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a) Philosophie und Wissenschaft

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Philosophie bezieht sich auf das Ganze, sie stellt die Frage in radikaler Form. Demgegenüber beschäftigt sich die Wissenschaft immer nur mit Partikularem. Zudem ist die Frage „Was ist Wissenschaft?“ philosophischer und nicht wissenschaftlicher Natur. An diesen wenigen Andeutungen wird schon deutlich, dass der Philosophie gegenüber der Wissenschaft ein logischer Vorrang zukommt. Das ist auch der Grund, warum Tillich es unangemessen findet, von „wissenschaftlicher Philosophie“ zu sprechen. (19) Denn ein solcher Begriff „würde diejenige Haltung, die das wissenschaftliche Fragen allererst ermöglicht …, von dem abhängig machen, was von ihm abhängig ist. Philosophie hat zu bestimmen, was wissenschaftlich ist, nicht umgekehrt“ (37).

Die „Gegenstände“ von Philosophie und Wissenschaft sind allerdings die gleichen. Tillich nennt hier „Natur und Geschichte, Mensch und Geistesleben in all seinen theoretischen und praktischen Richtungen“ (20). Das bedeutet, dass die „Gegenstände“ der Philosophie nicht Gegenstände „neben“ anderen sind, sondern der Gegenstand der Philosophie besitzt „eine besondere Qualität aller Gegenstandsgebiete“: „Die Philosophie hat es nicht mit Gebieten, sondern mit einer Qualität der Gebiete zu tun: Es ist die Qualität der Gegenständlichkeit überhaupt, die Qualität, Gegenstand des radikalen Fragens sein zu können, die Frage nach der Frage. Die Gegenstände konstituieren jede in ihrer Art den philosophischen Gegenstand, sofern sie konkrete Repräsentanten des Gegenständlichen überhaupt, der Fragbarkeit sind.“ (Ebd.) Hieraus wird deutlich, dass prinzipiell alles Gegenstand der Philosophie sein kann; gleichzeitig bedeutet es, dass der Philosophie kein Sondergegenstand zukommt. Es sei schon an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass Tillichs Theologieverständnis ähnlich gelagert ist.

Für Tillich ist die Metaphysik – auch nach Kant – immer noch die zentrale philosophische Disziplin, ja sie fällt für ihn mit der Philosophie selbst zusammen – „oder sie ist nichts“. (21) Der Kritizismus hat nach Tillich demgegenüber nur eine „schlechte Metaphysik“ zerstört, die davon ausgegangen ist, dass sich die Metaphysik auf einen besonderen „Gegenstand“ richtet. Tillich teilt darum nicht die Auffassung Kants, dass der Erkenntnistheorie ein Vorrang vor der Metaphysik zukommt, das heißt, „daß man erst das Instrument untersuchen müsse, ehe man es verwendet“. Denn jede Erkenntnislehre enthält nach Tillich immer schon „eine grundsätzliche Antwort auf die Frage nach der Frage – als Hintergrund und uneingestandene Voraussetzung“. Mit anderen Worten: Jeder Erkenntnislehre liegt immer schon eine Metaphysik zugrunde (ebd.); eine solche Position teilt Tillich etwa mit Nicolai Hartmann.

Wenn Tillich auch später nicht mehr gerne von „Metaphysik“, sondern lieber von „Ontologie“ spricht, so liegt hier prinzipiell keine Verschiebung seines Philosophieverständnisses vor, sondern er sucht so die möglichen falschen Konnotationen zu vermeiden, die die griechische Vorsilbe „meta“ durchscheinen lässt. Allerdings steht hier auch noch ein sachliches Interesse im Hintergrund, geht es Tillich doch wesentlich um den Bereich der Metaphysik, den man gemeinhin „Ontologie“ nennt. Den Bereich der „natürlichen Theologie“, bis in die Neuzeit hinein neben der Ontologie der zweite zentrale Aspekt der klassischen Metaphysik, lehnt er aus Gründen ab, die noch aufzuzeigen sind.

Paul Tillich

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