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Vom Niedergang der Sülze

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Das Wort Schweinskopfsülze hat unbestreitbar einen heftigen, martialischen Klang. Dabei ist Sülze, wenn sie von einem guten Metzger aus guten Materialien hergestellt wird, ein wohlschmeckendes Lebensmittel. Wie konnte geschehen, dass Sülze seit langem ein Synonym für inhaltsleeres Gerede, für überflüssigen, nichtigen Verbalschwall geworden ist? Soviel Gesülze wird von Menschen mit nimmermüden Mundwerkzeugen produziert, dass bei dem Wort ›Kaisersülze‹ kaum jemand mehr an die so bezeichnete kulinarische Köstlichkeit denkt, sondern, im Gegenteil, an den selbstgefälligen, medial begeistert aufgesogenen wie überhaupt erst hergestellten Brumm- und Bummseich, den der in denselben Medien »Kaiser« genannte Franz Beckenbauer regelmäßig wegplätschert.

Beckenbauer ist allerdings überhaupt nicht der einzige, dem die Mutation der Sülze von einer guten Mahlzeit zum unerträglichen Geseire anzulasten ist. Am Niedergang der Sülze sind viele beteiligt, die öffentlich auf dem Glatteis der freien Rede herumrutschen. Ganz weit vorn sind Politiker und Verlautbarungsjournalisten, die immerzu »auf gutem Wege« sind und für die alles »auf einem guten Weg« ist – der zuvor selbstverständlich »frei gemacht« wurde. Das klingt ein bisschen nach Arztbesuch – »Guten Tag, Herr Weg, machen Sie sich doch bitte gleich frei« –, ist aber noch trüberen Ursprungs. »Wir machen den Weg frei« ist eine alte Reklameparole der Volks- und Raiffeisenbanken, die ihre Kundschaft unter Zuhilfenahme von Bausparverträgen zu fesseln und zu knebeln gedenken. Die Phrase hat ihren Weg in die Politik und in den Journalismus gemacht; man könnte auch zum ixypsilonsten Mal konstatieren, dass Politik und Journalismus sich eben längst in den Niederungen der Werbung eingebunkert haben.

Wer »Wege frei macht« und »auf gutem Wege ist«, der betreibt Politik mit derselben Vollautomatik auch »auf Augenhöhe«. Die »Augenhöhe« wurde nicht nur vom Alfred-E.-Neumann-Double Horst Köhler beständig »angemahnt«, sondern wird auch vom Schauspielerdarsteller Till Schweiger für sich reklamiert: »Mit Tarantino rede ich auf Augenhöhe, mit Brad sowieso…«, prahlte der in Quentin Tarantinos Film »Inglourious Basterds« so wohltuend und überzeugend textarm inszenierte Schweiger, der mit dem angekumpelten »Brad« irrtümlicherweise Brad Pitt meinte, nicht aber das weit bedauernswertere Brett vor seinem eigenen Kopf – das mit Till Schweiger ja tatsächlich »auf Augenhöhe« leben muss, und das schon und für immer.

Voll »auf Augenhöhe« befindet sich auch die Musikzeitschrift spex – und zwar mit dem Nudelhersteller De Cecco, dem sie ihr Impressum als Werbefläche vermietet. spex-Chefredakteur Max Dax weiß, was Feuilleton bedeutet: die branchenübliche Hurerei als Husarenstück verkaufen. Das hört sich so an: »Wir wollen einen Diskurs darüber anregen, wie wahnsinnig hart es ist, Qualität sowie innere und äußere Unabhängigkeit im Journalismus zu garantieren.« Von einem »Diskurs« ist bevorzugt dann die Rede, wenn aus Muffensausen vor dem wirtschaftlichen Bankrott der geistige vorauseilend vollzogen wird. Das Ergebnis des spex-De Cecco-Ex-und-hopp-Diskurses steht so fest wie die Max-Dax-Definition von »innerer und äußerer Unabhängigkeit im Journalismus«:

Ein neues Kunststück kann der Pudel.

Er besingt jetzt auch die Nudel.

Auf diesen Hund hat kein Metzger die Sülze je gebracht. Das schafft die deutsche Medienöffentlichkeit ganz allein.

Auf sie mit Idyll

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