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Kapitel 10

Kronberg/Taunus

Das Tief Oskar hatte sich über Westdeutschland festgesetzt. Es regnete und regnete, nur gelegentlich klarte es auf. Peter Conrad war beunruhigt. Würde Friedrich unter diesen Umständen wirklich kommen?

Als er bei dem Kronberger Golf- und Land-Club ankam, sah er Friedrichs Jaguar bereits auf dem Parkplatz stehen. Er hievte den Sack mit den Schlägern aus dem Kofferraum seines VW, stellte ihn auf den Trolley und ging los. Nicht, dass er viel von Golf verstand. Er konnte gerade so mithalten und wurde mit seinem Handicap von 35 von den meisten Mitspielern eher bemitleidet. Für ihn war Golf immer nur Mittel zum Zweck: Verbindungen knüpfen, sie erhalten, Gespräche führen. Deshalb war er schon seit Jahren Mitglied in diesem Prestige-Club vor den Toren der Finanzmetropole Frankfurt. Friedrich dagegen war dem Spiel verfallen, nahm es ernst und ließ keine Gelegenheit aus.

Kurt Friedrich wartete schon beim Abschlag auf ihn. Er trug eine wasserdichte Jacke und eine dunkle Schirmkappe. Er hatte bereits einen Schläger in der Hand. Conrad hoffte darauf, dass Friedrich ein Einsehen haben und sich mit einer Neun-Loch-Runde zufriedengeben würde. Aber gerade in diesem Augenblick klarte es auf und Friedrich grinste:

„Volle Runde, so wie verabredet. Ready Golf, spielen statt warten.“ Und trotz seines Handicaps von 14, das ihm die Ehre einräumte, als erster schlagen zu dürfen, fügte er gönnerhaft hinzu: „Sie fangen an.“

Ergeben zog Conrad seinen Schläger, einen Driver, holte nervös und unkonzentriert aus und verfehlte den geteeten Ball, traf aber nicht gleich. Friedrich ließ den Luftschlag als Probeschlag gelten. Conrad riss sich zusammen, teete erneut auf und schlug ab. Der Ball landete nach 100 Metern. In dem Moment starben die letzten Hoffnungen auf ein schnelles Spiel. Es würde dreieinhalb Stunden dauern, mindestens, und am Ende wäre er klatschnass. Der Platz galt als anspruchsvoll, enge Fairways mit Gebüsch und Bäumen an den Seiten. Das Terrain erforderte möglichst präzise und gerade Schläge. Bald kam er trotz des nassen Wetters ins Schwitzen. Aber er brauchte das Gespräch mit Friedrich allein schon, um Ewa nicht zu enttäuschen.

Nach zehn Minuten setzte der Regen wieder ein. Friedrich verzog keine Miene. Conrad hatte bald den Eindruck, dass sein Partner es geradezu genoss, ihn über die volle Strecke von 4938 Metern zu quälen. Vorbei an den mächtigen, teils exotischen Baumriesen und den blühenden Rhododendronbüschen, die dem Club am Rande des Taunus vor der eindrucksvollen Kulisse des Schlosshotels den Ruf eingebracht hatten, eine der schönsten Golfanlagen des Landes zu sein.

Endlich hatte er es überstanden. Natürlich hatte Friedrich haushoch gewonnen und war nicht einmal darauf angewiesen, Conrads negative Handicap-Vorgabe hinzuzurechnen, die ihn zusätzlich begünstigte. Er war gut gelaunt. Im Casino saßen lediglich die wenigen Spieler, die ebenfalls dem Regen getrotzt hatten. Conrad achtete darauf, dass er einen Platz im Clubrestaurant fand, der nicht direkt in Hörweite der anderen Gäste lag. Unter einem der Halbbögen setzten sie sich an einen kleinen, mit lachsfarbenen Tulpen dekorierten Tisch. Als der Kellner kam, bestellte Friedrich Wildgulasch und Conrad schloss sich an.

Friedrich orderte einen Rotwein, einen Merlot, und aß mit großem Appetit. Conrad tat sich schwer, war innerlich angespannt und hätte am liebsten die Hälfte übriggelassen. Den angebotenen Wein lehnte er ab.

„Sie wollten etwas mit mir besprechen, Conrad? Also raus mit der Sprache“, ergriff Friedrich das Wort.

„Die Zeiten sind schwierig“, versuchte Conrad einen Einstieg.

„Ach Conrad, das Schwarzmalen muss ein Ende haben. Die Viruskrise ist vorbei. Haben Sie sich heute schon mal die Aktienkurse angesehen?“, reagierte Friedrich.

„Genau deshalb sitze ich ja hier“, beeilte sich Conrad, den Hinweis aufzunehmen. „Gerade wenn die Zeiten schwierig sind, soll man ja einsteigen.“

„So ist es Conrad, genau so. Was schlagen Sie vor?“

„Es geht um NEWTEC. Sie sind der Großinvestor. Und ich habe einen Interessenten an der Hand, der Ihnen Ihre Anteile abkaufen will, mindestens 51 Prozent. Zu einer Summe, die keinen Wunsch mehr offenlässt. Und da wäre, unter uns, sogar noch Luft nach oben. Allerdings: Der Interessent kommt aus dem Ausland. Aus einem ziemlich fernen, sehr großen Ausland.“

Friedrich nahm einen Schluck aus seinem Rotweinglas.

„Und dafür lassen Sie sich fast vier Stunden im Regen über einen Golfplatz jagen? Sind Sie noch ganz bei Trost? Sie wissen doch, schon die gesetzliche Grundlage macht das unmöglich. Das wird die Regierung niemals genehmigen. Biotech-Firmen stehen im Augenblick unter besonders scharfer Beobachtung. Sie sind doch nicht blöd. Wer an der Viruskrise verdienen will, der muss sich schon was anderes einfallen lassen.“

Conrad hatte erwartet, dass das Gespräch nicht einfach sein würde, war aber von der harschen Reaktion schockiert.

„Sehen Sie, das weiß der Interessent natürlich auch. Wir müssten eben etwas kreativer vorgehen. Zum Beispiel die Anteile stückeln und auf dem Papier an verschiedene Investoren verteilen, dass sie immer unter zehn Prozent bleiben. Aber eben nur auf dem Papier. Über eine Reihe von Firmen laufen sämtliche Anteile wieder beim Interessenten zusammen. Am Ende kommt es doch nur darauf an, dass Sie dabei einen kräftigen Gewinn machen. Und den kann ich Ihnen garantieren.“

„An was hatten Sie dabei gedacht?“ Friedrich schaute ihn mit einem lauernden Blick an.

„Eine Milliarde“, sagte Conrad.

„Schöne runde Summe“, entgegnete Friedrich. „Und die Stückelung, wie genau soll das funktionieren?“

„Panama, Cayman Islands, Malta“, erläuterte Conrad.

„Briefkastenfirmen?“

„Ja, so in der Art.“

Friedrich winkte dem Kellner und zeigte auf sein Glas. Der kam gleich darauf mit der Rotweinflasche und goss nach. Friedrich nahm einen tiefen Schluck und ließ ihn sich genüsslich auf der Zunge zergehen.

„Mein Gott, Conrad, das klingt ja wie in einem schlechten Film. Hätte nicht geglaubt, dass Sie mich für so naiv halten. Lesen Sie keine Zeitungen? Alle sind verrückt nach einem Impfstoff. Diese Milliarde kommt sehr leicht zusammen. Auch ohne Ihren Firlefanz.“

Wieder hob er sein Glas und genoss den dunkelroten Merlot.

„Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Herr Conrad.“

Conrad sah sich nach dem Kellner um, um seine Rechnung zu begleichen, doch Friedrich winkte ab.

„Lassen Sie mal, das mache ich. Geschäftsessen. Setze ich von der Steuer ab, ganz legal natürlich. Ich denke, Sie werden ihr Geld noch brauchen.“

Peter Conrad nahm es so, wie es gemeint war. Eine herablassende Geste, die ihm klarmachen sollte, dass er verloren hatte.

Kurt Friedrich sah Conrad hinterher, als er seine schwere Golftasche schulterte und das Casino verließ; hinaus in den Regen, der noch immer, wenn auch nicht mehr so stark, aus dem Himmel nieselte.

Was für ein Loser, dachte er. Beinahe überkam ihn ein Anflug von Mitleid. Auch er hatte sich seinen Reim auf Conrads Rauswurf bei der Bank gemacht. Die wollen sich unbedingt bei Cum-Ex einen schlanken Fuß machen und diese arme Sau, dieser Conrad, muss dafür den Kopf hinhalten. Friedrich war froh, dass er sich nicht auf diese Steuergeschäfte eingelassen hatte, obwohl die Bank sie auch ihm nachdrücklich angeboten hatte.

Er griff zu seinem Handy und wählte eine Berliner Nummer aus seinen Kontakten aus. Es klingelte mehrfach und er wollte den Anruf gerade abbrechen, als er doch noch eine Stimme am anderen Ende der Leitung hörte.

„Hallo?“, sagte Julius Berger.

„Hallo Herr Minister, Friedrich hier.“

„Ah, Sie sind´s Endlich mal ein erfreulicher Anruf in diesen aufgeregten Zeiten. Schön von Ihnen zu hören. Kann ich irgendetwas für Sie tun?“

„Ich wollte Sie nur kurz darüber informieren, dass Sie bei unserem letzten Treffen recht hatten. Es gibt tatsächlich ein Rennen um die Mehrheit bei NEWTEC, offenbar im internationalen Stil. Ich habe gerade einen Versuch abgewimmelt, mich zu ködern. Aber ich denke, Sie sollten aufpassen“, berichtete Friedrich.

„Wie kam das zustande?“

„Dieser Conrad hat mich kontaktiert, Sie wissen, dieser Cum-Ex-Mann, den die Bank rausgeschmissen hat. Einzelheiten hat er nicht genannt, aber mein Gefühl sagt mir, dass es bei diesen Größenordnungen eigentlich nur China sein kann.“

„Cum-Ex? Das ist ein böses Krebsgeschwür. Das wächst. Unter uns gesagt: Da stehen wir erst am Anfang. Das wird noch manchen in die Tiefe reißen“, stieg Bergner spontan auf das Thema ein.

„Aber bleiben wir bei NEWTEC und dem Übernahmeangebot. Wie haben Sie reagiert?“

„Ich habe Conrad natürlich abblitzen lassen. Warum sollte ich mich darauf einlassen? Das ist auch so eine bombensichere Anlage. Und außerdem weiß ich doch, dass Sie schon per Gesetz wegen den Daumen da draufhalten müssen.“

„Sie sind ein wahrer Patriot, Herr Friedrich. Wirklich vorbildlich“, hörte er Bergners Stimme.

„Übrigens, gute Show mit Ihrer Kandidatur für das Kanzleramt“, schob Friedrich nach.

„Gut, dass Sie das erwähnen. Ja, das läuft im Augenblick ganz gut. Und denken Sie daran, was ich Ihnen angeboten habe: Wenn das Ding läuft, dann sind Sie mein Kandidat für das Amt des Bundeswirtschaftsministers. Ein Mann aus der Praxis, der was vom Geld versteht, und, wie sich wieder zeigt, ein Mann, der nicht nur an sich, sondern auch an die Interessen des Landes denkt.“

Bergner machte eine kurze Pause, überlegte offenbar.

„Soll ich Sie da mal ins Gespräch bringen? Nicht direkt natürlich. So, dass man es immer noch abstreiten kann. Aber es könnte die Debatte beleben, einen so erfolgreichen Namen mit auf der Liste zu haben.“

Friedrich wollte spontan Nein sagen, sein Bauchgefühl riet ihm, besser die Finger davon zu lassen, kein Teil der Ränkespiele der Berliner Politik zu werden. Damit kannte er sich nicht aus. Er war einer, der selber die Kontrolle behalten und sich nicht anderen ausliefern wollte. Der lieber im Hintergrund die Fäden zog und damit jahrelang sehr erfolgreich gewesen ist. Aber dann brach das durch, was er immer zu unterdrücken versucht hatte: die Suche nach Anerkennung. Endlich aus dem Schatten herauszutreten, endlich nicht immer nur der Investor zu sein. In der Fachwelt genoss er selbstverständlich große Bewunderung für seine zumeist gewinnbringenden Investitionen. Die fanden dann im Handelsblatt Erwähnung; doch stets im Kleingedruckten, stets auf den hinteren Seiten. Seit Gertruds überraschendem Tod vor zwei Jahren spürte er diesen Drang noch mehr. Sie hatte ihm Halt gegeben, Erdung, einen Lebensinhalt. Der fehlte jetzt. Herr Minister Friedrich, das klang doch irgendwie gut. Mit am Kabinettstisch zu sitzen, wenn die großen Entscheidungen fielen, auf der Regierungsbank im Bundestag.

„Wenn Sie meinen …“, hörte er sich sagen. Fast so, als ginge es um einen Dritten, nicht um ihn selbst.

„Danke, lieber Herr Friedrich. Sie sind wie immer eine große Hilfe. Ich kümmere mich darum“, sagte Bergner und legte auf. Friedrich hielt noch einen Moment das Handy an sein Ohr, unsicher, worauf er sich da gerade eingelassen hatte.

VIRUS KILLER

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