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Vorläufer: Das Stockwerkseigentum
ОглавлениеDer Prager Schriftsteller und promovierte Jurist Max Brod (1884–1968) beschreibt in seinem Roman „Ein Sommer, den man sich zurückwünscht“ die Verhältnisse im Jahr 1899; er beschreibt unter anderem eine Besonderheit, ein bestimmtes Wohngebäude, an das sich der Romanheld erinnert: „Es war ein sogenanntes ‚Teilhaus’; denn in diesem Stadtviertel, nur hier, gab es noch die Besonderheit, die später den Grundbüchern und Juristen einige Kopfschmerzen machte: Man konnte auch einzelne Stockwerke erwerben, ohne den Boden selbst in Eigentum zu bekommen. Man lebte also eigentlich im wahren Sinn der Worte in der Luft, in einem Luftschloss.“
Das hier leicht ironisch beschriebene Eigentumsverhältnis war früher unter dem Namen Stockwerkseigentum bekannt. Nicht nur in Österreich-Ungarn, auch im Deutschen Reich – besonders in Süddeutschland, im früheren Geltungsbereich des Code civile – gab es das Stockwerkseigentum, das Eigentum an einem Gebäudeteil ohne das zugehörige Grundeigentum. 1900 beseitigte das Bürgerliche Gesetzbuch die Möglichkeit, Stockwerkseigentum neu zu begründen. Das bestehende Stockwerkseigentum wurde damit aber nicht automatisch aufgehoben. In der Mehrzahl der Fälle hat man in den folgenden Jahren die Rechtsverhältnisse an die Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs angepasst, in einzelnen Fällen unterblieb das aber, und die eigentlich unmögliche Eigentumsform bestand fort – oftmals ohne dass die Nutzer davon wussten. Das ist auch nachvollziehbar, wenn man unterstellt, dass innerfamiliäre Regelungen den scharfen Blick ins Grundbuch obsolet machten. Wenn aber der Familienfrieden einmal gestört war und ein Rechtsstreit um eine Immobilie entstand, lebten die längst tot geglaubten Rechtsverhältnisse wieder auf und führten durch die Instanzen das Leben eines gleichsam juristischen „Wiedergängers“.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die Idee des Stockwerkseigentums wieder auf.
Wo ist solches Stockwerkseigentum potenziell heute noch anzutreffen? Im württembergischen Landesteil Hohenzollern betrifft es zum Beispiel die Keller. Reicht der Keller des eigenen Hauses teilweise unter das Haus des Nachbarn, mit oder ohne Verbindung zu dem darüber befindlichen Gebäude, so durfte von der Existenz eines Stockwerkseigentums ausgegangen werden, wenn der Keller nur vom eigenen Haus aus zugänglich war.
Relativ häufig musste Stockwerkseigentum auch angenommen werden, wenn bei aneinandergebauten Häusern eine Überbauung der Grundstücksgrenze vorgenommen worden war. Häufig standen ja die Gebäude schon Jahrzehnte oder Jahrhunderte, bevor im 19. Jahrhundert die Vermesser loszogen und neue Kataster erstellten.
Gerade bei vermeintlichen „Schnäppchenhäusern“ kann man auf Überraschungen stoßen. So ist oft nicht nur die Bausubstanz über Jahrzehnte vernachlässigt worden, sondern auch die juristische Substanz. Das bemerkte zum Beispiel eine junge Familie, die ein Doppelhaus mit zugehörigem geteilten ehemaligen Stallgebäude erwarb und im Grundbuch den Vermerk fand: „Ohne den ganzen Keller.“ Der ungeteilte Keller unter den Stallungen hatte, wie sich herausstellte, einen anderen Eigentümer, dessen Eigentum mit dem Vermerk „Keller unter dem Stall“ beschrieben war. Zuweilen wird noch heute um Zahlungen aus der Ablösung von Rechten an Gebäuden gestritten, die schon vor Jahrzehnten abgerissen wurden.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die Idee des Stockwerkseigentums wieder auf. Nach 1945 (namentlich vor der Währungsreform) stellte man verschiedene Überlegungen an, wie der Wiederaufbau der zerstörten Wohnungen in Deutschland am besten zu finanzieren sei. „Es muss ein Weg gefunden werden, um den dann noch vorhandenen Besitzern von verhältnismäßig kleinen Kapitalien dazu zu verhelfen, Grundbesitz zu erwerben und damit die Finanzierung des Wiederaufbaus zu sichern. Dieses könnte im Wege des Erwerbs einer Wohnung oder einer Etage erfolgen. Voraussetzung hierfür ist die Schaffung von Stockwerkseigentum“ hieß es in einem Beitrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 13. Juni 1946. Bei diesen Überlegungen war auch bereits daran gedacht worden, intakte (beispielsweise am Stadtrand gelegene) und im Gemeindeeigentum befindliche Wohnanlagen etagenweise an die Mieter zu verkaufen, um auf diese Weise Geldmittel für den Aufbau der zerstörten Innenstädte zu beschaffen. Als Modell stellt der Verfasser die Eigentumsverhältnisse in den westeuropäischen Staaten vor, in denen sich das Stockwerkseigentum großen Zuspruchs erfreue, sich bewährt habe und gesellschaftlich weitgehend akzeptiert sei.
Der Unterschied zwischen dem Stockwerkseigentum und der heute üblichen Form des Wohnungseigentums besteht – einfach gesprochen – im Verhältnis mehrerer Eigentümer zu einer Sache. Beim Stockwerkseigentum wird eine Sache, also ein Gebäude, real geteilt (was nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch dem Grundsatz nach nicht möglich ist). Jeder einzelne Eigentümer hat dann das volle Eigentumsrecht an dem ihm gehörigen Teil des Hauses, während ihm an den Teilen der anderen Eigentümer keinerlei Recht zukommt. Eine solche Regelung schließt nicht aus, dass gewisse Gebäudeteile (beispielsweise der Keller oder das Dach) dennoch als Gemeinschaftseigentum aller Eigentümer behandelt werden.
Begriffsverwirrung bei Eigentumswohnungen
Im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Literatur werden die Begriffe Eigentumswohnung und Wohnungseigentum weitgehend gleichwertig verwendet. Beide Begriffe sind aber eigentlich nicht identisch.
Eigentumswohnung ist ein Sachbegriff; er bezeichnet ein Objekt, das hergestellt, erworben oder veräußert werden soll. Im Wohnungseigentumsgesetz kommt dieser Begriff nicht vor. Doch erwies sich der Begriff „Eigentumswohnung“ als so griffig und nützlich (und letztlich unverzichtbar), dass er 1994 in das 2. Wohnungsbaugesetz aufgenommen wurde. Dieses Gesetz (außer Kraft gesetzt 2002) definiert: „Eine Eigentumswohnung ist eine Wohnung, an der Wohnungseigentum nach den Vorschriften des Ersten Teils des Wohnungseigentumsgesetzes begründet ist.“
Wohnungseigentum dagegen ist der Rechtsbegriff, der den Sachbegriff „Eigentumswohnung“ juristisch definiert.