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Krise in der Loderhose
ОглавлениеDas Wort »Krise« hat sich zu einem Passepartout entwickelt, zu einer Gemeinschaft stiftenden Abnickvokabel. Es muss nur einer »Krise« sagen, sofort erzeugt er flächendeckend Affirmation: Krise, ja, genau. Krise ist die Konsensmilch der lammfrommen Denkungsart.
Das Wort ist unspezifisch und wattig und genau deshalb universell einsetzbar. Wer »Krise« sagt, muss nicht konkret werden, egal, ob er mit der Krise droht oder ob er suggeriert, er nähme alle mit ins Krisenrettungsboot. So leicht ist ein Kollektivgefühl zu erzeugen: Die Weltwirtschaft in der Krise, also die Welt, also alle, also wir alle. Unterschiede verschwimmen oder verschwinden ganz.
Deshalb ist »Krise« eine Lieblingsvokabel von Demagogen jeder Couleur. Sie ist ein gezielt Angst und Panik schürendes Instrument, und wer Angst hat, lässt sich übergriffige Zumutungen und Kaltschnäuzigkeiten aller Art eben eher gefallen.
Es leitartikelt sich mit Hilfe der Krise aber auch ganz von allein. Fängt man mit Krise an, schreibt sich der Rest wie von selbst weg, gewissermaßen vollautomatisch. Es gibt schließlich Journalisten, die gern etwas geschenkt bekommen, nicht nur Reisen, Gefälligkeiten oder schöne Produkte, sondern vor allem Gedanken. Im letzteren Fall genügt auch die Simulation, es muss nur gut klingen und darf nicht auffallen im eintönigen Konzert des Pluralismus. Auch deshalb ist ›Krise‹ perfekt. Das Wort insinuiert, dass sein Sprecher auf der Höhe der Zeit sei, deren Zeichen er erkannt habe; dass er mit dem gebotenen Ernst bei der Sache und auch emotional nicht unberührt sei – und dass er zu denen gehöre, die nach Lösungen suchen. Auf diese Weise wird aus einer geistabsenten Plaudertasche ein Krisenlenker von Dickdenkerformat.
So geriet die Krise auch in eine der vielen Zeitschriften hinein, die weniger zum Lesen, also zum Anstiften von Gedanken gemacht sind als vielmehr zum bräsigen Herumblättern: fit for fun heißt ein monatlich erscheinendes Druckerzeugnis, dessen Titel so gar nicht krisenorientiert klingt. fit for fun ist die etwas holprige Übersetzung von »Kraft durch Freude«. Schon im Editorial hat das Blatt Sätze zu bieten wie: »Es ist Krise, und viele Dinge werden danach nicht mehr sein wie vorher.« Ob diese Worte in der Welt sind oder nicht, macht nur diesen Unterschied: Sie sind Verschwendung von Ressourcen an Papier und Arbeitskraft bei der Herstellung und an Lebenszeit bei der Lektüre.
Geschrieben hat den Nullsatz der Chefredakteur von fit for fun. Der Mann heißt Willi Loderhose, und man ahnt, was er wegen dieses Nachnamens hat durchmachen müssen seit seiner Pubertät. Möglicherweise haben die erlittenen Verspottungen zu einer Erosion seines Charakters geführt – die es Willi Loderhose erst ermöglichten, Chefredakteur von so etwas wie fit for fun zu werden. Das ist Spekulation; gesichert dagegen ist, dass es Willi Loderhose gelingt, den Einstieg per Krise anschließend zu erweitern und in ihr, nicht minder konfektioniert, »auch Positives zu sehen«. Denn Krise, schreibt Loderhose, »bedeutet auch ›sich trennen‹« – woraus der Autor folgert: »Trennen Sie sich jetzt von schlechten Gewohnheiten! Trennen Sie sich von ein paar Kilos Körpergewicht.«
Auf einem Krisenherd kann eben jeder seine eigene Suppe kochen – auch Willi Loderhose, mitsamt fit for fun. Zwar gilt gemeinhin das Gebot, Namenswitze gütig zu unterlassen. Im Kasus Loderhose bringe ich den Verzicht auf einen Schüttelreim allerdings nicht über mich.
Krise in der Loderhose?
Kann sein, da ist ein Hoden lose.