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Am vierten Sonntage des Advents.

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Philipp. 4, 4–7.

4. Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermal sage ich: Freuet euch. 5. Eure Lindigkeit laßet kund sein allen Menschen. Der Herr ist nahe. 6. Sorget nichts; sondern in allen Dingen laßet eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. 7. Und der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.

Auch die heutigen Texte sind völlig adventsmäßig. Im Evangelium hören wir den persönlichen Vorläufer Christi, von dem das Zeugnis des Allerhöchsten im Evangelium des vorigen Sonntags verlesenwurde, seinerseits Zeugnis geben von Christo – und der Verlauf seiner Rede ist von der Art, daß die ernste Hinweisung auf das Gericht, also auf die zweite Wiederkunft Christi, den Endpunkt bildet. Die erste und die letzte Zukunft Christi zeigt sich im Evangelium, und die Zukunft ins Herz durch Wort und Taufe wird ohnehin von Johanne, dem durchs Evangelium erwählten Prediger am Sonntag vor Weihnachten, mit aller Macht erstrebt. – Nicht minder ist auch die Epistel adventsmäßig. Es ist wieder die letzte Zukunft Christi, in deren Lichte man wandelt, wenn man diese Epistel liest. „Der Herr ist nahe,“ ruft sie und gibt damit allen ihren übrigen Worten Kraft und Nachdruck; und wenn etwa jemand diese Worte lieber auf die unsichtbare, geistige Nähe Christi deuten wollte, vermöge deren er unsre Sorgen lösen und unsre Gebete erhören kann; so zeigt der Zusammenhang mit dem vorausgegangenen dritten Kapitel, deßen Ende so feierlich den kommenden Christus predigt und das Warten der Kirche auf Seine letzte Erscheinung ausspricht, daß in der That die Worte, von denen wir reden, doch auf nichts anderes, als auf die Wiederkunft Christi zum Gerichte gehen. Der Geist und die Braut sprechen: „Komm bald, Herr Jesu!“ Er selbst spricht: „Ja ich komme bald,“ St. Johannes der Täufer spricht: „Er kommt nach mir,“ – und St. Paulus jubelt: „Der Herr ist nahe.“ So schauen wir denn in die Zukunft und lesen in ihrem Lichte diese Epistel.

Es ist aber ein fröhliches Licht, welches aus diesem Texte kommt; kein schreckendes Angesicht zeigt uns der, „der da kommt,“ in ihren Worten. Ja so freundlich redet sie, daß man mehr geneigt wird, ihr „der Herr ist nahe“ von dem Kommen Jesu zu Seiner Geburtsfeier zu verstehen, als von dem Kommen zum Gericht. Jedes einzelne Wort hat Bedeutung vom Kommen zum Gericht; aber so süß ist jedes, daß es fast lautet, wie wenn es von den Lippen der gebenedeiten, wonnevollen Mutter käme, – wie wenn es die Engel über Bethlehem sängen. Kaum kann man sich des Gedankens erwehren, es sei bei der Wahl der Epistel für den Sonntag vor Weihnachten eine heilige Absichtlichkeit gewesen. Die fromme Zweideutigkeit, die Worte von der Geburt Christi und von Seiner Wiederkunft Ton und Kraft bekommen zu laßen, sieht fast aus, wie wenn die alten Väter entweder die Krippe ins Licht des letzten Tages hätten stellen – oder etwas von dem prachtvollen Lichte des letzten Tages um die Krippe hätten gießen wollen.

Wolan, denken wir an das nahende Fest, feiern wir es im Lichte der Wiederkunft Christi, feiern wir sein fröhliches Nahen mit dem vierfachen Posaunenstoß, den wir in unserm Texte finden können! Denn ein vierfacher Posaunenstoß weckt alle Welt zur Bereitung, alles soll erwachen zur Feier des Geburtstages Deßen, der nahe ist und kommen wird, unsern nichtigen Leib zu verklären, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit Er kann auch alle Dinge Ihm unterthänig machen. 3, 20. 21.

Der erste Posaunenschall redet von der Freude in Christo und erweckt zu dieser Freude;

der zweite predigt Lindigkeit und Güte;

der dritte ruft zu Gebet und Danksagung;

der vierte ist ein langgezogener, heiliger, süßer Ton vom Frieden, den die Engel über Bethlehem besangen, welcher höher ist als alle Vernunft.

Der ganze Brief Pauli an die Philipper ist, obwohl in Banden und Gefangenschaft von dem Apostel geschrieben, dennoch voll überschwänglicher Liebe des apostolischen Herzens zu der theuern, dem Herzen innig nahen Gemeinde von Philippi. Diese Gemeinde, wie die andern in Macedonien zu Thessalonich und Beröa, war schnell entstanden, klein an Zahl, rein von Art, voll brüderlicher Liebe, voll Erwartung der Wiederkunft Christi und seines Reiches. Sie war, wie sie der Apostel wünschte, und ihr, der treuen, versuchten und bewährten, seiner Nährmutter, von der alleine er Unterstützung annahm, gönnte er alles Gute, ihr gönnte er namentlich mitten unter den Anfechtungen ihrer Leiden die Freude im Herrn. Schon im ersten Vers des 3. Kapitels hatte er seinen lieben Philippern zugerufen: „Weiter, lieben Brüder, freuet euch in dem Herrn.“ Und im Anfang unsers Textes 4, 4. beginnt er aufs Neue: „Freuet euch in dem Herrn allewege; und abermal sage ich: Freuet euch.“ – Also will der Apostel die Freude haben. Das Leben des Christen ist also keine trübe, bange, thränen- und jammervolle Fahrt, und trüber Ernst,bange Sorge, Klage und Jammer sind keine Zeichen eines Christenmenschen; sondern im Gegentheil Freude, Freude ist befohlen, Freude ist gegeben, Ursache der Freuden und Freudengeist ist vorhanden. Bei den Kindern der Welt ist eine Abwechselung von Freude und Traurigkeit, wie alles außer der Seele, so ist die Seele selbst und ihre Stimmungen dem Wechsel unterworfen. Auch bei den Kindern Gottes will dieses Wechseln der Eimer am Brunnen sich nicht aufheben laßen; es hält sich der Strick der Eimer gern an Gottes eigenen Worten fest. „Leidet Jemand, der bete; ist Jemand fröhlich, der singe Psalmen,“ sagt der heilige Jakobus, und scheint damit den allgemeinen Freuden- und Thränenwechsel auch für Gottes Volk fest zu halten. Allein etwas anderes ist es, zuzugeben, daß der Wechsel vorhanden ist, daß er auch fromme Christen anficht und sie in seinen Bereich zieht, auch Vorsorge zu treffen, Anweisung und Ermahnung zu geben, was in Freud und Leid zu beten und zu singen; etwas anderes ist es, diesen Wechsel für nothwendig und unvermeidlich zu erkennen. Das letztere thut Jacobus nicht, sondern nur das erstere. „Ein Christenherz auf Rosen geht, wenn’s mitten unter Dornen steht,“ reimt Martin Luther zu jedes Christenmenschen Freude. Ja und Amen. Und der Herr, dem Luther in seiner Weise nachlallt, sagte: „Eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden,“ und: „Eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ Der Apostel aber vermahnet ganz in seines ewigen Meisters Sinn: „Freuet euch allewege, – und abermal sage ich: Freuet euch.“ Also soll die Freude im Christenherzen die Traurigkeit je mehr und mehr verdrängen, je mehr und mehr die bleibende und die herrschende Seelenstimmung, ein Christenherz mehr und mehr der Vorhof ewiger Freuden werden. Wahrlich, meine Brüder, das ist eine hohe Lehre, und sie muß wahr sein obendrein, so hoch, so unmöglich, so unerreichbar ihr Inhalt zu sein scheint. Also ist es nicht möglich, daß die Jugend die Freude und das Alter die trübe Trauer habe; sondern das „Freuet euch allewege“ nimmt dem Alter die Berechtigung zum mürrischen Wesen, und gebietet, ja schenkt ihm, wie der Jugend, Freude. Also ist Armuth, Unglück, Krankheit, Kummer und Sorge, ja der Tod und der Teufel nicht berechtigt, die Christenfreude auszulöschen. Der Arme, der Unglückliche, der Kranke, der Kummervolle, der Sorgenvolle, der Angefochtene, der Sterbende: alle sollen sie Freude haben können und faßen können, – alle sollen sie in der Freude Heilung finden. Und wenn das Meer und die Waßerwogen brausen, die letzten Posaunen erschallen, die Zornesschalen der Offenbarung Johannis ausgegoßen werden, – wenn alle Geschlechter heulen und bange Verzweiflung die Welt ergreift, so ist auch das keine Ursache, der Freude Abschied zu geben, die Freude ist auch dann Königin, sonst gälte das „allewege“ des Apostels nicht; sie hebt dann die Häupter der Gläubigen wonnevoll auf, darum daß sich ihre Erlösung naht. – Ja, so muß es sein: eine Religion der Freude, der überwindenden, alle ihre Feinde niederkämpfenden, alleinberechtigten, dauernden, unsterblichen, ewigen Freude ist das Christenthum.

Aber freilich, es ist das nicht die natürliche Freude, sondern eine übernatürliche, – nicht eine leibliche, sondern eine geistliche. Die Freude der Jugend, diese fröhliche Lust, ist wie die Jugend vergänglich, und sie muß niemand als eine wiederkehrende und alle Traurigkeit überwindende verheißen glauben. Die Freude des Glückes, des Lebensgenußes, die Freude der Freundschaft, der Brautzeit, die eheliche Freude, die Familienfreude, die gesellschaftliche Freude und wie sie alle heißen, die edleren und unedleren Freuden, die in vergänglichen Dingen gründen: sie haben keine ewige Verheißung. Sie sind Freuden, die ein jeder als Bestandteil und süße Würze seines täglichen Brotes und leiblichen Lebens hinnehmen darf und soll; aber sie halten wollen, sie beweinen, wenn sie gehen, unglücklich sein, wenn sie von hinnen genommen werden, das soll ein Christ nicht, eben weil er eine beßere, reinere, stärkere, größere, eine dauernde, eine ewige Freude kennt, die Freude im Herrn, die Freude in Christo.

Die Freude in Christo ist eine Freude, welche mit der gläubigen Vereinigung mit Christo kommt und in ihr ihre ganzen Wurzeln hat, auf ihrem Boden erwächst, in ihrem Reiche Aeste, Zweige, Knospen, Blüten und Früchte treibt und bringt. Die Freude in Christo ist zunächst eine Freude an Ihm, an Seiner Gottheit und ewigen Einigkeit mit Vater und Geist, an Seiner Menschwerdung, an der Vereinigung der beiden Naturen zu Einer Person, an Seinem allerheiligsten, vollgiltigen, alleinseligmachenden Verdienst,an Seiner Erniedrigung und Erhöhung, an Seinen Siegen, an Seinen Werken und Thaten, an Seinen Engeln, an Seinen Dienern, Seinen Freunden, Seinen Erlösten, Seinen Gläubigen und Geheiligten, mit Einem Wort an Ihm und Seinem Reich. Die Freude in Ihm ist eine Freude an Ihm, aber auch eine Freude mit Ihm, denn Er ist ein freudenreicher Gott, – ja sie ist eine Freude in Ihm in dem eigentlichsten Sinn, denn wer sie hat, der ist eben mit dem Herrn verbunden, und wie der Sohn mit dem Vater, so ist Er mit dem Sohne Eins – auf eine wunderbare, alles Denken und alle zeitliche Erfahrung überbietende, überschwängliche Weise.

Da diese Freude keinen zeitlichen Gegenstand hat, keinen Gegenstand, den das Auge des Menschen ersehen, sein Ohr erlauscht, sein Herz erfunden hätte, – da der Gegenstand aus ewigen Höhen in ein der himmlischen Heimat entfremdetes Seelenleben kommt, – da sie nur in der Verbindung mit dem Herrn gewonnen, nur in Seiner dauernden Verbindung geläutert, gereinigt, gestärkt, erzogen, groß und dauernd, nur in der ewigen Verbindung mit Christo ewig und unaustilgbar werden kann; so versteht es sich von selbst, daß sie sich ganz anders anfühlt, als alle Erdenfreuden, als alle zeitlichen Freuden. Die zeitliche Freude ergreift den Menschen nicht so innerlich, so tief, so heimlich, so still; sie vermag es nicht und kann es nicht. Sie ist auch ein Werk des heiligen Geistes, wie alle Zier und aller Schmuck der Creatur; aber sie ist ein Spiel Seiner ewigen Weisheit, ein Räthsel und Schattenbild, dessen Schlüßel, Deutung und Urbild in der Freude liegt, von der wir reden. Eben deswegen aber muß man auch von der tief im Innern beginnenden, geistlichen Freude nicht jene Lebhaftigkeit, jenes leibliche Wohlbehagen, jene sinnliche Ueberschwänglichkeit erwarten, welche Erdenfreuden haben. Aber sie ist eine Freude, sie wird es immer mehr für die, welche in Christo Jesu bleiben, sie ergreift auch je länger je mehr den ganzen Menschen, erzeugt eine Heiterkeit, welche der Unterbrechung spottet, welche durch Hindernisse geweckt, durch Traurigkeit gemehrt, durch den Tod lebendig, durch das Verstummen aller Weltfreude und der Welt selbst laut und beredt, durch die Schrecken und das Anschauen des kommenden Richters zur wonnevollen Lobsängerin wird. Sie hat ein ewiges Leben, das in umgekehrtem Maß erstarkt und zunimmt, als dies Leibes Leben vergeht und verwelkt. – Diese Freude ist auch eines wunderbaren Lebens. Oft zieht sie sich ins tiefe Innerste zurück, oft ist sie wie unsichtbar, wie todt: ein gewaltiger Ernst bedeckt das Antlitz des Christen. Aber sie läßt sich aus ihrer Hütte rufen, sie kommt hervor, sie läßt sich schauen und genießen, wenn man sie ruft. „Freuet euch in dem Herrn“ – ruft ein freudenvoller Apostel, da jauchzt mit Macht auf die ganze Seele. „Allewege“ – jauchzt er selbst: da frohlockt der todtgeglaubte Freudenton; der Arme, der Unglückliche, der Kranke, der Sterbende versteht, vernimmt, befolgt den Ruf und zwar mit Lust und Leben. „Abermal sage ich: Freuet euch!“ Da steigert sich die Freude, mächtiger zeigen sich die Ursachen unsrer Freuden, reichlicher quillen und quellen die fröhlichen Gedanken! Je mehr Zuruf, desto mehr Gehorsam. Und wenn dermaleins die Stimme Offenb. 19, 7. erschallt: „Laßet uns freuen und fröhlich sein; denn die Hochzeit des Lammes ist kommen und sein Weib hat sich bereitet“: ja dann wird die Freude sein wie großer Waßer Rauschen und das „Amen, Halleluja“ (Offenb. 19, 4.) wird ohn Ende brausen.

Wenn das ist, meine Freunde, wie wird dann das Wort des apostolischen Briefes „Freuet euch“ Kraft erwiesen haben: von Rom bis Philippi, so weiten Weges die Philipper entfernt waren, wird doch die Stimme, ja das geschriebene Wort des Apostels die Freude geweckt haben, die Traurigkeit über seine Gefangenschaft, die Betrübnis über die Anfechtung falscher Lehrer und über die Pein der Verfolger wird untergegangen sein, wie die Nacht, und die Freude wird in den Seelen angebrochen sein wie der lichte Morgen. Aber es wird dann auch ohne Zweifel das zweite Wort des Apostels, die laute Mahnung zur Lindigkeit und Güte ihr Werk gethan haben.

Wenn eine Hochzeit ist und die Brautleute vom Altare gehen, wenn nun das Ziel erreicht ist, Gott die Brautleute verbunden hat, also daß nun kein Mensch mehr lösen kann: da werfet ihr, meine lieben Brüder, mit vollen Händen Gaben aus und seid lind und mild und gütig, auch wenn ihr es sonst nicht seid. Wer schließt euch das Herz auf, wer füllt euch die Hände? Die Freude ist’s, denn die Freude istmittheilsam, lind und gütig, und zwingt auch die Herzen, die sonst die Güte für eitel Schaden halten. Wenn eine Taufe gehalten wird, wenn ein Vater sein Kind zum Gotteshause bringt, damit es durch das gnadenreiche Waßer des Lebens ein gnadenvolles Gotteskind werde, da lädt er seine Nachbarinnen und Freundinnen, daß sie mit ihm zur Kirche gehen und bewirtet sie freundlich. Die Freude macht ihn nachbarlicher, freundlicher, liebenswürdiger und liebreicher und gibt ihm Macht, das Seine also anzuwenden, daß andere einen fröhlichen Tag haben, – auch wenn er sonst diese Macht nicht hat, sondern sein Hab und Gut über ihn Herr ist und ihn knechtet. Ja, man hat bemerkt, daß viele Menschen, wenn ihnen eine große Freude zu Theil wird, ihr Herz also verwandeln, daß sie sich versöhnen können und vergeben und vergeßen. Eine solche Macht übt die Freude, selbst wenn sie irdischer, weltlicher, zeitlicher Art ist, über die Menschen aus, sie macht gelind.

Nun aber ist die Freude des Weltmenschen oder des Gewohnheitschristen – denn alles Obengesagte kann auch von Gewohnheitschristen gelten – nur ein schwaches Abbild und ein Schatten der Freude in Christo. Wenn man sagen wollte, alle Freude heilige und beßere den Menschen, würde man ohne allen Zweifel zu viel sagen. Es ist nicht alle Freude heilig, darum kann auch nicht alle Freude heiligen und den Menschen beßern. Aber die Freude im Herrn ist heilig und muß darum auch heiligen und beßern, – und thut es auch, wie es am Tag ist. Und wenn man darum von der gewöhnlichen Freude der Weltmenschen und Alltagschristen oftmal die Erfahrung macht, daß sie das Herz erweitert und den Menschen lind macht; so kann es auch keine Frage sein, daß die Freude in Christo lind und mild und gütig machen müße. Ein in Gott erfreutes Herz gleicht einem vollen Bach – das Wort aber, welches der Apostel zu den in Gott Erfreuten sagt: „Eure Lindigkeit laßt kund werden,“ ist wie eine starke Hand, welche die Schleußen aufzieht und die Hähne öffnet, so braust die Freude in Lindigkeit hinaus in die Gräben und macht alles Land reich und fruchtbar. Sagt mir ja nicht, meine lieben Brüder, daß das nicht nöthig sei. Ich behaupte, es ist nöthig, es muß sein, es kann und darf nicht anders sein. Göttliche Freude macht barmherzig und milde. Sie thut es von sich selbst; wenn aber die Schleußen, wie es sein soll, gezogen und die Hähne geöffnet werden, d. i. wenn noch überdies dazu vermahnt wird, wenn Apostel rufen: „Eure Lindigkeit laßt kund werden“; da muß es um so mehr sein, denn die Seele inwendig kennt ihres Herrn Ruf und springt in willigem Gehorsam auf, wenn sie ihn vernimmt; – es ist dann, als hätten die Freudenwaßer längst gewartet, sich in Lindigkeit zu lösen, zu ergießen, als wären sie hoch aufgestaut gewesen; mit Freudenton geschieht, wozu vermahnt ist, mit Jubel üben gottselige, erfreute Seelen ihre Barmherzigkeit.

„Das Wort ward Fleisch“ – ist das nicht Freudengrund? „Er wohnte unter uns“ – welche Lust! „Wir sahen Seine Herrlichkeit,“ welche Feier! „Als des eingeborenen Sohnes vom Vater,“ welche Erhebung! – „Er ist um unserer Missethat willen verwundet“ – wie unsere Bande springen! „Um unsrer Sünde willen zerschlagen“ – was für ein Aufseufzen der gejagten Seelen! „Die Strafe lag auf Ihm, auf daß wir Frieden hätten.“ – „Er hat sein Leben gegeben zu einer Erlösung für Viele.“ – „Er ist auferstanden, Tod, wo ist dein Stachel?“ – „Er ist in die Höhe gefahren – und hat das Gefängnis gefangen – und hat Gaben empfangen für die Menschen, – auch für die Abtrünnigen, – Er lebt immerdar und bittet für uns, – Er hat uns berufen von der Finsternis zum Lichte, von der Gewalt des Satans zu Gott“ –: was ist das, warum sag ich das, warum stoß ich es heraus in kurzen Sätzen? – Das heißt die Waßer stauen, die Freudenwaßer. Ist nicht jeder Satz und jedes Wort ein Freudengrund; wer kann Satz für Satz hören, ohne daß inwendig Hallelujah brausen? David rief sein Volk auf, Gott zu loben – und es jauchzte, daß die Erde bebte. Liegt nicht in jedem meiner Stoßsätze ein mächtig ergreifendes: „Laßt uns benedeien den Herrn!“ Soll ich’s fortsetzen – bis dahin, wo es heißt: „Siehe ich komme bald,“ bis zum: „Steht auf, der Bräutigam kommt?“ Werden denn eure Herzen nicht los werden von den Banden des Geizes, des Zornes, der Eigenliebe, der Weltlust? Wird es keine Wirkung auf euch haben? Nicht linde, nicht barmherzig machen, auch wenn ich Lindigkeit und Barmherzigkeit predige, empfehle, in Jesu Namen verlange, fordere, befehle?

Keine Antwort? Kein Ja, Ja? – Tiefe Stille? – Freunde, etwas in euch antwortet; euer Gewißen bezeuget euch, daß es so sein, daß Lindigkeit der Freude folgen sollte. Eine Ueberzeugung habt ihr, innerlich seid ihr überwunden und geschlagen; ja, ich weiß und bin überzeugt, daß ihr noch mehr überwunden seid, daß eure Ueberzeugung weiter greift, daß sie zwei Worte einschließt, die ich noch nicht erwähnt habe, nämlich die Worte: „Allen Menschen.“ „Eure Lindigkeit laßt kund werden allen Menschen“ – also den Freunden und den Feinden, denen welche innig nahe sind, und welche ferne stehen, mit Gleichgiltigkeit, mit Verachtung und Geringschätzung angesehen wurden, – also den Hochverehrten, den Mächtigen, Gebildeten, Reichen, den Hohen der Gesellschaft – und den Geringen, Niedrigen, Armen, Rohen, Ungebildeten, Ungezogenen, den groben Sündern, – also den Christen, Juden und Heiden. Kurz, die Freude im Herrn tödet jede Ausnahme der Lindigkeit, sie kennt außer dem Teufel und seinen Verlorenen keinen, dem nicht in irgend einer Weise unsre Lindigkeit gehört und wo es immer sein mag, auch offenbar werden soll. Und keine Art von Lindigkeit ist ausgeschloßen, jede ist in der Freude eingeschloßen, jede vom Apostel befohlen: die Lindigkeit des Herzens, des Auges, der Geberde, der Rede, der That, – Geben und Vergeben, Rathen und Helfen, Dienen und Gehorchen, Entschuldigen, Gutes reden, alles zum Besten kehren, – alles, alles ist eingeschloßen. Und es soll nicht verborgen sein, nicht verborgen und umhüllt, nicht namenlos und in der Stille, sondern in Demut kund werden allen Menschen, auf daß sie alle die guten Werke sehen, den Vater im Himmel preisen und nach der Freude verlangen, welche die Menschenherzen so lind und mild macht.

Ich irre mich nicht, meine Freunde, ihr seid da von auch überzeugt; ihr zweifelt nicht, daß es so sein sollte, daß die Erinnerung an den Herrn und an Seine Nähe, an Sein baldiges Kommen dazu antreiben und die Freude am Herrn dazu befähigen könne. – Aber nicht wahr? vom Soll bis zum Thun, von der Schuld bis zur Bezahlung ist ein weiter Weg. Darum vergeßt nicht, daß geschrieben steht: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ Und laßt euch ins Ohr und bis in die Seele schallen das Wort: „Die Freude am Herrn sei eure Stärke!“

Wenn dem Menschen ein hohes Ziel der Vollendung vorgehalten wird, zu welchem er gelangen soll und durch Gnade seines himmlischen Berufers auch gelangen kann, nach seinem bisherigen Thun und Treiben aber nicht gelangt ist; so liegt für ihn in dem Vorhalt ein empfindlicher Vorwurf. Demnach kann man auch nicht leugnen, daß in der hohen Forderung eines freudenreichen und gelinden Herzens für viele arme Christen viel Vorwurf liegt. Wie mancher kann von einer Predigt dieser Art mit einer tiefen Wunde heimgehen, statt daß er ermuntert und gekräftigt zu allem Guten das Gotteshaus verläßt. Aber dafür ist auch St. Paulus, der Menschenkenner, der erfahrene Seelenfreund, bei allen seinen Ermahnungen darauf bedacht, daß er Barmherzigkeit mit den Schwachen habe und den Müden und Matten den schmalen Weg nicht allzusteil mache. Das ist denn auch in dieser Epistel der Fall. Zur Freude hat er die Gemeinde aufgerufen: kennt er etwa die Freudentöderin nicht, die mistrauische, welche sich unter allerlei Formen und schönen Namen in das Herz auch der Gläubigen einnistet? Ich meine die Sorge. Und weiß er etwa nicht, daß sie es gleichfalls ist, die hart, karg und selbstsüchtig nur auf das Ihrige sieht und keine Möglichkeit voraussieht, wie sie, um andern lind zu sein, selbst etwas entbehren könne? Er kennt die Sorge. Er weiß, wie anspruchsvoll sie sich aufs Mitleid und die Teilnahme aller Menschen beruft, wie ihre kummervollen Thränen die Thräne anerkennenden Mitgefühls erheischen. Da steht sie, wie ein Weib im Trauerkleide, blind und ärmer dem Gefühle als der Wahrheit nach. Wie wirds uns gehen, klagt sie. Was sollen wir essen und trinken, so lange wir leben, womit uns kleiden? Wer wird uns in der harten Zeit bewahren, und unsre Kindlein? unsre Eltern, Geschwister, Freunde? Und ob wir uns durchs Jammerthal schleppten, werden wir Glauben halten, werden wir nicht zu Fall kommen – und ach, unsre Kinder? Und die Todesstunde, die ernste, bange, folgenreiche? Die Ewigkeit, die Schrecken des Gerichts, der Urteilsspruch, das unerbittliche Auge des Richters, sein gestrenger Mund! Wie klug, wie fürsichtig,ja wie gar nicht auf eigne Kraft vertrauend, wie fromm klingt das, wie flehend, wie hilfsbedürftig! – So klingt es – und ist es nicht. Unklug ist es, ungläubig, so wenig auf Gott und seine Gnade als auf die eigne Kraft vertrauend, – und gestraft ist der Mensch, welcher so redet, wie ers verdient, denn er ist freudlos, geizig, misgünstig, neidisch, hartherzig, nur nach dem Eigenen begierig. Mit einer heiligen Macht schlägt der Apostel das Verdienst der Sorge nieder; er, der eine friedenvolle Fürsorge für die Zukunft, ein gläubiges, vertrauenvolles Entgegenarbeiten gegen die Uebel der Zukunft nicht verwirft, noch tadelt, spricht zu den Sorgenvollen, wie sie zu sein pflegen: „Sorget nicht“ und zeigt ihnen zur Ablegung der Sorge, zur Entwirrung der Seele aus ihren Stricken, einen einfachen Glaubensweg. Alle diese ängstigenden, peinigenden Gegenstände, diesen gesammten, tausendfachen Sorgeninhalt stempelt er mit einem einzigen Worte um, so um, wie die sorgende Seele ihn auch umstempeln und umwandeln soll, er nennt ihn Bitten, macht daraus Gegenstände des Gebets, Gebetesinhalt. Was ist unnützer, als aus lastenden oder drohenden Uebeln peinigende Sorgen zu machen, was ist glaubensloser, heimlich selbstgerechter! Aber was ist wahrer, was kann sich der Einsicht jedermanns mehr empfehlen, als die Lehre Pauli, daß alles was uns drückt und droht, Inhalt für Gebete ist. „Sorget nicht, sondern in allen Dingen laßet eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden,“ so spricht St. Paulus. Eure Lindigkeit laßt den Menschen kund werden, sagt er; eure zu Gegenständen des Gebets verwandelten Sorgen, eure Bitten laßt vor Gott kund werden. Die verkehrte Menschenseele will vor Gott gelind und milde sich gebärden, den Menschen aber theilt sie geschwätzig ihre Sorgen mit. Gerade umgekehrt, deine Lindigkeit erweise gegen jedermann, dein reiches, weites, wolwollendes Herz laß deine Brüder und Nächsten genießen; aber was dich quält und was du fürchtest, damit verschone die Menschen, aber sags dem in Gebet und Flehen, der dich höret und der alles wenden kann. Leg ihm alles betend und flehend an Sein frommes, treues Vaterherz, das dich mit deinem Unverstand und deiner Thorheit nicht verachtet, das dich kennet, was für ein Gemächte du bist, und Mitleid, Nachsicht und Erbarmen mit deinem Thun und Laßen, mit deinem Beten und Flehen hat. Wahrlich, es gibt kein anderes Mittel gegen die Sorgen, und wer nicht beten kann, bleibt, bis er’s lernt, ein armer, beladener Mensch, aber freilich durch seine eigne Schuld, also, daß er mehr zu tadeln und zu bestrafen, als zu bemitleiden ist. Sorgen sind schwere Steine: wer beten kann, hat allein die Stärke, sie zu heben, und nicht allein von sich in die Tiefe, sondern empor zu dem zu heben und zu werfen, dem aller Welt Sorge ein Kleines ist, der alle allein und im tiefsten Frieden versorgt. – Will aber einer nicht blos ein sorgenfreies, sondern auch ein fröhliches Herz bekommen und erhalten, der übersehe im Texte die zwei Worte nicht: „mit Danksagung.“ Der Dank ist wohl größer und schwerer als Gebet und Flehen, und es gibt viel weniger Menschen, die danken, als die beten und flehen können; aber anderer Seits ist auch das wahr, daß mancher, der nicht beten kann, der sich betend und flehend nicht recht vom Staub zu Gott erheben kann, die große Kunst, den Himmelsflug kann, wenn er größere Flügel, nemlich die der Danksagung, dazunimmt. Wenn einer daran gedenkt, was ihm Gott von Mutterleib und Kindesbeinen an, ja schon vor der Geburt für Wohlthat und Gutes bereitet und gethan hat – in der Schöpfung und Erlösung: da erweitert sich das Herz, da stärkt sich der Glaube, da lernt man Glaubensschlüße auf die künftige gnädige Führung des Herrn und auf seine Freundlichkeit und Güte, die da ewiglich währen. „Hat Er uns Seinen Sohn geschenkt, sollte Er mit Ihm nicht alles schenken?“ so schließt ein dankbar Herz. Ein solches Herz schließt aus der Geburt auf die Wiedergeburt, aus der Berufung auf die Erleuchtung, aus einer Stufe der Heilsordnung auf die andre, aus der Rechtfertigung auf die Gnade des kommenden Richters. Es lernt Schlüße, die von der Welt für unrichtig und trüglich, für toll und thöricht gehalten werden, ob welchen sich aber Gottes Engel freuen und alle Sorgen fliehen, die Freude und die Lindigkeit herbeieilt und die Seele von ihrem Erdenweh erlöst und mit der himmlischen Hoffnung auf die gnädige Erhörung erquickt. – O des trefflichen Lehrers der Heiden, welcher es versteht, die Vermahnung zu Freud und Lindigkeit einzuführen in zagende, bebende, weinende, heulende, sorgenvolle Seelen! der aber den Sorgen allen noch einen kräftigerenTodesstoß geben und uns ein Wörtlein lehren kann, mit dem wir alle Anfechtung des Teufels und alle Angst verjagen – der Freud und Lindigkeit weite Thore öffnen!

Dies Wörtchen ist „Gottes-Friede.“

Denkt an die Nacht, in welcher unser Heil geboren ist; denkt ans Hohe Lied der Engelschaaren. Was sangen sie? „Friede auf Erden.“ Merkt ihr, wie der Apostel mit den Engeln, die Erde mit dem Himmel übereinstimmt? Kann eine schönere Eintracht sein, als zwischen dem Gloria der Engel und diesem Texte, der so hehr, so schön, so tief in unsre Seelen niedersteigt, indem er, ich weiß nicht, soll ich sprechen, singt oder sagt, denn er redet himmlische Musik: „Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre euch Herzen und Sinne in Christo Jesu.“ –

Der Krieg, welcher zwischen Gott und Menschen gewesen ist, ist begreiflich: wenn Gott gegen über der abfälligen Menschenwelt irgend etwas thut, wenn Er nicht verachtend an der tiefgefallenen vorübergeht, wenn Er sie in ihrem Falle hochschätzen will, so gibt es kaum etwas anderes als Krieg, Unfriede, Verwerfung, Verdammnis. Das ist begreiflich, das müßen alle Menschen, welche ein wenig offenen Sinn für Wahrheit haben, unterschreiben ohne sich zu besinnen. Aber der Friede, der Friede Gottes – mit den Menschen, über ihnen, in ihnen, das ist eine so erhabene Sache, daß sie für jede geschaffene Vernunft, nicht blos für die des Menschen zu hoch ist. Daß der Krieg aufgehoben, trotz der Sünde und wider sie Friede ist, Friede, als wäre nichts gesündigt, die Gerechtigkeit Gottes nicht verhöhnt, nicht herausgefordert, Friede ohne Verletzung der Gerechtigkeit und Heiligkeit, Friede zum Preis der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes, sicherer, unumstößlicher Friede: das kann man wohl anbetend verehren, tief in der Seele bewegend rühmen, loben und preisen, aber begreifen kann man es nicht. Dieser Friede ist höher als alle Vernunft – dem Ursprung nach, welcher ist die Gnade Gottes, der widerspruchsloseste Widerspruch und zugleich der größte. Er ist unbegreiflich in Anbetracht der Herstellung desselben, der Ermöglichung: denn hier ist die Menschwerdung, die Opferung einer allerheiligsten Person, die Gott ist, und die Auferstehung eines Menschen, welcher todt ist, – die Menschwerdung, die, man mag die Vereinigung beider Naturen oder ihre Unterschiede betrachten, ein ewiges Meer voll lichter, aber dennoch unverstandener, voll erquickender, aber unergründlicher Klarheit ist. Dieser Friede ist unbegreiflich, in Betracht seiner Mittheilung an die Menschen durch die Rechtfertigung des armen Sünders vor Gott, durch die Absolution, durch Wort und Geist und Sakrament, durch das unbegreifliche Tasten, Fühlen und Faßen desselben vermöge des Glaubens. Es ist da, wie mit dem Leben selber: kein Mensch weiß es, wie Leib und Seele zusammengefüget sind und sich lösen; aber siehe, sie gehören zusammen, sie sind Eins, wer kann es leugnen? So weiß niemand, wie der Friede von dem Urgrund des väterlichen Herzens Gottes herniederthaut bis in das Herz des Sünders, wie ein schuldbewußtes, innerlich vom Wurm des bösen Gewißens angegriffenes Herz bis zu einer Ruhe genesen kann, welche Stand hält, auch wenn das Meer wüthet und wallet und die Berge sich ins Meer versenken. Kein Mensch weiß, wie die Unruhe selbst Ruhe und ein Herz voll Mistrauens und Krieges eitel Friede wird. Kein Mensch weiß es, aber es kann sein, es geschieht auch wirklich so. Es gibt einen solchen Frieden, der in Noth und Tod und in den Schrecken des jüngsten Tages besteht. Tiefe Verwunderung schwebt über der Tiefe einer solchen Seele, in welcher dies Meer des stolzesten Friedens schweigt und glänzt. Ja, was ist das, daß ein völliger, ein alle Creaturen umschlingender, ein ewiger Friede für meine Seele vorhanden, in meiner Seele ausgegoßen ist! Da schweigen alle Sorgen, da blühet und grünet Freude, da regt sich Freud und Mildigkeit, da sproßet jede Tugend, denn Gott hält Friede!

Friede – und Christus. Kann man diese beiden trennen? Kann einer mit Herz und Sinn im Frieden Gottes bleiben, ohne daß er in Christo ist? Von wem sinnst, von wem denkst, von wem redest du, wenn es gilt, den Frieden Gottes zu preisen? Von Christo. Ohne Christum kein Friede. Bei Christo, durch Ihn, in Ihm Friede. „Er hat Friede gemacht am Kreuz.“ Das bleibt auch in Beziehungauf den Frieden mit Gott, wie auf den unter Juden und Heiden eine ewige Wahrheit. In Christo ist Friede: wer im Frieden bleibt, des Herz und Sinne bleiben in Christo Jesu; wer in Christo Jesu bleibt, bleibt im Friede. – Vor was sollst du dich fürchten, wenn du in Christo und in Seinem Frieden bist? Vor Ihm selbst etwa, wenn Er zum Gerichte kommt? Aber Er ist ja dein Friede. Vor dem Vater – aber von Ihm stammt ja Christus, dein Friede! Vor dem Geiste – aber Er verkündigt dir in Christo Jesu den Frieden! Vor dem Untergang der Welt – aber dein Friede geht ja nicht unter, sondern er kommt in Herrlichkeit, wenn Christus kommt. Vor dem Teufel – aber dein Friede hat deinen Störenfried überwunden. Vor der Welt, vor dir selbst? Aber die Welt vergeht vor Ihm – und du wirst gehalten und erhalten in Ihm: der Friede bewahrt dich in Christo Jesu – Jesus Christus bewahrt dich im Frieden.

Das ist eine wunderbare Weise mit dem Frieden, daß er so gnadenvoll ist und die Seele so still macht. Voller Sünden, voller Schuldbewußtsein, voller Unruh, ein Meer voll Elend ist mein Geist, – und nun ists so still in mir: kein Hauch über meinen Waßern. Ich bin in Jesu, mein Herz hängt an Ihm, meine Gedanken umkreißen Ihn, meine Seele erhebt den Herrn, mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes. Es geht sehr lieblich zu beim Frieden – und doch kann ichs nicht sagen, nicht predigen, nicht preisen nach Würden. Stille Feier – sichere Ruhe – Jesus im Blick. Ich bin gewis, sagt eine Säule des Friedens, daß weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes, noch Tiefes, noch keine andre Creatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. – Wer will uns scheiden? – wer will verdammen? – Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? – Der Friede Gottes bewahrt uns Herzen und Sinne in Christo Jesu!

Theure Freunde und Brüder. Die Adventszeit schließt. Die Vorbereitung auf Weihnachten geht zu Ende. Maria geht nach Bethlehem. Der Himmel stimmt seine Harfen. Der Geburtstag des Erlösers der Welt ist vor der Thür. Bald singt der selige Chor aus allen Lüften: Friede auf Erden! Friede Gottes sei mit Euch zum Beginne des hohen Festtags. – Es ist Friede: keiner sorge. Feget die Sorge aus, wie der Jude vor dem Passah den Sauerteig. Leget betend alle eure Sorgen nieder. Wenn die Krippe des Erlösers ins Licht gestellt wird, ein solcher Beweis der Huld und Gnade Gottes, braucht es keine Sorgen mehr. Selbst die Sorge und Furcht vor dem Richter der Welt und seinem Advent geht in den Jubel Seiner Geburtsnacht über! – Lob und Preis und Dank, Harfe und Posaune werde bereitet und die Fülle des Lobes und Dankes ertöde alle Qual der Sorgen! – Allen Menschen werde Eures Herzens Genüge, Zufriedenheit, Güte und Lindigkeit kund. Schenket den Schuldnern, gebet den Armen, brecht den Hungrigen das Brot, die Nackten kleidet, die Verlaßenen führet ins Haus, den Feinden verzeihet, vergeltet Böses mit Gutem, sammelt feurige Kohlen auf den Häuptern der Beleidiger, stiftet allenthalben Friede und habt Geduld mit den Schwachen und zagen Brüdern, die Euch und Eure Schritte hemmen. – Das wirke in Euch die Freude an Dem, der in die Krippe kommt, und der oben kommen wird in des Himmels Wolken. Und die Freude, die ihr habet, werde überwogen von der, welche ihr haben werdet – wenn unser Festtag kommt und mit der eintreffenden Zeit die seligsten Erinnerungen freudenvoller auf unsre Seele wirken.

Freuet euch in dem Herrn allewege,

Und abermal sage ich euch: Freuet euch!

Herr Jesu! Amen.

Die Winterpostille

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