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Am zweiten Weihnachtstage.

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Titus 3, 4–7.

4. Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unsers Heilandes: 5. Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit machte Er uns selig, durch das Bad der Wiedergeburt und Erneurung des heiligen Geistes; 6. Welchen Er ausgegoßen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland; 7. Auf daß wir durch desselbigen Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens, nach der Hoffnung.

Wenn uns die gestrige Epistel das Eigentumsvolk unsers Herrn Jesus Christus in der Arbeit der erziehenden Gnade Gottes zeigt, so setzt sie voraus, daß das Eigentumsvolk schon vorhanden, geboren und über die erste Strecke der unmündigen Kindheit hinaus sei, denn wer erzogen werden soll, dermuß erst leben, geboren sein und eine Arbeit der Erzieher annehmen und anwenden können. Wir sehen also nach dem gestrigen Texte um die Krippe her das Volk versammelt, das Jesu würdig ist, schon geboren und für die Erziehung des Herrn gereift. Es gibt kein würdigeres Volk, als das, welches in der Erziehung der himmlischen Gnade steht und mit heiliger Entschloßenheit der Führung der Gnade folgt. Die Menschen dieser Art sind die einzig mündigen auf Erden. Wer schon fertig sein will, schon erzogen, der gleicht dem frechen Jungen, welcher, ergriffen von der Jugendlust der Ungebundenheit, wider die Zucht des treuen Vaters ausschlägt und damit nur beweist, daß er sein eignes Heil nicht versteht. Je mehr die Erziehung vollendet ist, desto mehr Lust hat ein Mensch zu Ordnung und Gehorsam, desto lieber wird ihm die Unterordnung, desto woler befindet er sich bei Ausrichtung eines höhern Willens. Nun ist es offenbar ein schöner Weihnachtsgedanke, die Krippe des Herrn in Mitte eines heiligen, mündigen Volkes zu sehen. Ein nicht minder schöner Weihnachtsgedanke ist aber derjenige, welcher in der heutigen Epistel am meisten hervortritt, nemlich der Gedanke von der Geburt des Eigentumsvolkes durch die heilige Taufe. Der Menschwerdung des ewigen Gottes entspricht so schön die Neugeburt seines Volkes, durch welche wir Seiner eigenen heiligen Geburt teilhaftig werden. Wir sehen also heute die Krippe des Neugebornen mitten unter einem Volke, welches selbst neugeboren wird. Die Krippe wird zum Nachen, in welchem der Menschensohn liegt. Sie steht in einem großen Teiche Bethesda, zu welchem die Schaaren der erlösten Menschheit kommen, untertauchen und durch die Gnade des Neugebornen neue Menschen werden. Wenn sie zum Teiche herankommen, sind sie ganz andre Leute, als wenn sie deßen Waßer gebraucht haben, das zeigt der Text ganz deutlich. Der Apostel sagt ja im 3. Verse des dritten Kapitels an Titus, also unmittelbar vor der heutigen Epistel: „Wir waren auch weiland unweise, ungehorsam, irrige, dienend den Lüsten und mancherlei Wollüsten, und wandelten in Bosheit und Neid und haßeten uns unter einander.“ So sind die Menschen vorher, ehe die Gnade der Taufe über sie kommt, aber dann wird es anders. Denn St. Paulus fährt fort: „Da aber die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Heilandes erschien, rettete er uns nicht durch die Werke der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit, durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, welchen er ausgegoßen hat über uns reichlich, durch Jesum Christum unsern Heiland, auf daß wir, durch desselben Gnade gerecht geworden, nun auch Erben würden des ewigen Lebens nach der Hoffnung.“ Da sieh die mächtige Aenderung. Wie abscheulich ist das Volk der Menschen vorher, ehe sie getauft sind; aber wenn sie getauft sind, da sind sie gerecht geworden aus Gnaden und Erben des ewigen Lebens. Allerdings sind sie nicht gerecht geworden durch eine Aenderung, die aus ihrem eigenen Entschluß und Willen entstanden, nicht durch eine Anstrengung der Gerechtigkeit, die sie gethan hätten. Es gibt schon eine Beßerung, die aus dem Entschluß des Menschen hervorgeht; auch unter den Heiden kann man Aenderungen beobachten. Es gibt Trinker, welche durch eigne Anstrengung aufhörten zu trinken, Wollüstige, die von ihrer Wollust ließen, überhaupt eine heidnische Tapferkeit der Selbstüberwindung, die man oft zur Beschämung der Kinder der Gnade an’s Licht ziehen und vorstellen kann, eine menschliche Ehrbarkeit, welche schöner ist, als Morgen- und Abendstern. Wer das läugnen wollte, würde die Wahrheit sicherlich nicht auf seiner Seite haben. Aber so hoch man auch diese Aenderung aus natürlichen Kräften anschlagen wollte, sie ist doch nichts gründliches, auch nichts durchgreifendes, sondern ein armes Stückwerk, mit welchem sich Niemand zufrieden geben kann, der nicht blos auf der Oberfläche bleiben will. Welcher Mensch wäre jemals seiner Werke froh geworden? Mir scheint, es müße ein jeder ein Heuchler genannt werden und ein Lügner wider beßere Erkenntnis, der sich im Ernste und im Allgemeinen seiner eignen Werke rühmen kann. Nicht die sich rühmen, sind die heiligen Seelen, sondern die Heiligen sind allezeit mit sich selber unzufrieden. Je heißer die Bußthräne, desto heiliger das Herz, und je heiliger das Herz wird, desto heißer wird in der That die Thräne der Buße. Es mag Stunden geben, in denen der Mensch ohne Hochmut seiner in Gott vollbrachten Werke sich freuen kann, und wir bedürfen ja auch solcher Stunden, damit wir nicht in unserm Sündenjammer untergehen; aber wenn solche Stunden vom heiligen Geiste gewirkt sind, dann wechseln sie schnell mit andern Stunden,in welchen wir die große Unvollkommenheit und die tiefe Bosheit des alten Adams inne werden, und im Ganzen wird sicherlich der Satz wahr bleiben, daß ein richtiger Gradmeßer unsrer Heiligung unsre Sündenerkenntnis und unsre Reue sei. Es ist richtig, daß selig sind die Todten, die im Herrn sterben, und daß ihnen ihre Werke nachfolgen. Und wenn ich mir einen Sterbenden denke, der so recht völlig vom Geist der Wahrheit durchdrungen ist, so muß ich annehmen dürfen, daß ein solcher auch von einer Freude über seine wolvollbrachten Werke durchdrungen sein könne. Aber es wird mit dieser Freude gehen nach dem Spruch: „Freuet euch mit Zittern“, und das Bewußtsein wolvollbrachter Werke wird nichts desto weniger mit der tiefsten Buße und der schwuresgewissen Erkenntnis zusammengehen, daß einerseits unsre Werke nicht unser, andrerseits aber nur schwache Lichter vor dem unnahbaren Lichte der Gerechtigkeit Gottes, wenig und klein, unrein, befleckt und unvollkommen sind, und daß auch die größten Heiligen nur dann vor Gott als gerecht stehen können, wenn sie Gott aus Gnaden für gerecht hält, und ihnen eine Gerechtigkeit zurechnet, die sie selbst nicht haben. Und davon redet unser Text, das ist die große Aenderung, welche mit dem Volke, das aller Sünden voll ist, am Teiche Bethesda vorgeht. Die Sünder von Art werden gerecht aus Gnaden, nach Gottes heiligem und wunderbarem Schluß und Spruch. – Man könnte freilich sagen, das sei eigentlich gar keine Aenderung, es sei mehr eine Aenderung in Gott, als in dem Menschen selbst. Und doch ist diese doppelte Bemerkung unrichtig. Gott ändert sich nicht; was Er je und je für recht und unrecht gehalten, bleibt vor ihm ewig recht und unrecht. Aber Er hat eben in Christo Jesu und Seinen Leiden einen Weg gefunden, zugleich gerecht und gnädig zu sein. Dagegen aber ist allerdings in dem Menschen selber, der die Gerechtigkeit des Glaubens annehmen kann, eine gewaltige Aenderung vorgegangen. Nicht daß er nun etwa auf einmal durch eigene Kraft in einen Zustand und zu Werken gekommen wäre, durch welche er Gott und seiner Heiligkeit genug thäte; er ist auch nicht aus Gnaden zu einer eigenen Gerechtigkeit gekommen. Aber das muß ja gar nicht einmal der Fall sein, wenn eine Aenderung in ihm vorgegangen sein soll; es ist ja nicht blos das eine Aenderung, wenn der Mensch selbst geändert und eine eigne Gerechtigkeit gefunden hat. Da käme es auch nie zu einer Aenderung; denn der Mensch hat keine eigene Gerechtigkeit und wird niemals eine finden. Aber wer die von Gott zugerechnete Gerechtigkeit annehmen kann, der ist im Grunde seiner Seele ein andrer geworden, die verheißungsvollste, seligste Aenderung ist in ihm bereits vorgegangen. Obwol unvollkommen von sich selber nach wie vor und allein aus Gnaden gerecht und selig, ist er doch nun innerlich wahrhaftig geworden, und in der Wahrhaftigkeit demütig, und in der Demut gottesfürchtig, und durch die Gottesfurcht zu den Pforten aller Weisheit und Gerechtigkeit gekommen, denn die Furcht des Herrn ist der Weisheit und aller Tugend Anfang. Damit ist dann in der That schon alles anders, es wird zur rechtfertigenden Gnade Gottes die heilige und erziehende kommen, und das Werk des Herrn in einem solchen Herzen fortgehen. – Darum, meine lieben Brüder, bleibe nur immerzu die Bewunderung in uns, welche ich für die große Aenderung ausgesprochen habe, die in Bethesda hervorgebracht wird, und ich lade euch nach diesem langen Eingang ein, zur Feier der Geburt des Herrn mit mir den Hauptgedanken unsres Textes, nämlich das große Mittel unsrer Aenderung, die heilige Taufe, zu betrachten, durch welche Gott aus Sündern Kinder und Erben des ewigen Lebens schafft.

Wir sind alle getauft und bringen auch unsre Kinder, sobald sie geboren sind, zur Taufe. „Du bist alt genug zum Sterben,“ sagt ein Vater mit großer Beruhigung zu seinem Kindlein, wenn es getauft ist. Kaum geboren und in die Welt gekommen, darf es wieder dahin gehen und sterben, weil es getauft ist. Aber ehe es getauft ist, da zittert man ums schwache Leben, und sorgt bei dem lebensunfähigen, kranken, sterbenden Kinde weniger, daß es genese und leibliche Hilfe finde, als daß es getauft werde und ja nicht sterbe, ehe die paar Hände reinen Waßers unter dem Klang der heiligen Formel über den Leib gegoßen sind. Ja so begierig ist man, alle menschliche Creatur zu taufen, daß die römische Kirche und auch viele unter den Römischen lebenden Protestanten lieber die Kinder im Mutterleib künstlich taufen, als sie ungetauft in der Geburt sterben laßen. Sie wißen sehr wol den alten Spruch: „nicht kann wiedergeborenwerden, was nicht geboren ist,“ aber sie deuten ihn aufs mildeste, und nehmen für geboren, was in der Geburt steht und nur durch zufällige Dinge gehindert ist, aus Mutterleib zu treten. Es ist ihnen die Taufe zu wichtig, als daß sie nicht wo möglich jedem Kindlein angedient werden müßte. Auch bei dem gesunden Kinde schiebt der vorsichtige und weise Vater die Taufe nicht auf. Diesen Morgen ist es geboren, und siehe schon in der ersten Vesperstunde des Geburtstages tritt es seine Reise auf dem Arme des Pathen oder der Amme an. Sonst reist man bei schlechtem Wetter nicht, aber von dieser Reise hält billig kein Wetter ab, keine Kälte, kein Sturm, kein Fluß, kein Regenstrom, kein See: eingehüllt in feiernde Gewänder, geschützt nach Möglichkeit, im Vertrauen auf Gott und den Dienst Seiner heiligen Engel, schifft und fährt und trägt man das zarte Kind zum Hause Gottes, daß es getauft werde. Dabei freut sich das Herz des Vaters, der dem Zuge voranschreitet, und das Herz der Mutter, die daheim auf dem Lager liegt. Die Pathen gehen freudig betend und opfernd, das Glöcklein klingt, der Priester wartet auf den jungen Täufling unter der Pforte des Gotteshauses, ruft ihm ein freudiges: „Der Herr segne deinen Eingang und Ausgang“ zu, und vollzieht an ihm die heilige, von Gott befohlene, segensreiche Handlung. Dann trägt man jubilirend, milde Gaben spendend, der Mutter das Kind heim, das nun zum zweitenmale gefunden und geboren ist, und der heimkehrende Vater bekennt mit Dank und Lob zu Gott: Heute ist meinem Hause Heil widerfahren. Wahrlich, aus alle dem sollte man nun schließen, daß auch der Nachklang der Taufe nicht fehlen, und daß in dem weiteren Leben Gedächtnis, Lob und Preis der Taufe nicht verstummen werde. Aber welch’ ein Widerspruch! Wenn die Kirche keine Firmung, keine Erneuerung und Bestätigung des Taufbunds feierte und ihre heranwachsenden Kindlein nicht anleitete, öffentlich, feierlich vor der ganzen Gemeinde, das Werk der Pathen zu bestätigen, wenn sie nicht die Confirmanden anleitete, bei dieser Gelegenheit den Pathen Dank zu sagen, so würde damit vielleicht geradezu alles Gedächtnis der empfangenen Taufe bei dem Getauften vollends verlöschen, so gar wenig ist die Rede von Taufe und Segen der Taufe im spätern Leben.

Ja die Diener der Kirche selber, wie selten finden sie sich veranlaßt, und noch seltener innerlich getrieben, in ihren öffentlichen Vorträgen der Taufe zu gedenken. Ein Diener Christi in Amerika hat in den gedruckten Postillen der Kirche die Zeilen gezählt, in welchen der Taufe Erwähnung geschieht, und in der That, es ist eine Schande, wie selten und kurz auch in den besten Büchern der Taufe gedacht wird. Die Diener Christi scheinen es zu vergeßen, daß ihre Gemeinden getauft sind. Wie Heiden werden die Getauften angeredet, als hätten sie mit der Taufe gar nichts empfangen, als wäre die Taufe eine rein äußerliche Handlung, ein Abthun des Unflaths am Fleische. Sie sollen erst wiedergeboren werden, als ob man vergeßen hätte, oder selbst nicht glaubte, was doch die Kirche lehrt, daß ein Kind, welches bei der Taufe der Gnade nicht zu widerstehen vermag, durch die Taufe wiedergeboren wird. Auch weiß so selten ein Prediger die Gemeinden aufmerksam zu machen, daß sie vermöge der heiligen Taufe den Geist Gottes und Lebenskräfte bereits haben, die sie versäumen und veruntreuen, aber auch sich und andern zum Heile treulich anwenden können. Es wird nicht gepredigt, daß der Getaufte eine ganz andre Verantwortung habe, als der Ungetaufte, wenn er Böses thut, statt Gutes, nicht gesagt, daß er Gutes thun kann. Von der Ohnmacht der menschlichen Natur wird genug gepredigt, bis daß die getaufte Menge sich mit solcher Predigt entschuldigt. Statt deßen sollte es aber bei dem Getauften heißen: „ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus,“ und dem getauften Volke sollte oft und viel der Schatz gezeigt werden, der ihm in der Taufe beigelegt ist, der Himmel voll Seligkeit, welchen man darinnen besitzt, aber auch die unterste Hölle, in welche hinabstürzt, wer solchen Schatz verachtet. Damit nun nicht auch ich mit schuldig werde an solch schmählicher Vergeßenheit des heiligen Sakramentes, so stelle ich mich heute neben die Krippe unsers Herrn, den Finger auf dem Hauptsatz meines Textes, und will in Gottes Namen bei euch und von euch verbunden wißen das Andenken an die Geburt Christi und das an eure Taufe. Ich behaupte, daß aller Segen der Geburt des Herrn, ja alles Verdienst Seines Leidens und Sterbens samt aller Kraft Seiner Auferstehung in die Taufe niedergelegt ist, daß Christus für euch nicht mehr in der Krippe, sondern im Waßer der Taufe liegt, daß die Krippe leerist, aber die Taufe Seiner voll, und daß man mehr zur Taufe als zur Krippe einkehren muß, wenn man Den umfangen will, der für uns geboren, für uns gestorben ist, und für uns ewig lebt.

Damit jedoch nicht ich allein zu predigen scheine, sondern meine Worte die Kraft apostolischer Wahrheit bekommen, so behandle ich den Hauptsatz meines Textes wie einen Kranz von schönen Blumen oder von Juwelen, und hebe Euch nach einander eine schöne Blume, einen glänzenden Juwel, ein heiliges apostolisches Wort nach dem andern in die Höhe, und halt es euch vor die Augen und bring es vor eure Ohren, auf daß ihr merket, wie gar nicht allein ich oder meines Gleichen, oder nur die Kirche, sondern auch Gottes heilige Apostel Ruhmes und Preises voll sind von der Taufe.

„Er hat uns selig gemacht und gerettet,“ wodurch? Durch das Bad der Wiedergeburt und Erneurung im heiligen Geiste. Also durch ein Bad hat Er uns selig gemacht. Der sich nicht geschämt hat, unsre Menschheit persönlich anzuziehen und im Fleische uns zu erlösen, der schämt sich auch nicht, jene Creatur, welche schon am ersten Tage der Schöpfung die Welt umwallte, das Waßer, zu einem Mittel unsrer Seligkeit zu machen, und wie man das Waßer braucht, den Leib zu reinigen, so verordnet er uns dasselbe zu einem Seelenbade, ja zu einem Bade des ganzen Menschen. Der Hindu wäscht sich im Leben und Sterben mit seinen Waßern und glaubt sich in Zeit und Ewigkeit Heil dadurch zu schaffen; der arme Träumer! Was helfen seine Waßer und seine selbst erwählten Waschungen? Sein Thun ist wie eine arme Ahnung, oder wie eine schwache Erinnerung ohne Klarheit, seine Hochschätzung des Waßers ist nichts. Dagegen aber wir haben Ursach, den Gott zu preisen, der die Waßer erschaffen hat, der ihnen erquickende und heilende Kraft für den durstigen, müden, kranken Leib verliehen, und ihnen in Seinem Sakramente auch eine ewige Kraft vermählt hat, die Seelen selig zu machen. Des Waßers höchster Preis ist, zur Taufe zu dienen. Darum umwallt es mit solcher Kraft und solchem Stolz die Welt, wird eine brausende Sintfluth aller derer, welche wie Kains Kinder, die Sünde für mächtiger halten als die Gnade, aber ein rettendes Element für alle, die auf Gnade hoffen. O zerstörendes Element, wenn es dem Zorne Gottes dient, aber auch, o gnadenreiches Waßer des Lebens, o Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, o durchgeistetes, heiliges, wundervolles Waßer, wenn es sich Dem zu Füßen legt und dienet, der uns taufen will!

Sind es nicht große, schöne Worte, wenn M. Luther im Katechismus das Waßerbad der Taufe ein gnadenreiches Waßer, wenn es St. Paulus ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geiste nennt, wenn es andre der alten Zeit ein durchgeistetes Waßer nennen? Gewis prachtvolle Ausdrücke, aber weder übertrieben noch übertreibend. Das Werk lobt den Meister, und nach der Wirkung beurteilt man die Ursache richtig. Es gibt eine fleischliche Geburt, aber was nützt sie? Was hilft es geboren zu sein, wenn das Leben, in das hinein wir geboren sind, ein sündiges, verlorenes und von Gott verfluchtes ist? Und so ist doch unser irdisches, fleischliches, zeitliches Leben! Es muß eine Aenderung mit uns vorgehen, wenn wir hoffen, wenn wir hier zufrieden und dort selig werden sollen, – eine Aenderung, die wieder austilgt, was in uns hineingeboren ist von Adam her, eine Umänderung des ganzen Wesens, die sich auf alle unsre Fähigkeiten und alle unsre Kräfte ausdehnt, – eine Wiedergeburt, eine Erneuerung, die uns wieder in den Stand zurückbringt, den wir von Ur an hatten, und wenn auch nicht den goldnen Zustand der Unschuld, doch einen noch höheren und beßeren, nemlich den der völlig überwundenen, versöhnten und durch Gerechtigkeit erstatteten Schuld herstellt. Und das eben ist Ziel und Wirkung des Waßerbades, der Taufe. Wenn ein Kind zur Taufe getragen wird, so sieht das Auge vor und nach der Handlung dieselbe Creatur; keine Aenderung erscheint; vielleicht ruft der Waßerstrom, wie es oft der Fall ist, ein Misbehagen in dem kleinen Wesen hervor und ein unliebenswürdiges, häßliches Gebahren, so daß das Gegenteil der gewünschten Umänderung und ersehnten Neugeburt in’s Auge tritt. Missionare haben erzählt, daß getaufte Kinder anders sterben, als ungetaufte. Aber wie ganz ähnlich allen Ungetauften verhält sich jedenfalls im Leben ein getauftes Kind. Daher hat man auch gesagt, es müße zur Taufe eine christliche heilige Erziehung kommen, die erziehende Gnade müße den Schatz heben, welcher durch die Taufe in das Kind gelegt worden sei. Ebendamit hat man aber doch ausgesprochen, daß ein Schatz vorhanden sein müße, auch wenn er nicht gehoben wird, daß die Taufe ihr Werk verrichte auf alle Fälle und in allen Fällen, in welchen nicht der Unglaube und Unwille des Täuflings den Geist Gottes an seiner Wirkung hindert. Diese Wirkung selbst aber, so wenig sie erscheine und in die Sinne trete, ist eben jene Wiedergeburt und Erneuerung, von welcher St. Paulus redet. Sie ist nicht etwa ein Glaubensartikel in dem Sinn, in welchem der Unglaube von Glaubensartikeln spricht. Der nennt Artikel des Glaubens alles, was er nicht glaubt und für wahr hält, was auf der puren Meinung und Einbildung des Gläubigen beruht. Sie ist etwas wahres und wesenhaftes, eine wirkliche Erneuerung, vor Gott wahr und gewis, folgen- und wirkungsreich für Zeit und Ewigkeit, nur der sinnlichen Wahrnehmung entzogen, ein Schatz, den uns Gott verbürgt, den uns alle Teufel beneiden, aber die ganze Hölle nicht entwenden kann, wenn wir nicht wollen. Wenn die unsichtbaren Dinge das Gesetz ihres Daseins verändern und sichtbar erscheinen würden, so würden wir unter der Taufe, die wahrhaftige und wesentliche Veränderung vorgehen sehen, sehen, wie unsrem gesammten Wesen ein unaustilgbarer Charakter und Stempel aufgeprägt wird. Es gehen viele Getaufte trotz ihrer Taufe und Wiedergeburt verloren, mancher Judas erbt statt ewiger Herrlichkeit eine ewige unglückselige Schmach, aber auch die Flammen der tiefsten Hölle werden keinem Getauften das Zeichen und die Wurzel austilgen, welche er in seiner Taufe vom Herrn in der Absicht eines ewigen Glückes bekam. Es wird aus der Taufe der verdammten Seele und dereinst ihrem gleichverdammten Leibe besonderes, unaussprechliches Weh entstehen, und in diesem Weh sich noch offenbaren, welch eine wesentliche Veränderung in dem Menschen die Taufe hervorbringt. Und im Gegenteil wird es sich in der Seligkeit und Herrlichkeit aller Erlösten offenbaren, wie groß die Wirkung der Taufe ist. Dort wird man das Gewächs unsres Lebens von der Krone bis zur Wurzel überschauen können, und alle Seligkeit und Heiligkeit und Herrlichkeit wird im Zusammenhang mit unsrer Taufe erscheinen. Unser ganzer neuer Mensch, alles unser neues Leben wird als eine Wiedergeburt erscheinen, zu welcher sich der geheimnisvolle Anfang in der Taufe verhalten wird, wie die unmündige, unentwickelte Kindheit zur Vollkommenheit des Mannesalters, und wie der Quell zum Strome. Es ist dies Leben der Wiedergeburt und Erneuerung etwas übernatürliches, ein Ersatz aller Wunder und selbst das größte Wunder, nicht ein zweites Ich, aber in dem einen, das wir haben, ein neues Element und eine mächtige Arznei, welche aus Gnaden wiederherstellt, geistlich und ewig, herrlicher und schöner, was wir im Anfang der Creatur durch des Schöpfers Macht besaßen, nemlich Gottes heiliges Bild. Wie eine jede Gabe geweckt werden kann, so kann auch die größte aller Gaben, die Wirkung der Taufe, die Wiedergeburt, erweckt werden, erzogen werden, an’s Licht treten und so auch gesehen werden. Wer es versteht in der Erziehung anderer oder seiner selbst an die Taufe anzuknüpfen, durch Erkenntnis und gläubige Ergreifung ihre Waßer in die wüsten Felder unsers Lebens zu leiten, der kann sich, noch ehe er in das Land des Schauens kommt, die sichere Ueberzeugung verschaffen, daß die Taufgnade, und die Veränderung, die sie in uns wirkt, kein bloßer Name, sondern etwas wesenhaftes, ja ein Anfang aller unser Glaubens- und Lebens-Gerechtigkeit und unsrer Heiligung sei. „Es waren einmal auch wir unverständige, ungehorsame irrende Sklaven der Begierden und mannigfaltigen Lüste, hinlebend in Bosheit und Neid, voll Grimm und gegenseitigen Haßes,“ sagt St. Paulus: aber als „die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unseres Heilandes erschien, da errettete Er uns, nach Seiner Erbarmung, durch das Bad der Wiedergeburt, und Erneuerung im heiligen Geiste, auf daß wir gerechtfertigt durch Seine Gnade auch Erben würden des ewigen Lebens nach der Hoffnung.“ Gewaltige Veränderung, geheimnisvoll und doch wahrhaftig und folgenreich, erstaunenswerth für uns selber, die wir sie besitzen, eingehüllt in das Dunkel des gewöhnlichen Daseins, endlich aber so mächtig ausschlagend, daß sie uns auch zu Erben des ewigen Lebens macht.

Wir haben dem Waßerbade eine außerordentliche Wirkung zugeschrieben, und uns bemüht, diese Wirkung so viel als möglich in’s Licht zu stellen, wie uns dazu der heilige Paulus die Anleitung gibt. Durch den Gegensatz des Waßers und der Wirkung kann eine desto größere Verwunderung in dem Geistedes Betrachtenden entstehen. Es pflegt die Ursache der Wirkung ähnlich zu sein, die Wirkung aber die Natur der Ursache an sich zu tragen. Hier aber ist eine Ursache, welche eine ganz unglaubliche Wirkung hervorbringt, und eine Wirkung, welche der Ursache unähnlich ist. Wie kommt das Waßer dazu, eine Wiedergeburt und Erneuerung des Menschen zu bewirken, und was hat die selige Veränderung, welche Gott in uns zu unserm ewigen Heile wirkt, für eine Aehnlichkeit mit Waßer? Ohne Zweifel keine, du müßtest denn von der Aehnlichkeit des Sinnbilds reden, während ich von Aehnlichkeit des Wesens spreche, und die bedeutungsvolle Wahl des Elementes beim Sakrament der Wiedergeburt preisen wollen. Gieng ich jetzt und an dieser Stelle auf deinen Sinn ein, und hätte ich hier von der Wahl des Elementes, von der Trefflichkeit des Sumboles zu reden; so würde ich ganz wie Du sprechen und reden, und mich mit Dir zum Preise des Herrn vereinen, der so groß ist in Seinen Thaten und so weise in Seinen Wegen zum Ziele. Aber in meinem Sinn, und am Faden meines Textes muß ich freilich sprechen mit Luther: „Waßer thuts freilich nicht,“ – nein, solche Wirkungen kann das Waßer nicht wirken. Da muß sich mit dem Waßer etwas anders vereinen, das Waßer muß Träger einer höhern Ursache werden, und mit dem irdischen Elemente vereinigt muß ein ganz anderes Element des Lebens den Menschen überfluthen, welcher durchs Waßerbad neu geboren werden soll. Und so ist es auch. Der heilige Paulus nennt die Taufe ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes und deutet schon durch diesen Ausdruck die allmächtige Ursache an, die sich mit der Creatur des Waßers zu der großen Wirkung verbindet. Wenn das Waßer bereit ist, und der Täufer den Täufling in dasselbe senket, eingedenk des Wortes und Befehles Gottes, unter gläubiger und gehorsamer Wiederholung desselben, dann vereinigt sich durchs Wort mit dem Waßer der Geist, und die ewigen Kräfte desselbigen überfluthen mit dem Waßer den Menschen, wie auch St. Paulus sagt: „die Taufe sei ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, den Gott reichlich über uns ausgegoßen habe, durch Jesum Christum unsern Heiland.“ Er muß der Meinung sein, daß die Ausgießung des Geistes mit dem Waßer unter der Taufe erfolge, sonst würde er die Ausgießung des Geistes nicht in so engen Zusammenhang mit der Taufe setzen, sonst würde er auch nicht im engen Anschluß an das Symbol der Waßertaufe sagen: Der Geist werde reichlich über uns ausgegoßen, wie man Waßer reichlich gießet. So ziehen denn also die Kräfte des heiligen Geistes und der Geist Gottes selber die Waßer an wie ein Kleid, und der wunderbare allmächtige Herr wirkt sakramentlich im Elemente und durch dasselbe.

Es geht also auch hier wieder, wie im göttlichen Haushalte so oft, zugleich menschlich und göttlich her. Gott verbindet sich mit geschaffnen Mitteln, und eilt auf dem Wege der Schöpfung zu den großen Werken unsrer Erlösung und Heiligung. Damit wird nun allerdings ebensowol die große Wirkung des Sakramentes glaublich gemacht, wie die Herrlichkeit des Sakramentes selber erhoben wird. Nun erscheint die Taufe nicht allein mehr im Glanze ihrer Wirkung, sondern auch in der Glorie ihres Ursächers. Wenn der Täufer das Waßer nimmt, und es über den Täufling gießet, dann sieht der Glaube den Himmel offen, den Geist und seine Kräfte herniederfahren, und dasjenige in der Kraft vollführen, was sichtbar durch das Waßertaufen angedeutet wird. Der Haushalter und Mitarbeiter des heiligen Geistes verschwindet vor der eigentlichen Gegenwart seines Herrn. Und je mehr sich das Auge aus unserm Texte Licht holt, desto mehr sieht es. Es sieht da nicht blos die Gegenwart des heiligen Geistes, sondern es verklärt sich die Taufe zu einer Handlung der allerheiligsten Dreieinigkeit. Oder kann man sich deßen wehren? Sieh den Text genau an, ob es nicht also sei? St. Paulus sagt offenbar, Gott hat den heiligen Geist reichlich über uns ausgegoßen, durch Jesum Christum unsern Heiland, also ist der Vater der Anfänger, der Sohn der Vermittler, und der Geist der Vollender des großen Werkes unsrer Taufe. Der Dreieinige ist der Täufer, und die Taufe selber, unsre Wiedergeburt, ein Werk desselben großen Gottes, der uns auch erschaffen hat.

Es könnte, meine lieben Brüder, scheinen, als hätte ich mich bei der ganzen Darstellung unsrer Taufe absichtlich der Gedankenfolge des vierten Hauptstückes des kleinen Katechismus Luthers anbequemt; allein das war meine Absicht keineswegs. Im Gegenteil,ich freute mich der Bemerkung, wie ganz ungesucht sich die Verwandtschaft der Gedankenfolge unsres Textes, und der des lutherischen Katechismus, also die Schriftmäßigkeit des letzteren herausstellt. So ist es, die Kirche ist ganz Ohr, wenn Christus und Seine Apostel reden, und verbreitet unter ihre Kinder nichts anders, als was sie von ihrem ewigen Bräutigam empfangen hat. Der göttliche Ton der heiligen Apostel und das menschliche Bekenntnis der Kirche sollen zusammenstimmen und stimmen auch zusammen, wie man aus diesem Texte sieht.

Bei sothaner Eintracht Christi und Seiner Braut, wäre es nun, meine lieben Brüder, nur unbegreiflich, wenn nicht auch eure Herzen mit einstimmten in den Ruhm und Preis der Taufe, ihrer seligen Wirkungen und ihres großen Urhebers, – unbegreiflich, wenn ihr eure Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens nicht beugen, nicht groß achten, ehren und segnen wolltet dies Waßerbad, das Gott unser Herr nach den Worten Seiner heiligen Apostel so groß achtet, so hoch ehret und so reichlich segnet. Mir ist es, meine lieben Brüder, bei diesem Texte und bei dieser Betrachtung, wie wenn ich Jesum sähe, unsern Erlöser, wie Er den Geist aussendet zur Taufe, nach des Vaters Willen, und wenn Er von Seinem hohen Throne, vor meinen Augen dies durchgeistete, urkräftige Element Seines himmlischen Bades über die Völker ausgöße. Die Taufe und Wiedergeburt der Völker erscheint mir als ein Ziel Seiner eignen Geburt, und wenn ich Seiner eignen Taufe gedenke, so leugne ich zwar nicht im mindesten, daß auch Ihm damit etwas geschehen ist, daß auch Seine heilige Menschheit durch die Taufe gesalbt ist mit Freudenöle, mehr denn Seine Genoßen; aber es scheint mir auch, als würde durch Seine Taufe die Taufe selbst getauft und gesalbt, der Jordan und alle Waßer, wie die Alten sagten, zur seligen Sintfluth eingeweiht. Er wird getauft, Er tauft, Er läßt taufen unter allen Völkern, und dies Werk und Geschäft darf nicht aufhören, Waßer und Geist nicht mangeln, bis daß Er kommt, bis daß der letzte Jude und Heide, und das letzt geborne Kindlein selig geworden ist durch dies allmächtige Waßer. So seh ich meinen Herrn und Heiland immer als Täufer, wie seinen Engel Johannes. Die Taufe wird mir zu einem Zweck Seines Lebens, Seines Sterbens, Seiner Auferstehung, Seiner Himmelfahrt, also ohne Zweifel auch Seiner Menschwerdung, und mir berührt sich das Fest Seiner Geburt und die Freude meiner Wiedergeburt ganz nahe, denn Seine Geburt bringt meine Wiedergeburt. „Dieser ists, der da kommt, mit Waßer und Blut, nicht mit Waßer allein, sondern mit Waßer und Blut,“ mit dem Waßer der Taufe, und mit dem Blute des heiligen Abendmals. Gelobet sei der da kommt mit dem Waßer und Blut im Namen des Herrn, der in zweien Sakramenten alle seine Gnaden bringt. Ich küße ihm die kleinen Hände für die doppelte Gabe und bete an den Knaben, der auf dem Wege der stillen Sakramentsverwaltung uns allen die Kräfte der zukünftigen Welt und das ewige Leben zuführt. Euch aber, meine Brüder und Schwestern, mahne ich zum Schluß, daß ihr die Taufe achtet und jeden Getauften liebet, und ehe sein Tag verronnen nicht leicht das Urteil fället, seine Taufe habe ihm nichts genützt, auch keinen Gottlosen tröstet, seine Taufe werde ihm nicht schaden. Ja die Taufe ist glühendes Feuer aufs Haupt, das entweder die Natur verklärt, oder mit ewigem Feuer verbrennt: zu jenem helfe, vor diesem bewahre uns unser lieber Herr Gott in Gnaden, um Jesu Christi willen. Amen.

Die Winterpostille

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