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2. Kompetenz, Kompetenzerfassung und Kompetenzentwicklung
ОглавлениеEin siedend heißer Sommertag. Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung“ debattieren über die Zukunft beruflicher Kompetenzentwicklung und reden sich die Köpfe heiß. „Können wir nicht die Fenster öffnen, trotz des Verkehrslärms draußen?“ fragt jemand und als alle zustimmend nicken, reißt er die Fenster weit auf. Draußen fährt ein riesiger Kühlwagen vorbei. „Unser Job: Frischekompetenz“ ist dort blau auf weißer Plane zu lesen. Alle stürzen zum Fenster, lachen – gequält und befreit. „Diese Kompetenz hat uns noch gefehlt …“
Vor mehr als dreißig Jahren neu in sozialwissenschaftlichen Diskursen verwendet, vor etwa zwanzig Jahren breiter in die wissenschaftliche Diskussion aufgenommen, vor zirka zehn Jahren intensiv in Bereichen von Psychologie, Pädagogik und Personalwirtschaft genutzt, hat sich der Begriff Kompetenz zum Allerweltswort, zum Schlagwort entwickelt. Keiner, der keine Kompetenz hat, keine Kompetenz, die es nicht gibt. Also ein nutzloser Begriff?
Keineswegs, so machen Karlheinz Geißler und Frank Michael Orthey klar – es ist „ein Begriff für das verwertbare Ungefähre“: „Kompetenz wurde zur semantischen Projektionsfläche für Zuschreibungen, die etwas mit Fähigkeiten zu tun haben, die im Lebens- und Arbeitsvollzug gebraucht werden und deren Erwerb möglich ist… Alltagssprachlich wird kalkuliert, dass mit Kompetenz bestimmte Fähigkeiten gemeint sind, die ein besseres, hochwertigeres, angemesseneres Handeln zur Erreichung von vorgegebenen Zielen ermöglichen – und dies immer wieder neu. Kompetenz ist nicht aufzubrauchen…[Der Begriff] scheint auch deshalb besonders attraktiv, weil Kompetenz, im Gegensatz zu Qualifikation, an das Subjekt gekoppelt wird. Verstanden wird insofern unter Kompetenz oft eine Kombination von Fähigkeiten, Kenntnissen und Haltungen…[Kompetenzentwicklung bedeutet] Formen zu entwickeln, mit Nichtwissen zurechtzukommen, und dennoch anschlussfähige und problemorientierte Handlungen zu aktualisieren bzw. zu ermöglichen.“ Das setzt biografisch erworbene Selbstorganisationsfähigkeit und Reflexionsfähigkeit voraus.
Diese kritisch gemeinten Anmerkungen stoßen – vielleicht gerade der kritischen Haltung wegen – zum Kern der Begriffskarriere vor. Tut man sie nicht als bloße Wortmode ab, sondern sucht die materiell-ökonomische Basis des begrifflich-modischen Überbaus, stellt man fest:
Es bedarf eines besonderen Begriffs,
um besondere, immer notwendiger werdende Fähigkeiten zu erfassen, angesichts einer zunehmend komplexen, zunehmend problematischen, immer mehr unsicheren Umgebung (Risikogesellschaft), angesichts wachsenden Nichtwissens zurechtzukommen, gleichsam „ins Offene“ zukünftiger Ziele hinein kreativ zu handeln. Das setzt voraus, die eigenen Denk- und Handlungsschritte zu reflektieren und selbstorganisiert immer neue zu entwickeln. Es bedarf also einer Möglichkeit, biografisch entstandene, sich lebenslang weiterentwickelnde Selbstorganisationsfähigkeiten oder Selbstorganisationsdispositionen des gedanklichen und gegenständlichen menschlichen Handelns auf den Begriff zu bringen;
um diese Selbstorganisationsfähigkeiten als solche zu kennzeichnen, die, anders als die oft sehr stabilen Persönlichkeitseigenschaften, in Lebens- und Arbeitsvollzügen erworben – und damit auch trainiert – werden können, wodurch auch ein immer besseres, angemesseneres Handeln zur Erreichung immer neuer, insbesondere offener Ziele ermöglicht wird;
um die Abgrenzung zu den Qualifikationen herauszustellen, die nicht an das Subjekt, sondern an objektive Ziele gekoppelt und dadurch leichter objektiv messbar sind; dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es sehr wohl Qualifikationen ohne Kompetenzen, aber keine Kompetenzen ohne Qualifikationen gibt;
um das im komplexen, oft chaotischen Alltags- und Arbeitshandeln untrennbare und unaufhebbare Zusammenspiel von Fertigkeiten, einfachen Fähigkeiten, Kenntnissen und Qualifikationen einerseits mit Haltungen, also zu eigenen Emotionen und Motivationen verinnerlichten Regeln, Werten und Normen, zu erfassen;
um zu betonen, dass die soeben umrissenen „weichen“ Faktoren, obwohl viel schwerer objektiv messbar, viel entscheidender für das Humankapital eines Unternehmens und damit, thematisiert unter dem Stichwort des Kompetenzkapitals [1], für die Verwertbarkeit kreativer menschlicher Handlungsfähigkeiten viel wichtiger sind, als bloße Fertigkeiten, Kenntnisse oder Qualifikationen.
Diese fünf Gesichtspunkte spiegeln also objektive Bedingungen der Gesellschaft und Arbeitswelt am Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts wieder.
Abb. 1 Objektive Bedingungen und Anforderungen der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert
Sprachliche Begriffe sind Bezeichnungen für verhaltens- und handlungsrelevante Sachverhalte. Während solche Sachverhalte im Handeln aus der Realität herausgefiltert werden können, wie beispielsweise die genannten fünf Gesichtspunkte, sind die sprachlichen Bezeichnungen selbst in hohem Maße willkürlich, zufällig, „kontingent“, wie der Ausdruck für den kreativen Zufall lautet. Auch wenn wir andere sprachliche Begriffe, etwa Schlüsselqualifikationen, oder Soft Skills, verwenden, stehen doch die gleichen handlungswichtigen Sachverhalte dahinter.
Kompetenz ist also tatsächlich ein Begriff für das verwertbare Ungefähre. Denn für jeden der fünf Gesichtspunkte gibt es unterschiedliche Gewichtungen und unterschiedliche Betrachtungsweisen. Dennoch sind die von solchen Betrachtungsweisen ausgehenden Schlussfolgerungen wichtig und verwertbar, denn sie knüpfen an reale Verwertungsbedingungen des Menschen unter den heutigen sozialökonomischen Bedingungen an. Der Kompetenzbegriff wird in der Tat zu einer „ökonomisierten Variante des klassischen Bildungsbegriffs“. [2] Wir werden später versuchen, das Ungefähre weniger ungefähr zu machen, es genauer begrifflich und praktisch zu umreißen.
So erklärt sich zwanglos die Fülle von Kompetenzdefinitionen. Zugleich grenzen die genannten Gesichtspunkte aber auch Typen von Kompetenzdefinitionen aus, die generalistisch nahezu jedes Produkt menschlicher Tätigkeit - Fertigkeiten, Kenntnisse, Qualifikationen, z.B. simpelste Lese- und Rechenfertigkeiten, für Prüfungen auswendig gelerntes Fachwissen, elementare Qualifikationen - zu Kompetenzen erklären. [3] Aber auch solche, die versuchen, Kompetenzen kognitivistisch als Leistungsdispositionen zu definieren, welche sich eng funktional auf bestimmte Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen im Sinne von spezifischen Lern- und Handlungsbereichen beziehen. [4] Dabei werden die in Unternehmen und Organisationen ganz besonders nachgefragten Kompetenzen – etwa personale oder sozial-kommunikative - einfach ausgegrenzt. [5]
Der Konkurrenzkampf der Zukunft wird als Kompetenzkampf geführt. [6] Das verdeutlichen zahlreiche Bemerkungen und Untersuchungen zum aktuellen Kompetenzbedarf in Unternehmen und Organisationen.
Aktueller Kompetenzbedarf in Unternehmen und Organisationen – einige Beispiele
Was sich Unternehmen von Schulabgängern wünschen, haben die IHK in Baden-Württemberg 2005 ermitteln lassen. Dort spielen, neben fachlich-methodischen Kompetenzen, der grundlegenden Beherrschung der deutschen Sprache, einigen Fremdsprachenkenntnissen, der Beherrschung einfacher Rechenmethoden und Grundkenntnissen im IT-Bereich sowie Grundkenntnissen im naturwissenschaftlichen und ökonomischen Bereich, vor allem personale Kompetenzen, wie Zuverlässigkeit, Lern- und Leistungsbereitschaft, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Selbstständigkeit, Kritik- und Selbstkritikfähigkeit oder Kreativität, aktivitätsbezogene Kompetenzen, wie Ausdauer, Durchhaltevermögen, Belastbarkeit oder Flexibilität, die allerdings nicht gesondert ausgewiesen werden und sozial-kommunikative Kompetenzen, wie Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeit, Höflichkeit, Freundlichkeit, Konfliktfähigkeit oder Toleranz, eine Rolle. Ja, „die Unternehmen erwarten, dass am Ende der Schulausbildung die Grundlagen für eine stabile Persönlichkeit, für Gemeinschaftsfähigkeit, für Lern- und Leistungsbereitschaft gelegt sind.“ Wir halten es für vermessen, wenn sich Pädagogen diesen Anforderungen durch eine kognitivistische Kompetenzauffassung verschließen. [7]
Wie wichtig individuelle Kompetenzen für den Erfolg eines Unternehmens sind, macht 2004 eine Umfrage bei DIHK-Betrieben zu Erwartungen der Wirtschaft an Hochschulabsolventen klar. Erschreckend sei, so der DIHK-Hauptgeschäftsführer, "wie groß offenbar die Defizite bei den persönlichen und sozialen Kompetenzen sind. Hier zeigen die Ergebnisse akuten Handlungsbedarf auf." Die Umfrage ermittelt soziale und personale Kompetenzen als den Bereich, „worin Unternehmen die größten Defizite sehen“ und resümierte als wichtigstes Ergebnis: „Fachwissen ist nicht alles – Persönlichkeit ist gefragt. Neben Fachwissen und Analyse- und Entscheidungsfähigkeit erwarten Firmen von heutigen Hochschulabsolventen Leistungswillen, die Fähigkeit, selbständig zu arbeiten, Einsatzbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und Teamfähigkeit.“ Die so genannten soft skills - hier also klar Kompetenzen - scheinen sich in der Bewertung der Unternehmen immer mehr zu Key Skills zu entwickeln, offenbar weil hier die größten Defizite ausgemacht werden. [8]
Eine Umfrage nach Wertvorstellungen deutscher Führungskräfte 2006 bestätigt die Bedeutung von individuellen Kompetenzen. Sie halten neben den Fachkompetenzen (60,7%) vor allem die personalen Kompetenzen Verantwortungsbewusstsein (59%), Ehrlichkeit (35%), Kreativität (27,4%) und Loyalität (15,9%), die sozialen Kompetenzen insgesamt (37,8%) insbesondere die Kooperationsbereitschaft (23,4%) sowie die aktivitätsbezogenen Kompetenzen Ehrgeiz (13,9%) und Mut (12,4%) für in beruflicher Hinsicht von größter Bedeutung. [9]
Im internationalen Maßstab wird von Führungskräften 2006 die Nachfrage nach Kompetenzen ebenfalls betont. Auch hier wird der Fachkompetenz das Primat zugewiesen, dicht gefolgt von personaler Kompetenz (Kreativität, Ehrlichkeit, Rationalität, Verantwortung, Loyalität), aktivitätsbezogener Kompetenz (Ehrgeiz, Mut) und sozialer Kompetenz (Kooperation, Hilfsbereitschaft). Allerdings mit hoch interessanten Länderunterschieden: Während Fachkompetenz in allen Ländern ähnlich wichtig genommen wird, landet soziale Verantwortung nur bei den Deutschen auf Platz 2, bei allen anderen EU-Ländern wesentlich dahinter. Dafür messen deutsche Manager der Kooperationsfähigkeit einen sehr niedrigen Wert zu, während britische Manager ihr den 2. Platz zuweisen. Solche Unterschiede sind vor allem mit Blick auf interkulturelle Kompetenzen interessant. [10]
Eine Mitteilung aus der Produktionsinnovationserhebung des ISI (Fraunhofer Institut System- und Innovationserforschung) von 2005 zeigt, dass die individuellen Kompetenzen für die Innovationsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen entscheidend sind: „Die Fähigkeit, neue Produkte auf den Markt zu bringen und innovative technische und organisatorische Prozesse zu implementieren, hängt bei etwa zwei Drittel der Betriebe [n=1.450] an einzelnen oder wenigen Mitarbeitern. Deren Ausfall beschwört dann zwangsläufig Engpässe herauf. Selbst in größeren Unternehmen existiert diese Problematik, vor allem bei Reorganisationsmaßnahmen. Die für solch sensiblen Aufgaben notwendigen sozialen bzw. persönlichen Kompetenzen sind offenbar besonders rar. Die Innovationskompetenz vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen steht auf dünnem personellen Eis. Noch scheint Wissensmanagement ein Mythos und Kompetenzmanagement oft kaum bekannt. Eine breite, systematische Entwicklung vorhandener individueller Kompetenzen ist in der deutschen Industrie bislang die Ausnahme.“ [11]
Dass die Kompetenzentwicklung in den Unternehmen im breiten Maße „angekommen“ ist, bekräftigt eine Untersuchung an der Universität Hannover von 2005. Dabei wird deutlich, dass Kompetenzentwicklung eher auf die Personalentwicklung als auf andere Bereiche bezogen ist, dass sie eher Führungskräfte als Mitarbeiter betrifft, dass sie nur vereinzelt mit wissenschaftlichen, umfassend aber mit selbstgestrickten Modellen erfasst wird und dass zu wenig Ansätze zur Entwicklung und Förderung von Kompetenzen bestehen. Bemühungen zur systematischen Kompetenzentwicklung „befinden sich zumeist noch in Vor- oder Versuchsphasen.“ Das hängt auch mit den hohen Aufwendungen für echte Kompetenzentwicklungsmaßnahmen zusammen. [12] Hier tut sich eine breite Schneise für die Kompetenzentwicklung im Netz auf.
Der zunehmende Einsatz von Persönlichkeitstypologien in der deutschen Wirtschaft, insbesondere im Führungsbereich zur Potenzialanalyse und zum Führungsverhalten, aber auch, obgleich in geringerem Maße, im Mitarbeiterbereich, überlappt sich stark mit Bemühungen zur Kompetenzerfassung, wie eine Untersuchung von 2004 deutlich macht. Denn es sollen ja Verhaltensweisen prognostiziert und, wo möglich, auch verändert werden. Das ist eigentlich nur für Kompetenzen wirklich möglich, denen allerdings solche Persönlichkeitsmerkmale zugrunde liegen können, welche auch generalisierend als Kompetenzen gedeutet werden können (MBTI®,DISG®, INSIGHTS®, LIFO® und andere). Allerdings wird von denjenigen Unternehmen, die bislang keine Persönlichkeitstypologien einsetzen, oft eine Präferenz für situations- und kompetenzorientiertes Verhaltenstraining ins Feld geführt. Sie begründen den Verzicht auf Persönlichkeitstypologien u.a. damit, dass sie situations- und kompetenzorientierte Verhaltenstrainings den typenorientierten Ansätzen vorziehen. [13]
Auf die Notwendigkeit, in der beruflichen Bildung nicht ein kognitivistisch verengtes, sondern ein handlungstheoretisch breiter untermauertes Verständnis im Blick zu haben, wird 2005 von Sloane und Dilger hingewiesen. Während schon am Beginn berufspädagogischer Kompetenzbetrachtungen die Unterteilung in gegenstandsbezogene, selbstbezogene und sozialbezogene Fähigkeiten stand, [14] während der Altmeister deutscher Kompetenzforschung, F.Weinert neben den kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten auch motivationale, willensmäßige und soziale Handlungsdispositionen einschloss, um eine problemlösende Performanz zu erreichen, wird von kognitivistischen Ansätzen „Wissen als ‚im Kopf vorhandene Fakten und Regeln“ gedeutet. Damit werden die zu eigenen Emotionen und Motivationen aus Regeln, Normen und Werten interiorisierten wichtigsten Bestandteile von Kompetenzen ausgeklammert. Die meisten Untersuchungen, die sich mit Kompetenzentwicklung im Bereich von Schule, beruflicher Aus- und Weitebildung, universitärer Bildung, Personalwirtschaft und Führungstraining befassen, gehen, wie hier demonstriert wird, genau den umgekehrten Weg. [15]
In der betrieblichen Weiterbildung spielt die Kompetenzentwicklung eine immer größere Rolle. Charakteristisch dafür ist, einer Mitteilung des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2006 folgend, dass das Lernen in Arbeitssituationen und das selbstorganisierte Arbeiten mit Medien immer mehr zunimmt, während Informationsveranstaltungen, vor allem aber Lehr- und Schulungsmaßnahmen immer weiter abnehmen. [16]
Mit den nachfolgenden Beispielen wird der Denkweg der folgenden Abschnitte angedeutet:
Erstens muss, wo Fähigkeiten zum selbstorganisierten Handeln und nicht nur eingelernte Fertigkeiten und Kenntnisse gefragt sind, deutlich unterschieden werden zwischen Wissensaspekten (kognitiven Aspekten) im engeren Sinne und zwischen regel-, wert- und normbezogenen Resultaten wie Erfahrungen, Haltungen, Überzeugungen, Expertise usw. sowie, dies einschließend, eben Kompetenzen. Was „ist“ Wissen und wie wird es vermittelt? So lautet also die erste Frage.
Zweitens kann dann die nächste Frage nur lauten: Was „sind“ Werte und wie werden sie vermittelt? Jedem ist intuitiv klar, dass Werte etwas ganz anderes als Wissen sind. Gegensätzliches? Komplementäres? Wo streben wir nach „wertfreiem“ Wissen, wo nach stets kulturell eingebetteten Werten? Und wie gelingt es, Werte, die nur wirksam werden, wenn sie von einzelnen Menschen verinnerlicht, interiorisiert, zu eigenen Emotionen und Motivationen umgewandelt wurden, wirksam weiterzugeben? Was ist die eigentliche „Drehscheibe“ des Wertlernens, und damit des Kompetenzlernens? Das soll uns anschließend beschäftigen.
Drittens ist die Frage nach Wissen und Werten natürlich kein Selbstzweck. Wir gehen von der Überzeugung aus, dass Werte auf eine genauer zu beschreibende Weise die Kerne von Kompetenzen bilden. Was „sind“ Kompetenzen und wie werden sie vermittelt? So müssen wir nun fragen. Haben wir bisher nur angedeutet, welche grundlegenden Gesichtspunkte die neue Begrifflichkeit unvermeidbar machen und wie das Kompetenzdenken wichtige Lern- und Lebenssphären, etwa berufliche Aus- und Weiterbildung, universitäre Bildung, Unternehmen und Organisationen durchdringt, so wollen wir dann ein eigenes und praktisch erprobtes Kompetenzkonzept umreißen, davon ausgehend Methoden der Kompetenzerfassung charakterisieren und Wege der Kompetenzentwicklung andeuten. Die Kompetenzentwicklung im Netz ist einer davon – ein zunehmend wichtig werdender. Einer, der im Mittelpunkt unseres Nachdenkens steht.
Viertens kann man dann und mit Hilfe dessen herausfinden, wie Kompetenzentwicklung mittels elektronischer Medien und geeigneter Software möglich werden kann. Es handelt sich insbesondere um die Software des so genannten Web 2.0, auch als Social Software bezeichnet. Sie ermöglicht, so eine zentrale These unseres Buches, jene grundlegenden Interiorisationsmechanismen, die einen Kompetenzerwerb erst möglich machen.
Fünftens können wir auf dieser Basis die E-Kompetenzentwicklung im Web 2.0 genauer beschreiben, ihre Einbindung in Lernarrangements untersuchen und schließlich Implementierungsprozesse für Kompetenzentwicklungs mit Blended Learning und Social Software (KOBLESS) vorschlagen, wobei auch auf neuere Ansätze des Netzlernens, des Konnektivismus zurückgegriffen wird.
Eine Lernrevolution ist im Gange. Ihr Ausgang ist, wie bei allen Revolutionen, die diesen Namen verdienen, ungewiss. Dazu, dass es ein gangbarer, guter, zukunftsweisender Ausgang sei, will unser Buch beitragen.
[1] vgl. Arbeitsgemeinschaft QUEM (Hrg.) (2006)
[2] Vonken, M. (2001), S.520
[3] so im englischen NVQ – System.
[4] DFG Projekt (2006)
[5] Klieme et al. (2003), S. 22
[6] Council of Competitiveness (1998)
[7] Baden-Württembergische Industrie-und Handelskammer (Hrg.)(2005)
[8] Rose, A.., Heintz, B. (2004), S.4
[9] Hedetmann, V., Bechert (2006), S.9
[10] EMA (2006), S.8
[11] Armbruster, H., Kinkel, S., Kirner, E., Wengel, J. (2005), S.11
[12] Tenberg, R., Hess, B. (2005)
[13] Klimmer, M., Neef, M. (2004), S.10
[14] Roth, H. (1971)
[15] Sloane, P. F., Dilger, B. (2005), S.6
[16] Institut der deutschen Wirtschaft (2006)