Fendent aus dem Wallis hervorragende Weine sind, die trotz aller Ähnlichkeit für sie selbst Typisches charakteristisch bewahrt hatten. Lenning kam zur vorgerückten Stunde auf einem Spaziergang mit Dax noch einmal mit John, der ihn allein begleitete, ins Gespräch.
„Wunderschöner Schnee hier! Er ist so wunderbar pulvrig, fast wie Neuschnee.“
Lenning bejahte. „Das könnte sogar Neuschnee sein.“
Und sie stellten fest, dass es ganz leicht geschneit hatte. Während sie noch mit dem Hund gingen, setzte stärkerer Schneefall ein und Lenning sprach nun seinerseits John Bullock darauf an.
„Du möchtest gerne wissen, was für Leute das sind. Ich will Dir alles erzählen, was ich bisher weiß und erwarte im Gegenzug, dass Du mich dann über diesen Auftrag vollumfassend informierst.“
John Bullock grinste „Wolf, Du bist unverbesserlich, aber lass mich anfangen. Diesen Auftrag haben wir durchzuführen, weil es Leute in der Organisation gibt, die damit rechnen, dass eine weitere, vielleicht die letzte Rate, für „Little Baby“ bezahlt werden soll. Danach stünde die Bombe bereit und die Katastrophe wäre nur noch eine Frage der Zeit. Wir wollen hier in Erfahrung bringen, ob unser Freund Razard dazu ausersehen war, Gelder einzusammeln, damit diese zur Verfügung stehen, wenn die nächste, wie gesagt, vielleicht die letzte Rate, beim Kauf der Nuklearbombe fällig wird. Du weißt, dass große Geldbewegungen überall Aufsehen erregen und Dinge offenbaren, die oftmals verheimlicht und verschleiert werden sollen. Was liegt da näher, als sich einer Quelle zu bedienen, die ohnehin interessant für alle möglichen Dienste sein kann. Man wird hellhörig, wenn es um die Lieferung von Kampfflugzeugen geht und man vermutet alles, nur nicht, dass Terroristen hier einen Deal abwickeln. Das Ganze ist sozusagen eine Ausformung des Chinesischen Prinzips, viel Lärm um nichts zu machen, um damit laute Geräusche zu überlagern, so dass bei dem Lärm jeder nach der Geräuschquelle sucht und nicht denkt, dass es weitere Geräuschquellen gibt.“
Lenning war nicht sehr überrascht. „Das habe ich mir gedacht. Sag mir nur noch, wer Dir wirklich diesen Auftrag erteilt hat. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies von Alpha kommt.“
John lachte. „Wolf, Du bist ein Fuchs. In der Tat, dieser Auftrag kommt nicht direkt sondern nur indirekt von Alpha.“
„Und wer bekommt die Spesenquittungen?“
„Die bekommt Alpha,“ räumte John ein und versuchte, letzte Zweifel bei Wolf zu zerstreuen. „Weißt Du, Alpha ist überhaupt nicht mehr an erster Stelle seit dem Regierungswechsel. Wir haben unter dem letzten Präsidenten schon Probleme gehabt. Dieser hier traut nur noch seinen eigenen Leuten.“
„Und wer sind die eigenen Leute?“ bohrte Lenning nach.
„Die eigenen Leute sind Bekannte und Freunde aus dem Familienumfeld des Präsidenten.“
„Also kommt der Auftrag vom Präsidenten?“ Lenning war sich nun sicher, das Richtige erraten zu haben.
John zuckte die Schultern „Für mich sieht es jedenfalls so aus, als ob von ganz oben erwartungsvoll auf uns geschaut wird.“
„Wissen die von ganz oben, dass Du, sagen wir einmal, nur noch ,bedingt loyal' bist?“ Lenning schaute gespannt auf John, der die Stirn in Falten, die Mundwinkel leicht zuerst nach unten zog, dann ein Lächeln aufsetzte, das gekünstelt aussah und schließlich Wolf die Hand auf die Schulter legte.
„Wolf, wie kommst Du darauf? Warum denkst Du, ich sei nur noch ,bedingt loyal'?“
Lenning war stehen geblieben und selbst Dax schaute gespannt auf sein Herrchen.
„Weißt Du, John, Du warst immer ein treuer Freund und hast in letzter Zeit gewisse Probleme gehabt. Du hast mich aber nicht daran teilhaben lassen, sondern alles selbst in die Hand genommen. Sag´ ehrlich, stehst Du noch voll dort, wo Du seinerzeit gestanden hast, als wir in Afghanistan waren?“
John schüttelte den Kopf „Genau das ist es, Wolf. Du verstehst es nicht ganz. Im Grunde genommen hat sich nicht viel geändert.“
„Doch, John. Mach´ Dir nichts vor. Inzwischen hat sich wahnsinnig viel geändert. Du kannst davon ausgehen, dass ich nicht bedingungslos dort stehe, wo ich damals gestanden habe und ich habe Dir schon einmal gesagt, dass ich mich damals missbraucht fühlte, wenn ich auf das schaue, was sich inzwischen ereignet hat.“ Lenning hatte lauter gesprochen und in der Nähe hörte man Stimmen.
„Sei jetzt still, Wolf. Wir gehen zurück.“ John wollte umkehren.
„Nein, wir gehen noch ein bisschen dort hinaus in den Schnee. Dort gibt es bestimmt niemanden, der zuhören kann.“
John folgte Lenning und Dax zögernd.
„Vielleicht hast Du recht und ich habe es mir nur nicht eingestehen wollen. Wenn ich aber jetzt die Wahl hätte zwischen Dir bzw. Deiner Meinung und Alpha bzw. der Meinung von „ganz oben“, dann würde ich mich mit Sicherheit für Dich, äh...“ Es entstand eine Pause.
Lenning war wieder stehen geblieben und schaute noch gespannter auf John.
„...dann würde ich mich bestimmt für Dich entscheiden.“
Lenning war gerührt. Er reichte John die Hand.
„So, das nenne ich Freundschaft. Ich würde mich auch eher für Dich entscheiden, als für eine abstrakte Idee von „ganz oben“. Wir müssen zusammenhalten und auf uns kommt es letztlich an, dass die Dinge sich wieder zum Rechten wenden werden.“
Lenning erzählte im Folgenden alle Erlebnisse, die Norbert Jeschke betrafen und John hörte zu, obwohl ihm inzwischen sehr kalt wurde. Sie begaben sich zurück ins Hotel und Lenning öffnete eine Flasche Rotwein, die er zuvor aus dem Auto geholt hatte und die inzwischen die optimale Zimmertemperatur erreicht haben konnte, nachdem sie über eine halbe Stunde auf der Heizung gelegen hatte.
„Komm, John, wir wollen noch ein bisschen erzählen.“
John nahm die Einladung an, nachdem er sich den Schnee von der Jacke geklopft hatte, denn es schneite inzwischen schon ziemlich fest. John erzählte Lenning, dass es ihm sehr großen Nutzen bringen könnte, diese Geschichten weiter an Alpha zu geben und er wollte sich nur versichern, ob Wolf dem zustimmen würde.
Wolf sah ihn fragend an: „Es kann nicht schaden, aber tu es erst, wenn wir zurück sind. Gib´ nichts per Telefon oder sonst wie durch. Warten wir die Entwicklung noch einmal ab.“
„Du hast sicher noch einige Informationen und weißt, warum Du darum bittest.“ meinte John und man verabschiedete sich schließlich, um zu Bett zu gehen.