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Kapitel 2

Berlin

„Hier“, sagte er triumphierend, „hier!“ Julius Bergner blickte auf sein Smartphone. Soeben war über Twitter ein Foto aus dem Hamburger Hafen eingegangen. Es zeigte die Ankunft eines Frachtschiffes mit einer riesigen, turmhohen Containerfracht. Das Schiff kam aus China.

Bergner saß an seinem Schreibtisch im großen, im wilhelminischen Neobarock aus Sandstein gebauten Gebäude an der Invalidenstraße, das nach einer wechselhaften Geschichte jetzt als Wirtschaftsministerium diente. Er zeigte das Foto seinem Büroleiter Berthold Winter, der vor seinem Schreibtisch stand. „Es geht voran, jeden Tag mehr“, sagte Bergner. „Klar, die Krise hat leider tiefe Spuren hinterlassen, aber wichtig ist doch, dass wir wieder im Geschäft sind.“

Zufrieden legte er das Smartphone auf den Schreibtisch. „Und wer hat das geschafft?“, fragte er, war sich aber sicher, dass Winter darauf nicht eingehen würde.

„Ich sage es Ihnen, Winter. Wir waren das. Wir, diese Regierung. Konsequent, nachdrücklich und effektiv.“

Natürlich hätte er es lieber gleich so gesagt, wie er es meinte. Nämlich, dass er, Julius Bergner, der Bundeswirtschaftsminister, diese Herkulesaufgabe erledigt hatte, dass er der wichtigste Player dabei war, die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

„Selbstverständlich war das eine Teamleistung“, beeilte er sich hinzufügen. „Dieses Haus, dieses tolle Ministerium hat wieder einmal gezeigt, wie leistungsstark es ist, wenn es darauf ankommt.“

„Und sehen Sie hier, die neuesten Zahlen aus dem Politbarometer des ZDF. Die Bevölkerung dankt es uns. Die Zahlen sind so gut wie lange nicht mehr.“ Er blätterte in den Seiten mit den neuesten Umfragewerten, die seine Sekretärin ihm ausgedruckt hatte. Kurz überlegte er, ob er auch auf die Zahlen eingehen sollte, die die Popularität der Spitzenpolitiker abbildeten. Er unterließ es – mit etwas Mühe. Aber die Zahlen sprachen eine eindeutige Sprache. Auch er, der Bundeswirtschaftsminister, hatte bei diesen Werten einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Das, so dachte Bergner, galt es zu nutzen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Frage der Nachfolge stand im Raum, jetzt war die Zeit, eine Entscheidung zu forcieren. Und er würde sich daran beteiligen.

„Wir sollten dankbar sein für dieses Echo aus der Bevölkerung. Sie wissen unsere Arbeit zu würdigen“, konnte er sich nicht verkneifen zu sagen.

„Aber genug davon, man könnte es sonst ja für Eigenlob halten“, übte er sich wieder in aufgesetzter Demut und legte die Blätter mit den Zahlen zurück auf die Tischplatte. „Was gibt es sonst, Winter?“

Berthold Winter legte ihm den Aktendeckel mit den Aufzeichnungen vor, die mit „Geheim“ gestempelt waren. Eine neue, dringliche Meldung des Bundesnachrichtendienstes. Die Bezugskürzel POL und WIR wiesen darauf hin, dass es sich um wichtige Informationen aus den Bereichen Politik und Wirtschaft handelte. Bergner warf einen Blick darauf und schaute dann seinem Büroleiter in die Augen:

„Und? Warum jetzt diese Eile, Winter?“

„Weil der BND glaubt, dass diese Meldung hohe Priorität haben sollte. Er hat aus den zahlreichen Erkenntnissen diejenigen herausgefiltert, die jetzt nach der Krise besondere Relevanz haben sollten, und dabei zeigt sich eindeutig, dass es auf dem Weltmarkt ein beherrschendes Thema gibt: Den Impfstoff gegen das Virus.“

„Das ist ja nicht unbedingt neu“, sagte Bergner.

„Nein, das ist nicht neu, Herr Minister, neu ist aber, dass sich das Feld gerade sortiert und dabei schaut man weltweit auch auf uns, auf unsere Firmen. Die sind dabei ziemlich weit vorn. Und ganz oben steht die Firma NEWTEC.“

„Eine gute Nachricht und ein toller Erfolg. Irgendwie doch auch für uns, für uns alle“, sagte Bergner. Und für die Politik, die das Forschungsprogramm mit 50 Millionen Euro Steuergeldern unterstützt hatte, wollte er noch hinzufügen, behielt es dann aber für sich.

„Jedenfalls ein Milliardenmarkt“, fügte er stattdessen hinzu. „Wem diese Firma gehört, dem gehört eine Gelddruckmaschine, die gar nicht so schnell drucken kann, wie das Geld reinkommt.“

„Richtig, Herr Minister, alles richtig“, reagierte Winter. „Der Grund, warum sich der BND einschaltet, ist der: Er hat Meldungen aufgefangen, dass irgendjemand eine feindliche Übernahme plant. Sie wissen noch nicht viel mehr, aber anscheinend ist irgendetwas im Gange. Jedenfalls sollten wir wachsam sein.“

„Sollte doch kein Problem sein, die biotechnischen Firmen gehören seit kurzem zur kritischen Infrastruktur und da haben wir doch ein deutliches Mitspracherecht. Wer im Ausland mehr als zehn Prozent Anteile erwerben will, braucht unsere Genehmigung. Das haben wir doch kürzlich den Amis klargemacht, als die versucht haben, eine deutsche Firma zu übernehmen, die auch an einem Impfstoff forscht. Nix da, Winter, wer immer das Ding drehen will, da werden wir reingrätschen. Nicht mit uns, nicht mit mir.“

Bergner überlegte eine Weile und starrte auf den Geheimstempel.

„Wissen wir, wer der Haupteigner von NEWTEC ist?“, fragte er schließlich.

„Ja, wissen wir, Herr Minister. Der Großinvestor Kurt Friedrich.“

„Oh, gute Nachrichten, Winter, ein guter Mann! Sehr erfolgreich. Hat immer den richtigen Riecher. Der wird sich auf so einen Deal nicht einlassen.“

Bergner verkniff sich, ein wichtiges Detail hinzuzufügen. Kurt Friedrich gehörte seit vielen Jahren zu den zuverlässigen Großspendern für die Parteikasse. Alles sorgfältig aufgelistet, dachte Bergner. Alles im Rechenschaftsbericht der Partei für den Bundestag aufgelistet und öffentlich einsehbar. Keine Gefahr an der Front. Friedrich spendete auch an andere Parteien, aber für Bergners Partei spendete er mehr als für alle anderen zusammen. Guter Mann, dachte Bergner wieder. Und was die Geheim-Meldung über einen anonymen Käufer für NEWTEC anging, würde der sich schon auf nichts einlassen.

„Der BND soll das weiter beobachten“, sagte er zu Winter. „Und sorgen Sie dafür, dass ich hier auf dem Laufenden gehalten werde.“

„Wird gemacht, Herr Minister“, entgegnete Winter und ging. Bergner holte wieder die Umfragezahlen hervor und streichelte über das Blatt.

Sehr schön, dachte er, sehr schön. Vor einem halben Jahr hätte er sich das noch nicht vorstellen können, doch jetzt würde er ins Rennen gehen. Für irgendwas musste diese Krise doch gut sein.

VIRUS KILLER

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