Читать книгу Die Winterpostille - Wilhelm Löhe - Страница 13
Am Sonntage nach dem Beschneidungsfeste des Herrn.
Оглавление1 Petri 4, 12–19.
12. Ihr Lieben, laßet euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden (die euch widerfährt, daß ihr versuchet werdet), als widerführe euch etwas Seltsames; 13. Sondern freuet euch, daß ihr mit Christo leidet, auf daß ihr auch, zu der Zeit der Offenbarung Seiner Herrlichkeit, Freude und Wonne haben möget, 14. Selig seid ihr, wenn ihr geschmähet werdet über dem Namen Christi; denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruhet auf euch. Bei ihnen ist er verlästert, aber bei euch ist er gepriesen. 15. Niemand aber unter euch leide als ein Mörder, oder Dieb, oder Uebelthäter, oder der in ein fremdes Amt greift. 16. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, er ehre aber Gott in solchem Fall. 17. Denn es ist Zeit, daß anfange das Gericht an dem Hause Gottes. So aber zuerst an uns, was will es für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelio Gottes nicht glauben? 18. Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? 19. Darum, welche da leiden nach Gottes Willen, die sollen Ihm ihre Seelen befehlen, als dem treuen Schöpfer, in guten Werken.
Bei den vier letzten Episteln, meine lieben Brüder, hatte es der Prediger, wenn er nämlich übersichtlich predigen wollte, nicht sehr leicht. Jede Epistel war eine kleine Bibel und umfaßte den ganzen HeilsrathGottes. So groß die Fülle von Gedanken war, welche jeder einzelne Text darbot, konnte man doch bei keinem einzigen lange verweilen; obwol es lange Predigten gab, mußte doch jeder einzelne Teil mit einer gewissen Selbstbeherrschung und Selbstverläugnung des Predigers behandelt werden. Der heutige Text ist anders. Obwol auch er eine große Fülle der Gedanken in sich birgt, so sind sie doch alle zumal von einerlei Art und erledigen nur einen Hauptgedanken, nemlich den, wie ein Christ in dieser Welt leiden müße. Und obgleich die wunderbare und unnachahmliche männliche Fülle des Ausdrucks, welche die Briefe des heiligen Petrus kennzeichnet, dem betrachtenden Geiste Anlaß zu den mannigfaltigsten Ausdehnungen und Gestaltungen der dargelegten Hauptgedanken gibt, so liegt doch auch wieder so viel Maß in der Rede des heiligen Apostels, daß auch der Prediger es leichter findet, Maß zu halten. Darum hoffte ich, liebe Brüder, euch heute mit wenigerem zu genügen, und ohne euch allzulange aufzuhalten, die hohen apostolischen Worte lieb zu machen, wenn nicht der Hauptgedanke des Textes meine Seele besonders ergriffen hätte. Doch laßt uns zur Betrachtung kommen.
Vorher jedoch, meine Brüder, laßt mich Weniges über die heutigen Texte und ihren Zusammenhang bemerken. Die Wahl der Texte ist im ganzen Jahre vortrefflich, und wer sie auch in frühern oder spätern Zeiten getadelt hat, beßeres hat er doch nicht geliefert, auch Luther nicht, der so manchmal in seinen Postillen die Textwahl tadelt. Die Wahl der Lectionen des Kirchenjahres könnte ein großes Kunstwerk genannt werden, wenn sie nämlich das Werk einzelner uns bekannter Männer wäre. Das sind sie nun aber gerade nicht. Daher kann man sie eher einem wundervollen Gewächse vergleichen, welches nach göttlicher Vorsehung zum Heile und zur Freude vieler aus dem Boden der Kirche hervorgewachsen ist. Doch ist dies Gewächs nicht in allen seinen Teilen gleich vollkommen. Der vollkommenste Teil umfaßt die Lectionen der Fastenzeit und Osterzeit. Weniger vollkommen ist die Weihnachtszeit gerathen. So liest man z. B. am 6. Januar eines jeden Jahres die herrliche Geschichte von dem Besuche der Weisen aus Morgenland bei dem neugebornen König der Juden, am Sonntag nach Neujahr aber, der notwendig vor dem 6. Januar kommen muß, liest man die Geschichte von der Flucht Jesu nach Egyptenland und dem bethlehemitischen Kindermord, welche doch erst nach dem Besuche der Weisen eintreten konnte. Man greift also damit nicht ganz paßend voraus, und das, meine lieben Brüder, möchte allerdings eine Art von Tadel für unsre Textwahl sein. Allein in einer andern Rücksicht hat man gleich wieder alle Ursache, die Weisheit zu bewundern, welche sich bei der Textwahl so oft ausspricht. Im Evangelium sieht man nämlich den neugebornen Jesus auf der Flucht und die Kinder von Bethlehem in Todesleiden um Christi willen. Eng anschließend redet die Epistel von der Gemeinschaft der Leiden Jesu und vom Verhalten des Christen in seinem Leiden um des Glaubens willen. Wie schön paßt da die apostolische Lehre zur heiligen Geschichte. Man kann bei allem, was die Epistel an die Hand gibt, an den Inhalt des Evangeliums denken, und die kleinen Kinder von Bethlehem, diese Blüten der großen Wolke von Blutzeugen des Herrn Jesus, können mit ihren Todesschmerzen hinwiederum reichlich dazu beitragen, daß uns die Worte Petri desto tiefer in die Seele gehen. So vergeßt also, meine lieben Brüder, das Evangelium nicht, wenn ich euch nun den Inhalt der Epistel vorlege. Der Herr aber verleihe, daß ihr durchs Wort des Apostels gespeist, getränkt und erquickt von hinnen geht.
Von dem Leiden des Christen handelt unser Text. Da laßt uns nun zuerst aus seinen eignen Worten entnehmen und lernen, was für Leiden das seien; dann wollen wir uns unterrichten laßen, wie man diese Leiden anzusehen, und endlich wie man sie zu tragen habe. Werden wir diese drei Stücke erkannt haben, so werden wir wol auch die drei Hauptstücke des Textes verstehen, die ja nichts andres enthalten, als Antwort auf die genannten Fragen.
„Niemand leide, sagt der Apostel im 15. Vers, als ein Mörder oder Dieb oder Uebelthäter oder der in ein fremd Amt greift.“ Die Leiden also, welche man zur Strafe der genannten und andrer schwerer Sünden zu tragen hat, sind nicht die Leiden des Christen, und von ihnen kann weder in unserm Texte, noch sonst die Rede sein. Die Strafen der Sünden können durch die Bekehrung des Sünders auch geheiligt werden und eine andre Natur annehmen, wieuns das häufig gelehrt worden ist. Dennoch aber wird von ihnen in unsrem Texte völlig abgesehen und ist von keinerlei Folgen unsrer besondern Sünden die Rede. Wir werden dabei, um nicht diesen Teil unsers Textes allzu schnell zu verlaßen, den Finger vor allen andern auf ein Wort legen dürfen, welches wir hier in der Gesellschaft von gewissen Wörtern finden, in der wir wenigstens nicht gewohnt sind, es zu suchen; ich meine das Wort des heiligen Petrus, welches Martin Luther in Ermangelung eines einzigen paßenden Ausdrucks in mehreren Worten gibt und es übersetzt: „der in ein fremd Amt greift.“ Im Griechischen steht der Ausdruck allotrioepiskopos, Bischof in fremdem Gebiete, und es ist damit der Uebermuth und Fürwitz derjenigen bezeichnet, die nicht zufrieden sind, ihren Platz auszufüllen und ihres Amtes zu warten, sondern jedermann meistern, überall reden und eingreifen und aller Orten und Enden die Geschäftigen und Thätigen sein wollen. So wie kein Bischof oder Pfarrer Bischof und Pfarrer im fremden Sprengel ist und in demselben ohne Beruf des rechtmäßigen von Gott bestellten Hirten auch nicht das geringste Amtsgeschäft vollziehen darf; so hat überhaupt ein jeder Mensch den Beruf des andern zu achten, im eignen Berufe Meisterschaft zu beweisen, in fremde Händel und Geschäfte sich nicht zu mischen. Hält er seine Grenzen nicht ein, tritt er in ein fremdes Arbeitsfeld, maßt er sich eines Andern Gewalt und Vollmacht an, so muß er sich’s gefallen laßen, nach Inhalt des 15. Verses in unserm Texte mit dem Uebelthäter, Dieb und Mörder in eine Reihe zu treten, wie diese angesehen und behandelt zu werden und mit ihnen Strafe zu leiden. Dazu wird er nicht bloß das Leid und die Strafe sich gefallen laßen müßen, sondern Stellen, wie die unsrige, müßen auch sein Gewißen überzeugen, daß ihm nicht zu viel geschieht, wenn man ihn mit den schwersten Leiden belegt; es geschieht ihm damit nur sein Recht und er hat Buße zu thun mit den Mördern und Dieben und Uebelthätern. Möglich daß der, der in ein fremdes Amt greift, an und für sich nichts Böses thut, sondern Nützliches und Gutes; dennoch aber wird alles Gute und Nützliche zu lauter Uebelthat, Diebstahl und Mord, so wie man damit in fremde Befugnis eingreift. Amt und Beruf gehören zum Eigentum des Menschen, welches vom siebenten Gebot umhegt und umschirmt ist. Je geistiger dies Eigentum ist, desto mehr muß es geschont und geachtet werden, desto leichter vergreift man sich dran, desto ernster muß der Uebergriff geahndet und gestraft werden, desto ungerechter ist der Verdruß über die Strafe, desto nötiger Buße in Sack und Asche. Es kann keinen unleidlicheren und widerwärtigeren Menschen geben, keinen übermüthigern und unmännlichern, als der über fremde Grenzen greift! und es wäre deshalb ganz gut, wenn man sich den Ausdruck allotrioepiskopos, für den es keine kurze deutsche Uebersetzung gibt, schön merken und sich an ihn erinnern würde, so oft man in sich die Reizung spürt, in fremdes Amt zu greifen.
Verzeiht mir, lieben Brüder, die längere, doch hoffentlich nicht unnütze Abschweifung und erinnert euch, daß ich im Allgemeinen nichts sagen wollte, als was der Text auch sagt, daß man die Strafen schwerer Sünden nicht unter die Leiden der Christen rechnen könne, weil ein Christ nicht in schweren Sünden lebt. – Im 16. Vers unsres Textes sagt der Apostel: „Leidet ein Mensch als ein Christ, so schäme er sich nicht,“ und im 14. Vers heißt es: „Selig seid ihr, wenn ihr geschmähet werdet über dem Namen Christi“. Mit diesen Worten sind die wahren Christenleiden bezeichnet. Zum Verständnis derselben muß ich euch an einiges erinnern, was einem bei der deutschen Uebersetzung M. Luthers nicht alsbald einfällt. Im 26. Vers des elften Kapitels der Apostelgeschichte wird uns von der gesegneten Arbeit des heiligen Paulus und Barnabas in der großen syrischen Stadt Antiochia erzählt, wie da die beiden großen Lehrer viele Heiden an sich und zu Christo gezogen hätten, und wie man dort zuerst die Jünger mit dem Namen Christianer belegt habe, d. h. mit dem Namen Anhänger Christi. Dieser Name „Christianer“ bekam bald eine weitere Verbreitung, wie denn z. B. in dem 26. Kapitel der Apostlg. Vers 28 der König Herodes Agrippa zu Paulo sagt: „Es fehlt nicht viel, so überredest du mich, ein Christianer zu werden“, ein Anhänger Christi zu werden. Ganz denselben Ausdruck braucht St. Petrus in unserm Texte, wo es eigentlich heißt: „Leidet er als Christianer, so schäme er sich nicht.“ Dieser Name der Jünger „Christianer“ ist keineswegs ein und derselbe mit dem Namen, den wir heutzutage gewöhnlich brauchen, mit dem Namen Christ. Der Unterschied hat sich zwar verwischt, weil wir Deutschenüberhaupt den Namen Christianer gar nicht brauchen, aber nichts desto weniger besteht er. Der Name „Christ“ ist wesentlich derselbe mit Christus, heißt nichts anders als ein Gesalbter, und indem man uns Christen nennt, will man nichts anders sagen, als daß auch wir mit dem Geiste Christi gesalbt seien. Der Name „Christianer“ aber hat wie andre Namen, die sich mit den beiden Silben „aner“ schließen, etwas Misfälliges, Geringschätzendes und Tadelndes an sich und ist seiner Entstehung nach nichts anders, als ein Schimpfname, so wie denn z. B. auch der Name Lutheraner eigentlich nichts anders als ein Schimpfname ist. Die Leute, welche sich in Antiochien zu Barnaba und Paulo schlugen, gefielen den andern nicht, und wenn sie von diesen als Christianer bezeichnet wurden, so sollte damit nichts anderes ausgedrückt werden, als der Unmut der Heiden über die Absonderung der Gemeinde Christi und über eine Anhängerschaft Christi. Dem Christus sollte ihrer Meinung nach niemand anhangen; je mehr und entschiedener es aber dennoch geschah, desto unwilliger wurde die Heidenschaft und desto mehr fühlte sie sich zu Aeußerungen und Thaten des Haßes angetrieben, welche für die Christianer selbst zu großen und schweren Leiden wurden. Unsre Textesstelle allein schon ist hinlänglich und man braucht gar nicht auf so viele andre Stellen des neuen Testamentes hinzudeuten, um zu beweisen, daß es schon in den apostolischen Zeiten bei den Heiden ein strafwürdiges Verbrechen war, ein Christianer zu sein. Wenn St. Petrus sagt: „Leidet jemand als ein Christianer, der schäme sich nicht,“ so heißt das nichts anders, als: „wird einer bloß deshalb, weil er ein Anhänger Christi ist, wie ein Mörder, Dieb oder Uebelthäter behandelt, so laße er in seinen Leiden nicht die Ansicht der Ungläubigen auf sich übergehen, als hätte er wirklich ein Verbrechen oder irgend etwas begangen, deßen er sich schämen müßte.“ Aus dem bisher Gesagten erhellt es, welche Leiden man für Christenleiden zu nehmen hat und von welchen in unsrer Epistel die Rede ist. Der Text spricht nur von Leiden, die man um deswillen von der Welt zu tragen und zu dulden hat, daß man ein Anhänger Jesu Christi ist. Diese Leiden können an und für sich selber verschieden sein. Sie können in Schimpf und Schmähung bestehen, wie denn der Apostel im 14. Verse davon redet, daß man „über dem Namen Christi“ geschmäht wurde, d. h. daß der Name Christi durch die Abwandelung in das Schimpfwort „Christianer“ oder auf eine andre Weise zu einem Schimpfwort gemacht wurde. Auch Schimpfworte sind Leiden, welche ein Apostel Petrus für erwähnenswerth finden kann, ja welche Christus selbst Matth. 5, 11 der Seligpreisung für würdig achtet. Es kann sich aber der Haß der Ungläubigen noch zu stärkeren Aeußerungen erheben, als zu bloßen Worten, man kann um des Christentums willen verfolgt, verjagt, wie Mörder und Diebe und Uebelthäter behandelt, ja ärger als diese mishandelt und aus dem Leben gejagt werden, wie das Christus vielfach geweißagt hatte, die Apostel bereits in eigene Erfahrung brachten, die zehn großen, blutigen Verfolgungen unter den römischen Kaisern beweisen, und deren auch andre Beweise in verschiedenen Gegenden und zu verschiedenen ältern und neuern Zeiten nicht mangeln. Da gibt es dann die Leiden der heiligen Bekenner und Märtyrer.
In unsern Gegenden ist die christliche Kirche die herrschende, und es sollte freilich um des Namens Christi willen bei uns weder Schmähung noch Verfolgung geben. Dennoch wißt ihr alle, daß auch unter uns diejenigen, die gottselig, d. h. christlich leben wollen, geschmäht werden und Verfolgung leiden müßen. Es gibt eben in diesen sogenannten christlichen Kirchen so wenige wahre, gesalbte Christen, daß es auffällt, wenn da oder dort einmal ein Mensch im Ernste seines Glaubens lebt. Dagegen sind die meisten sogenannten Christen bei uns nur Namenchristen, die es hoch übel nehmen, wenn jemand es wagt, aus dem Christentum mehr Ernst zu machen als sie. Sie geben und geberden sich als die Kirche, wir aber sind unter ihnen eine rechtlose Sekte, der sie alle Tage den Abschied bieten und ihr, wenn sie nicht bald guten Rath annimmt und selbst geht, den Weg in die Einsamkeit und in die Wüsteneien weisen werden, wohin sie gehören. Einstweilen schilt man uns mit allerlei Namen, die euch bekannt sind, von denen mir kein einziger beßer gefällt, als wenn wir schimpfweise „Heilige Gottes“ genannt werden. Vielleicht über eine kleine Weile wird’s anders, der Abfall bereitet sich immer mehr, Jahr für Jahr reift die Welt mehr der Zeit entgegen, wo der größte aller Siege des Heidentums unter dem Antichristus eintreten wird, unddann wird es mehr als in den Tagen der römischen Kaiser zu leiden geben, und die Wolke der Blutzeugen Jesu wird groß werden. Da wird Christus eine kleine Weile flüchten gehen, wie nach Egypten, dann aber auch über die größten Siege des Heidentums und der Menschenvergötterung seine größten Siege feiern. Daher wollen wir aus unsrem Texte lernen, wie man die Leiden der Christen ansehen und tragen soll, damit wir’s verstehen und können, wenn die Zeit kommt. Auch wollen wir die kleinen Leiden, die schon da sind, treulich zur Uebung benutzen und den Herrn bitten, daß Er uns an ihnen zu Seinem heiligen Martyrium und für die Krone der Ueberwinder reifen laße.
Wenn unser Herr Jesus Christus uns die Regel gibt, daß wir uns allezeit gegen andre so verhalten sollen, wie wir wünschen müßen, daß sie sich im gleichen Falle gegen uns verhalten möchten; so darf man sicher annehmen, daß diese Regel auch bei Ihm selber, dem Vorbild aller Menschenkinder, die vollkommenste Anwendung fand. Er hat sich, darin sind wir alle einig, von der Krippe bis zum Grabe, gegen die Menschen so liebreich und erbarmungsvoll benommen, daß man zwar nicht sagen kann, die Menschen hätten sich ebenso gegen Ihn verhalten sollen, denn wie hätten sie das auch nur anfangen sollen, aber wol, die Menschen hätten Ihm nach ihrem kleinen Maße die unaussprechliche Liebe und Barmherzigkeit mit dankbarer Liebe und Anbetung bezahlen sollen. Nicht immer ist ein Verstandesschluß auch ein Schluß und eine Regel für’s Verhalten, aber in dem Fall ist es gewis so, und ein jeder wird den Schluß als Forderung anerkennen. Wenn nun aber anstatt deßen Christus schon als Säugling flüchtig werden muß, eben weil Er ist, der Er ist, und Ihm in Seinem ganzen Leben und in Seinem Sterben, und im Stande Seiner Herrlichkeit von den Menschen das Gegenteil widerfährt; so ist das für einen jeden, der es überlegt, etwas Unerwartetes, etwas Befremdendes, was Verwunderung und tiefe Trauer erwecken kann. Ebenso wenn die Jünger Christi, die Sein Geist allenthalben zur Wiedergeburt und zum Leben bringt, durch ihr Beispiel und durch ihre guten Werke, Segen und Wolthat für die Menschen werden, unter welchen sie leben, Freunde und Feinde mit jener Liebe umfaßen, die allein Gottes Geist erwecken kann; so macht man auch den Schluß und zieht die Regel, daß ihnen ihre Nachbarn und Freunde und Zeitgenoßen die Liebe mit Liebe vergelten sollen, und wenn es nicht geschieht, so muß man es befremdlich und seltsam finden. Und zwar wird das in dem Maße mehr der Fall sein, je schlechterer Dank ihnen bezahlt wird, und wenn ihnen für ihr Beispiel und ihre treue Liebe nicht blos überhaupt Leiden, sondern feurige Leiden und eine Hitze des Jammers und der Verfolgung zu Teil wird, wie es ja der Fall gewesen ist und die Millionen von Märtyrern beweisen; so muß das Befremden den höchsten Grad erreichen, es kann sich zum Unmut und zum gerechten Zorne steigern. Auch das ist so ein Schluß der menschlichen Vernunft, wie es ihrer viele gibt, richtig für den oder jenen Standpunkt, falsch aber in den Augen und nach der Lehre des Apostels Petrus. „Lieben Brüder“, sagt dieser, „laßt euch die Hitze, die euch begegnet, nicht befremden, als widerführe euch etwas Seltsames.“ Freilich, was Christo begegnet ist, das muß nicht mehr befremdlich scheinen, wenn es auch den Seinen begegnet. Ist es bei Ihm hoch befremdlich, bei uns kann es nicht mehr befremdlich sein. Wenn man Ihn mit Undank bezahlt, Ihm für Seine Freuden Schmerzen, für Seine Speise bittern Mangel, für Seine Liebe Haß, und für das Leben, welches Er mitgeteilt hat, den bittern Tod reicht; so können wir Unvollkommnen, die wir auch in all unsre Tugend und guten Werke den Wermutssaft eines bösen Herzens einmengen, gewis für uns nichts anders erwarten. Das Gegenteil wäre befremdlich, wenn uns die Welt anders zahlte, als unserm Herrn. Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, was sollen sie so armen Hausgenoßen thun, wie wir sind. Wer nicht Sein Kreuz auf sich nimmt und dem großen Kreuzträger nachfolgt, der kann Sein Jünger nicht sein. Das ist eben die erste Lehre des heiligen Petrus über die Art und Weise, wie wir die Leiden des Christen anzusehen haben: Nicht befremden, nicht befremden mehr darf uns die Hitze, die uns begegnet, seitdem sie auch dem Herrn begegnet ist. Umgekehrt also, wenn hie und da manche Christen die Kunst verstehen und üben, mit abgesagten Feinden des Christentums und entschiedenen Weltlingen gut auszukommen, wol gar in Freundschaft zu leben, so ist das eine Sache, die gerechtes Mistrauen erregenmuß! Da muß eine Verleugnung Christi sein, wo man, ich will nicht sagen, auf eine kurze Zeit, sondern auf die Dauer, auf längere Zeit der Welt Freund sein, ihren Haß und das Kreuz vermeiden kann. Was Christus nicht konnte, sollst du auch nicht können, und wenn Er, das helle Licht Gottes, nicht ohne Schatten leuchten kann, so mußt du’s auch nicht können, oder du bist Sein Nachfolger nicht. Hoch befremdlich und großes Mistrauen erregend muß immer das Gegenteil sein, während ein flammender Haß der Welt und ihrer Kinder ein Zeichen sein kann, daß ein frommes Kind Gottes zugegen ist.
Für befremdlich also darf ein Christ den Haß der Welt und die Hitze der Leiden nicht halten, das lehrt St. Petrus. Für was soll man sie dann aber halten? Antwort: „Für Versuchung und Prüfung.“ „Die Hitze widerfährt euch,“ sagt St. Petrus Vers 12, „daß ihr versucht werdet.“ Wer bei eintretenden Verfolgungen und Leiden um des Namens Christi willen zunächst auf die Verfolger sieht, und ihr Thun befremdlich findet, ist schon nicht wachsam, sieht schon mehr nach außen als nach innen, mehr auf andre als auf sich selbst, mehr auf Menschenhände als auf Gotteshände. Nicht ob die Menschen recht an dir handeln, wenn sie dich verfolgen, muß deine erste Frage sein, sondern wozu Gott die Verfolgung zuläßt, was Er damit für eine Absicht hat. Diese letztere Frage aber beantwortet hier St. Petrus: Verfolgung der Menschen ist für dich Prüfung, Versuchung. Das Christentum verschafft so viele und große innere Klarheit und eine solche Ruhe der Seelen, dazu auch eine solche Gewisheit und Sicherheit des ewigen Lebens, daß am Ende ein jeder leicht Christ sein und bleiben könnte, wenn der Herr auch seine Feinde in der Welt mit ihm zufrieden machte und ihm ein angenehmes Loos in der Zeit bereitete. So geht es nun aber nicht, sondern wer ein Christ sein will, der muß in die Hitze, in’s Feuer, in die Probe, in den Haß und die Verfolgung der Welt hinein. Da wird sich’s dann bald zeigen, was für eine Stufe der Mensch errungen hat, ob ihm sein Glaube und seine Liebe zu Christo theurer und angenehmer ist, als das irdische Guthaben, und ob er begriffen hat, was man den Leuten schon bei der Taufe predigt, nemlich, daß der Mensch ganz unvermeidlich in einen Kampf geht, wenn er Christ wird, und es mit dem Teufel und der Welt, seiner Braut, aufnehmen muß, wenn er Gottes und Seines Christus werden will. Da gilt es nun eben die Prüfung, und es fragt sich dann, ob Gold da ist. Ist Gold da, so wird es geläutert und herrlicher aus der Hitze hervorgehn; ist etwas anderes da, so wird es sich zeigen. Das ist also die zweite Lehre St. Petri, ein Christ muß die Verfolgung als Prüfung ansehen.
Es gibt aber allerdings noch eine höhere Ansicht von der Verfolgung. Nicht blos in unsrer Textesstelle Vers 13 heißt es wörtlich: „ihr nehmet Teil an den Leiden Christi“, sondern auch an andern Orten der heiligen Schrift werden die Leiden, welche die Christen um Christi willen in der Welt zu dulden haben, wie ein Ueberrest der Leiden Jesu dargestellt. So fragt Er ja selbst die beiden Zebedäiden, ob sie von Seinem Leidenskelche trinken könnten, und St. Paulus bedient sich Col. 1, 24. einmal des verwunderlichen Ausdrucks, daß er mit seinem Leiden „an seinem Fleische erstatte, was noch mangele an Trübsalen Christi für seinen Leib, welcher ist die Gemeine.“ Es wird damit allerdings nicht gesagt, daß die Zebedäiden von dem Kelche Christi in derselben Absicht trinken sollten, wie der Herr, oder daß St. Paulus das Verdienst Jesu Christi vollständig machen solle und könne. Zweck und Absicht der Leiden ist verschieden, aber leiden muß in dieser Welt alles, was zu Christo gehört, das Haupt und ebenso die Glieder, die ersten wie die letzten. Und so gewis als die Welt ist und bleibt, was sie je und je gewesen, nemlich die entschiedenste Feindin Gottes, und Seines Christus und Seiner Kirche, so gewis müßen die Glieder Christi untereinander und mit Ihm selber in einer Gemeinschaft der Leiden stehen, da gibt es keine Ausnahme. Es steht wol geschrieben, wenn jemandes Wege dem Herrn wolgefallen, so mache er auch seine Feinde mit ihm zufrieden; aber damit soll nicht gesagt sein, daß der Teufel und seine Welt irgend einmal mit Christo und Seinen Gliedern zufrieden werden, und der Gegensatz und Kampf aufhören könne, der zwischen ihnen ist; so wenig das Haupt ausgenommen ist, so wenig die Glieder. Deine persönlichen Feinde können wol einmal durch dein Wolverhalten überwunden werden, daß sie nicht mehr deine Feinde seien, aber dein Wolverhaltenwird noch viel weniger als das vollkommene Wolverhalten Christi die Welt zufrieden machen. Laß dein Licht leuchten, daß die Leute deine guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen, wundre dich aber nicht, wenn das Gegenteil geschieht; denn es gibt mancherlei Leute, die einen preisen Gott über das Wolverhalten ihrer Brüder, was aber ein rechtes Kind der Welt und des Teufels ist, das wird durch Gutes nur zum Bösen entflammt. – Da haben wir also nun die dritte Lehre St. Petri über die richtige Ansicht von den Leiden der Verfolgungen, wir sollen sie für eine Gemeinschaft der Leiden Christi halten. Aber noch immer höher steigt der Apostel. Nicht befremdlich sind die Leiden, Prüfung sind sie, Gemeinschaft der Leiden Jesu, und was noch? Eine Ursache der Freude hier und größerer Freuden dort. Denn so sagt der Apostel Vers 13: „In dem Maße, in welchem ihr an den Leiden Christi teilnehmet, freuet euch, damit ihr auch in der Offenbarung Seiner Herrlichkeit euch mit Hüpfen und Springen freuen könnet.“ Eine wunderliche Lehre. Da reimen sich also Leiden und Freuden, und zwar der Sache nach beßer als nach dem Wortlaut. Sie scheinen sich zu widersprechen und sich gegenseitig aufzuheben: Freude hebt Leid, Leid hebt Freud, eine unversöhnliche Feindschaft wie zwischen Waßer und Feuer scheint zwischen Leid und Freud, aber es scheint nur so. Schon die gewöhnlichen Leiden, welche ein Christ mit allen Menschen gemein hat, Guten und Bösen, bekommen durch die Einflüsse des heiligen Geistes tief im Herzen einen Beigeschmack der Freuden, über den man sich verwundern muß. Wie viele Heilige Gottes rühmen es, daß ihnen die Tage großer Schmerzen und Krankheiten die seligste Rückerinnerung bieten und sich, nachdem sie verstoßen sind, ihrem Geiste schier wie ein entrücktes Paradies darstellen. In einem noch viel höheren Maße findet man dies bei der Gemeinschaft der Leiden Jesu, bei Verfolgungsleiden. Christi Leiden gehen für sich, sie sind unergründlich tiefe Meere; ich kann mich in sie nicht schicken, nicht denken, nicht vertiefen, ich darf es kaum, und weiß drum auch nicht, ob ich nur wagen darf, die Erfahrung Seiner Heiligen auf Ihn anzuwenden und zu sagen: Auch in Seinen Leiden gab es verborgene Freuden. Aber bei unsrer Gemeinschaft Seiner Leiden ist es so. Schlag’ die Apostelgeschichte auf und lies, wie sich die Apostel freuten, wenn sie würdig erfunden wurden um des Namens Jesu willen Schmach und Streiche zu leiden. Denk an das Angesicht des Erzmärtyrers Stephanus, welches engelgleich wurde, da seine Leiden am heißesten entbrannten, an dies engelgleiche Ansehn, das doch sicherlich nicht blos von außen aufgetragen, sondern ein Wiederschein des Mutes und Freudengeistes im Innern war. Lies die Leidensgeschichten der Märtyrer späterer Zeiten, und du wirst überrascht werden, wie oft sie selbst sagen, und die Augenzeugen es versichern, daß sie mitten im Leiden voller Freude gewesen seien, und feurige Qualen vor dem Ueberschwange der Gnade des heiligen Geistes nicht spürten. Da hieß es, wie St. Petrus schreibt: „Nach dem Maße, in welchem ihr Gemeinschaft habt mit den Leiden Christi, freuet euch.“ Der Apostel befiehlt die Freude, weil er weiß, daß sie einem jeden gegeben wird, der sie nicht von sich stößt. Und eben damit, daß er so wunderbar befiehlt und im Befehle verheißt, gibt er uns die Anleitung, Verfolgungsleiden für Freuden zu halten, eine Anweisung, die sich aus vielen Stellen des neuen Testamentes erweitern und vervollständigen könnte. Man soll sie aber auch für eine Freudensaat der Ewigkeit halten: „Freuet euch, spricht er ja, damit ihr euch auch in der Offenbarung Seiner Herrlichkeit mit Hüpfen und Springen freuen könnet.“ Wenn die Leiden des Bekenntnisses und Martyriums lasten und drücken, dann pflegt der Leib von ihnen überwogen, gebunden, niedergeworfen zu sein, auch wenn die Seele innerlich voll Freuden, und das Gefühl der leiblichen Leiden dadurch innerlich überwogen ist. Wenn aber die Leidensgeschichte bis zum: „Es ist vollbracht“ gekommen, das blutige Opfer der Heiligen gebracht, der Leib dem Lämmlein ähnlich geworden ist, das für uns geschlachtet, dann hoffen die Seelen der Zeugen unter dem großen Altar des Himmels auf den Tag der Offenbarung Jesu und Seiner Herrlichkeit. Da wird Er sie auferwecken in der ersten Auferstehung, und Er wird mit ihnen, den vielen tausend Heiligen kommen. Sie werden vor Ihm hüpfen und springen mit Freuden, wie im Reigentanz die Jungfrauen jenseits des rothen Meeres; so werden sie vor dem Herrn hergehen und die goldeneErnte der blutigen Leidenssaat halten. Aus dem Jauchzen jenes Erntetages heißt uns St. Petrus die Ansicht der hiesigen Verfolgungsleiden nehmen.
Noch steigert sich aber der Gedankengang des heiligen Petrus, aus dem wir seine Lehre von dem Leiden der Christen entnehmen. War es schon ein gewaltiger Aufschwung des Gedankens, die Leiden als die Ursache großer Freuden hier und dort zu bezeichnen, so erhebt sich St. Petrus nun noch höher, wenn er im 14. Verse die, welche im Namen Jesu geschmäht werden, geradezu selig preist. „Selig seid ihr, wenn ihr im Namen Jesu geschmähet werdet.“ so ruft der Apostel, und bezeichnet also das Leiden im Namen Jesu geradezu als das herrlichste Loos, welches der Mensch nur finden kann. Und in der That, wenn einem Redner das Thema gestellt würde: „Selig zu preisen sind die, welche um des Namens Jesu willen leiden,“ so würde es ihm an Gedanken nicht fehlen können, den Satz zu begründen und gegen alle Einwendungen zu vertheidigen. Doch würde er nicht auf diejenige Begründung kommen, die wir aus der Feder des heiligen Apostels in unserm Texte lesen, weil diese Begründung rein auf der göttlichen Offenbarung und der seligen Erfahrung leidender Christen beruht, die menschliche Vernunft aber, selbst die geheiligte, auf sie hin keinen Schluß zu machen weiß. „Selig seid ihr,“ sagt St. Petrus, „denn der Geist, der da ist ein Geist der Herrlichkeit und Gottes, läßt sich auf euch zur Ruhe nieder; bei denen, die euch schmähen im Namen Jesu, wird er gelästert, eurethalben aber wird er gepriesen.“ Warum also werden die Geschmähten selig gepriesen? Weil sich der Geist Gottes auf sie zur Ruhe niederläßt, also in ihnen selber große Ruhe und Erquickung wirkt, und allen denen den Himmel aufthut und seine Freuden, welchen die verfolgende Welt auf Erden Raum und Dasein nicht mehr gönnt. Indem die Verfolger die Christen um deswillen schmähen, daß sie Anhänger Jesu Christi geworden sind, also die beste Wendung ihres Lebens wie Verbrechen, Schmach und Schande behandeln, lästern sie den heiligen Geist, welcher selbst diese Wendung bewirkt hat, schelten und schmähen die Wirkung Deßen, der kein Uebel thut, sondern alles wol macht. Indem hingegen während der Schmähungen der Welt Ruhe, Friede und Erquickung des heiligen Geistes in die Herzen der Heiligen herniederkommt und sie nun auch gar nicht sorgen was sie reden, wie sie sich vertheidigen und benehmen sollen, weil ihres Vaters Geist nach der Verheißung Christi in ihnen wirkt und redet, wird der Geist Gottes hoch gepriesen und sein Dasein und Thun unter den Heiligen selbst verherrlicht. Damit ist allerdings des Apostels Wort von dem seligen Glück der Leiden gerechtfertigt und die Beispiele dazu sind in der Geschichte der christlichen Kirche Legion, von dem Erzmärtyrer Stephanus an bis herunter zum Märtyrer der allerletzten Zeit. Warlich, da blühen unter den Dornen die Rosen, und in der eisigen Kälte der Lieblosigkeit dieser Welt ein Paradies, von dem die Welt weder etwas weiß noch erfahren kann! Und wenn nun der Apostel zu dieser Stufenleiter, die wir aus seinem Worte entnommen haben, weiter nichts hinzu thäte, so könnte man fast traurig darüber werden, daß wir so selten berufen werden auf dieser Stufenleiter etliche Sproßen zu ersteigen, daß der Haß der Welt so thatlos ist und der Geist Gottes so wenig Ursache hat, sich in unsre Herzen zur Erquickung niederzulaßen. Es ist kein Wunder, wenn die alten Christen nach dem Martyrium hungerten und dürsteten, da ihnen die Freuden und Seligkeiten desselben durch der Apostel Mund und Hand so groß und schön vor Aug’ und Ohr gemalt waren.
Doch eröffnet der Apostel auch noch einen andern Blick in die Leiden der Christen, einen Blick, der zwar genau genommen auch Freudenpforten öffnet, der aber doch auch Mühe hat, durch die Nacht der Leiden sich zu dem Lichte der freudigen Pforten hindurch zu ringen. Denn er sagt im 17. Vers: „Die Zeit ist da, daß das Gericht vom Hause Gottes den Anfang und Ausgangspunkt nehme.“ Also hebt die Gnade, in welcher die Kinder Gottes wandeln, das Gericht über ihre Sünden nicht auf, und es geht im neuen Testament wie im alten, die Sünde wird vergeben und doch geahndet. David wird von der Barmherzigkeit Gottes mit Gnade und Frieden überschüttet, er ist nach großen Sünden wieder der Mann nachdem Herzen Gottes; aber das Schwert bleibt doch über ihm und über seinem Hause, Absaloms Aufruhr und seiner Frauen Schande kommt nichts desto weniger doch. So mit allen Heiligen Gottes. Der Herr ist mit ihnen, Er prüft sie durch Leiden, gibt ihnen mitten in den Leiden selige Freuden hier und die Anwartschaftauf ewige Himmelsfreuden. Der Geist der Herrlichkeit und Gottes ruht auf ihnen und wirkt in ihnen, ihr Leidensloos ist selig und herrlich. Und doch werden sie durch einen apostolischen Lehrer angewiesen, in ihren Leiden auch ein Gericht zu sehen. Das ist ein wunderbarer Gott, der so das Süße mit dem Bitteren, und die Strafe mit der Barmherzigkeit mengen und den Seinen wol und wehe thun kann zugleich, der die Folgen der Sünde walten läßt, und nur Haß und Fluch von ihnen nimmt, Seinen Geist uns trösten läßt und zugleich uns strafen. Welcher Heilige Gottes hätte das nicht schon an sich selber zu hundert Malen erfahren? Wie oft kommen über uns Leiden, kleine und große; sie triefen von Gnade und Barmherzigkeit, sie scheinen vielleicht völlig unverschuldet, etwa gar rein um des Namens Jesu willen auferlegt: da weckt in stiller Stunde der Geist Gottes die Erinnrung an längst vergeßne Sünden, und ein rother Faden des Zusammenhangs streckt sich von ihnen herunter bis zu unsern Jammerstunden. Unverkennbar tritt der Zusammenhang in’s Licht, und tief hinein ins Herz spricht eine Stimme: „Es ist deiner Bosheit Schuld; daß du so gestäupet wirst, und deines Ungehorsams, daß du so geschlagen wirst;“ da ist dann zur Barmherzigkeit Gericht und Gerechtigkeit gekommen. Da kann einem Paulus in den letzten Augenblicken, während der Henker das Schwert über seinem Haupt schwingt, der Herr aber Selbst ihm die Märtyrerkrone darreicht, einfallen, daß er das an Stephano und den Heiligen, die er verfolgt hat, verdient habe, was ihm nun der Henker als ein langsamer Bote der göttlichen Gerechtigkeit bringt. Und dem Petrus, da er an’s Kreuz geschlagen wird, kann tief in die Seele das Andenken an die Nacht dringen, in welcher er den Gekreuzigten mit Flüchen und Schwüren verleugnete. Und wenn da allenfalls noch ein richtender Strahl aus dem Auge des verklärten Heilandes und ein Tropfen Seines bittern Gefühles fällt, das Er selbst, der Herr, über die Untreue der Seinen zu schmecken bekam, so kann es ernste Augenblicke und, wenn das Leben langt, auch Stunden und schwere Anfechtungen geben, so daß der Geist der Herrlichkeit und Gottes viel zu arbeiten bekommt und mächtig durch diese Wolken dringen muß, um Licht und Klarheit und Frieden zu bringen. Ja, meine Brüder, das ist eine ernste Sache, wenn der Herr Seinen Leidenden in’s Bewußtsein bringt, daß in ihren Leiden Sein Gericht ist. Dennoch aber ist die Offenbarung, die uns Gott durch Petrum gibt, des größten Dankes werth. Unser Gericht wird ja doch diesseits des Grabes verlegt, und wenn wir durch Sein mäßiges Feuer hindurchgegangen sind, so finden wir jenseits nichts als Gnade und Barmherzigkeit, und die ewige Ruhe in den Wunden Jesu thut uns desto woler. So ist es. „Es ist Zeit,“ sagt der Apostel, „daß das Gericht seinen Anfang beim Hause Gottes nehme.“ Also fällt unser Gericht noch in die Zeit, ist vorübergehend und vergänglich, und wenn wir kaum daraus errettet werden, wenn es hart hergeht, so kommen wir doch hindurch und werden doch fertig, und ist doch alles miteinander nur eine Ahndung, nicht eine Vergeltung nach Verdienst, während der Fortschritt des göttlichen Gerichtes etwas ganz andres ist. In unsren Leiden ist doch nicht blos Bewußtsein unsrer Strafe, sondern auch Gemeinschaft der Leiden Christi, und Freude und Seligkeit, eine Freude und Seligkeit, die uns zuweilen um so mächtiger durchdringen muß, weil wir mit vergänglichem Gericht gerichtet werden, weil unsre Noth ein Ende nimmt, und die herrlichste Wendung bevorsteht. Es kann nicht ohne hohe Befriedigung abgehen, wenn man mitten in der Qual weiß, daß sie ein Ende nimmt, und alle Traurigkeit in Freude verwandelt wird. Was wills hingegen, wie St. Petrus sagt, „für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelio Gottes nicht glauben? Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der gottlose Sünder erscheinen,“ wie soll der hartnäckige Götzendiener, wie der Sklave seiner Leidenschaften und Lüste im Gericht bestehen? Denen gegenüber, die ein ewiges Gericht erfaßen wird, ist das Gericht unsrer zeitlichen Leiden so leidlich, so klein, und überdies durch die Gnade Gottes so glorreich und von so seligem Wechsel gefolgt.
Hier, meine lieben Brüder, stehe ich stille, die ganze Ansicht von den Leiden der Christen um ihres Christus willen, so weit sie St. Petrus in unserm Texte lehret, habe ich euch vorgelegt, und gemahnt von der verrinnenden Zeit, eile ich, euch noch die beiden Punkte vorzulegen, welche St. Petrus rücksichtlich unsers Verhaltens in dem Leiden um Jesu Christi willen vorträgt. Es sind nur zwei Punkte, wenn nicht etwa Jemand unter euch in dem Aufrufzur Freude, welchen der 13. Vers enthält, auch eine Anweisung zum Benehmen finden will. Doch kann man allerdings dagegen sagen, die Freude sei nicht immer eine verantwortliche Sache bei den Christen, sie könne nicht wol zu einem Gebote gemacht, vielmehr müße sie als Gabe erkannt werden. Der Aufruf zur Freude erwecke die in uns ruhende Gabe der Freuden, und man könnte sich allerdings versündigen, wenn man die Mahnung und den Drang zur Freude träg an sich vorübergehen laße; ob man es denn aber selber in seiner Hand habe, den Freudenquell fließen zu laßen und dem Aufruf zur Freude zu folgen, wenn innerlich keine göttliche Hand das Freudenbrünnlein entsiegelt? Ganz ohne Grund wird diese Rede nicht sein und man spürt es, wenn man sich als Probe die Frage aufwirft, ob die Freude eine Pflicht sei? Man möchte gerne antworten: ja, man kann aber nicht ohne weiteres, während man unbedenklich die beiden Punkte, von denen wir noch zu reden haben, als pflichtmäßiges Benehmen der Leidenden Gottes faßen kann.
Im 16. Vers sagt St. Petrus: „Leidet Jemand als ein Anhänger Christi, so schäme er sich nicht, sondern er preise Gott in diesem Stücke.“ Da habt ihr die erste Weisung zum Benehmen des leidenden Christen: sich nicht schämen, Gott in diesem Stücke preisen. Nichts ist gewöhnlicher als die Scham, wenn man um Christi willen wie ein Verbrecher behandelt wird. Man kann dahin kommen, daß man sich nicht blos innerlich von Gott gerichtet fühlt, sondern sich auch die Frage aufwirft: ob die Ungläubigen nicht Recht haben, uns so zu behandeln. Gieng es doch dem heiligen Petrus im Vorhof des Hohenpriesters gerade so. Oder ist es etwas andres, als die Verwirrung der falschen Scham, was ihn zur Verleugnung hinriß. Stand doch Christus in der Nähe mit der Hoheit und Majestät seiner Unschuld, und nicht einmal die persönliche Gegenwart des Herrn bewirkte, daß Petri doch sicher liebevolles Herz der Versuchung widerstehen und treu verbleiben konnte? Da fiel der Held durch falsche Scham. Ebenso gieng es demselben Helden zu Antiochien bei der Geschichte, von welcher St. Paulus im Galaterbriefe erzählt. Petrus gerieth beim Eintritt der Judenchristen von Jerusalem in die Verwirrung der falschen Scham, dazu auch Barnabas und die andern, die es beßer wußten, und so fielen sie in die Sünde dahin, in die Sünde der Verleugnung und Weltförmigkeit. Vor dieser falschen Scham hüte sich jeder Christ. Du schämst dich, in friedlicher Umgebung der Kinder der Welt den Namen Jesu anzurufen, ja du erröthest, wenn dich jemand betend trifft, obgleich doch das Gebet, wenn du, ohne es zu wollen, darinnen erfunden wirst, nicht Schamröthe, sondern ein sprühendes Auge der Freudigkeit und die Majestät eines Moses geben sollte, die er hatte, wenn er aus der Hütte kam. Schämst du dich aber des Guten und deines höchsten Glückes, so sieh zu, wie du den Befehl des Apostels, sich nicht zu schämen, wirst befolgen können, wenn es einmal gilt, um des Namens Jesu willen Schmach und Streiche zu leiden. Es ist eine verbotene Sache um diese falsche Scham, und eine Schmach für den Gekreuzigten, wenn sich die Seinen der Gemeinschaft Seiner Leiden schämen. Nicht Scham gehört auf die Wangen, sondern Gottes Preis, Lobgesang und Dankpsalm auf die Zunge des leidenden Christen. Wenn die Freude kein so großer Gegensatz ist der Leiden, daß sie sich nicht bei dem leidenden Christen einfinden könnte, wenn Leiden um des Namens Jesu willen ein Gegenstand der Glückwünsche und Seligpreisung Christi und Seiner Apostel ist, und sich Glückseligkeit und Leiden nicht widersprechen, so ist auch Leiden und Lobpreisung kein Widerspruch, kein Wiederspruch des Gedankens und der Erfahrung. Die Apostel freuen sich, daß sie gewürdigt werden, um des Namens Jesu willen Strafe und Streiche zu leiden. Paulus und Silas loben um Mitternacht im Kerker den Herrn so voller Freuden, daß die Pforten springen. Aehnlich kann mans von andern spätern Bekennern und Märtyrern lesen. – Ihr leset, meine Brüder, keine Leidensgeschichten der Märtyrer und Bekenner der alten Zeiten. Weil es Legenden und Lügenden gibt, mit Luther zu reden, dünkt euch alles Lügende, und es scheint euch der Gewinn viel zu gering, den ihr haben könntet, wenn ihr beim Lesen das leicht erkennbare Falsche von dem Wahren scheiden und dieses genießen würdet. Ich versichere euch aber, daß nach der heiligen Schrift kaum etwas eine so mächtige, erbauliche Kraft, und ich möchte sagen Gewalt, auf die Seele ausübt, wie die echten Leidensgeschichten der Märtyrer und insonderheit der wunderbare Gehorsam, welchen sie dem apostolischen Gebote,„in den Leiden Gott zu preisen,“ leisten. Geht hin und erfahret und sehet, ob ich irre, und holt die weitere Deutung dieses ersten Wortes Petri vom Verhalten des Menschen in Christi Leiden sammt Mut und Nachfolge aus der Geschichte der Kirche und ihrer Helden.
Die zweite und letzte Mahnung St. Petri zum rechten Verhalten findet ihr im 19. Vers des Textes: „Welche da leiden nach Gottes Willen, die sollen Ihm ihre Seelen befehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken.“ Ein großes Wort, in welchem der ganze Ernst des heiligen Martyriums ausgesprochen liegt. Man soll dem treuen Schöpfer die Seelen befehlen, diese Worte sehen nicht so aus, als hätte der Apostel nur Schmähungen und andre kleine Leiden im Sinne gehabt, da er hinschrieb: „die da leiden nach Gottes Willen.“ Wenn man dem Herrn die Seele befiehlt oder befehlen soll, da spürt man nicht blos die Seele in Gefahr, da wittert man Todesnähe, da verzeiht man sich des Lebens, da müßen also die Leiden groß und schwer sein, und es muß also in den Tagen, in welchen St. Petrus diesen Brief geschrieben, bereits oft genug Noth an den Mann gegangen sein und der Haß der Heiden schon oft genug Blut vergoßen haben. Da war’s also bereits allenthalben wie dort vor Jerusalem am Tage Stephani. Der that, was hier steht, er befahl die Seele in Gottes Hand; er that, wie Jesus Christus am Kreuze selbst gethan hat. Gott preisend soll man ins Todesthal steigen um Jesu willen und die Seele Gotte übergeben. Und zwar setzt St. Petrus nach der unnachahmlichen Schönheit seiner Sprache dazu: man solle die Seele Gott übergeben als dem treuen Schöpfer. Hast du je ein schöneres Beiwort bei dem Hauptwort Schöpfer stehen sehen, als das Beiwort „treu“? Wir sprechen gewöhnlich: Ich glaube an Gott Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden; da lehrt nun aber St. Petrus die Leidenden, die Sterbenden um Jesu willen sprechen: „Ich glaube an Gott Vater, den treuen Schöpfer meiner Seelen.“ Wahrlich inniger und süßer kann in die Seele deßen, der nun sein Leben zu verlieren scheint, nichts klingen, als die Erinnerung an den treuen Schöpfer, der die Seele in den Leib gegeben hat, der sie nun wieder nimmt, der sie gewis nicht verderbt, noch verderben läßt, dem man sie ohne Wanken vertrauen darf; Sein ist sie, Sein sei sie, Sein bleibe sie, bis Er sie mit dem neuen Leibe zusammenfüget zu einem göttlichen, unsterblichen Leben. Wahrlich, das ist die schönste Beschreibung des Benehmens leidender und sterbender Märtyrer: Gottes Preis im Munde und in der ausgereckten sterbenden Hand als Opfer die edle Seele, die Dem nun wieder gegeben wird, der sie geschaffen hat! Da braucht man auch gar nicht zu fragen, was denn wol gemeint sei, wenn St. Petrus spricht, man solle dem treuen Schöpfer die Seele in guten Werken empfehlen. Es ist eigentlich auch im Grundtext keine Rede von Werken. Es steht im Griechischen ein wunderschönes Wort, für das es im Deutschen kein einzelnes entsprechendes Wort gibt. Etwa könnte man es nahe am Wortlaut übersetzen: „Vollbringen des Guten oder gutes Vollbringen.“ Das Wolverhalten des Leidenden, die Lobpreisung Gottes selbst, die Ueberlieferung der Seele in Gottes treue Hände, nichts anderes scheint gemeint zu sein. Leiden, Gott loben und Ihm die Seele befehlen, das ist genug, genug Wolverhalten, genug Vollbringen des Guten im Tode.
Meine lieben Brüder, ich bin zu Ende. Was das Leiden der Christen sei, wie es anzusehen und zu tragen, das habt ihr nun vernommen. Erinnert euch nun noch einmal an die leidende Familie auf dem Weg nach Egypten, an Jesus, Maria und Joseph. Erinnert euch auch an das Geschrei auf den Höhen und in den Thalen zu Bethlehem, das so gar anders klingt, als die Engelchöre, von denen wir in diesen Tagen hörten. Vergeßt aber auch nicht, daß die heilige Familie und die kleinen Genoßen Jesu und alle Märtyrer und die ganze Kirche auf Erden der Welt ein Fels der Aergernis und ein Zeichen ist, dem widersprochen wird, und eine Heerde, die durchs Jammertal gehen und leiden muß. Auch ihr seid Glieder Christi. Schaut euch nach euren Leiden um, nach eurem Anteil an der Gemeinschaft seiner Leiden. Wir stumpfen Seelen haben oft Leiden und wißens nicht, und unsre Füße gehen oft in Dornen, wir zagen und zucken nackten und verstehen es nicht, daß das der Kreuzweg ist, auf dem wir gehen, „Christo nach, durch die Schmach, durchs Gedräng von auß’ und innen, das Geraume zu gewinnen, dessen Pfort er selber brach.“ Merkt ihr aber ja in der Gegenwart keine Leiden Jesu, so wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtungfallet. Denn etwa brennt das Feuer der Prüfungshitze vor der Thür und die Zeit ist vorhanden, die lange verzog. Der Herr aber gebe jedem zu seiner Zeit und Stunde, die Leiden anzusehen wie Petrus, und sie zu tragen, wie er durch Wort und Beispiel gelehrt hat. Amen.