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Realität gestalten und erleben

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Unser Leben ist immer stärker von abstrakten, zum Teil rein virtuellen Vorgängen oder Tätigkeiten geprägt. In Zukunft noch stärker als heute schon. Künstliche Intelligenz wird uns in manchen Bereichen Analysen und Entscheidungen abnehmen oder sogar aufzwingen. Demnächst werden wir »autonom« Auto fahren. Das Entscheiden und die Verantwortung werden dem Computer übergeben.

Nur wenige Menschen haben das Glück, selbst entscheiden zu können, was sie wie wann tun wollen. Und das Produkt ihrer beruflichen Arbeit wird nicht mehr direkt erlebt. Positive oder negative Konsequenzen des eigenen Handelns sind oft nicht mehr für den Handelnden erkennbar. Der Tischler, der einen Schrank baut, sieht sofort die Konsequenzen jeder seiner Handbewegungen. Hingegen erlebt der Bankangestellte, der am Computer Buchungsstatistiken auswertet, in der Regel weder kurz-, noch mittel- oder langfristig die Auswirkungen seines Handelns. Das ist beim Segeln in der Tat anders.

Auf dem Segelboot ist das Verhältnis zwischen ausgeführter Tätigkeit und sich daraus ergebender Konsequenz, positiv wie negativ, in der Regel sehr direkt erlebbar: Die frühzeitig getroffene Entscheidung, beim Heraufziehen einer dunklen Wolkenwand am Horizont ein zweites Reff einzubinden, wird direkt belohnt mit angenehmerem Segeln im Starkwind. Was aber natürlich auch andersherum gilt: Der Skipper, der sich naiv optimistisch sagt »Es wird schon gutgehen!«, um so lange wie möglich das Geschwindigkeitspotenzial des Schiffes auszureizen, wird höchstwahrscheinlich von der Natur bestraft. Denn wenn erst einmal die ersten Regenböen mit 7 oder 8 Bft. ins Rigg einfallen und die bis dahin voll gefahrene Segelfläche unter Starkwindbedingungen reduziert werden muss, wird es in der Regel stressig. Nicht selten funktioniert dann die meist so hoch gelobte, mit allen Leinen ins Cockpit geführte Refftechnik plötzlich nicht mehr, weil irgendeine Leine in der fliegenden Gischt an einem Umlenkblock einen Kinken gebildet hat und somit ein Crewmitglied in der schweren See ohne Routine an Deck muss, um das Reff einbinden zu können. Hoffentlich hat er seinen Lifebelt eingepickt!


Reff 2 im Groß bei Starkwind auf hoher See.

Segeln bedeutet, die Situation selbst zu analysieren, die Handlungsmöglichkeiten selbst einzuschätzen, die der Situation angemessene Handlung selbst zu entscheiden, diese selbst auszuführen oder durch die Crew ausführen zu lassen und dann schließlich auch für die richtige oder falsche Entscheidung sehr schnell und direkt von der Natur und dem Bootsverhalten belohnt oder bestraft zu werden.

Wer segeln geht, will Realität erleben. Virtuelles haben wir an Land genug um uns herum …

Einfach segeln

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