Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 410
VIERTE SZENE
ОглавлениеEin Saal in Albanys Palast. [Daselbst ]
Kent tritt auf, verkleidet.
KENT
Kann ich so gut nur fremde Sprache borgen,
Die meine Red entstellt, so mag vielleicht
Mein guter Will in vollem Maß erstreben
Das Ziel, um das mein Wesen ich verhüllte.
Nun, du verbannter Kent, kannst du dort dienen,
Wo du verdammt bist, so geschieht es wohl,
Daß dein geliebter Herr dich treu erfindet.
Jagdhörner hinter der Szene; Lear, Ritter und Gefolge treten auf.
LEAR
Laßt mich keinen Augenblick auf das Essen warten; geht, laßt anrichten!
Einer vom Gefolge geht ab. Nun, wer bist du?
KENT
Ein Mann, Herr!
LEAR
Was ist dein Beruf? Was willst du von Uns?
KENT
Mein Beruf ist, nicht weniger zu sein, als ich scheine, dem treu zu dienen, ders mit mir versuchen will, den zu lieben, der ehrlich ist, mit dem zu verkehren, der Verstand hat und wenig spricht, das Jüngste Gericht zu fürchten, zu fechten, wenn ichs nicht ändern kann, und keine Fische zu essen.
LEAR
Wer bist du?
KENT
Ein recht treuherziger Kerl und so arm als der König.
LEAR
Wenn du als Untertan so arm bist wie er als König, dann bist du arm genug. Was willst du?
KENT
Dienst.
LEAR
Wem willst du dienen?
KENT
Euch.
LEAR
Kennst du mich. Alter?
KENT
Nein; aber Ihr habt etwas in Euerm Wesen, das ich gern Herr nennen möchte.
LEAR
Was ist das?
KENT
Hoheit.
LEAR
Was für Dienste kannst du tun?
KENT
Ich kann rechtschaffene Dinge geheimhalten, reiten, laufen, eine hübsche Geschichte schlecht erzählen und eine deutliche Botschaft zur Not ausrichten. Wozu ein gewöhnlicher Mensch brauchbar ist, dafür tauge ich, und das beste an mir ist guter Wille.
LEAR
Wie alt bist du?
KENT
Nicht so jung, Herr, ein Mädchen ihres Gesanges wegen zu lieben, noch so alt, um ohne alle Ursache in sie vergafft zu sein; ich habe achtundvierzig Jahre auf dem Rücken.
LEAR
Folge mir, du sollst mir dienen; wenn du mir nach dem Essen nicht schlechter gefällst, so trennen wir uns nicht so bald. - Das Essen, holla, das Essen! - Wo ist mein Bursch, mein Narr? Geh einer und ruf mir meinen Narren her!
Einer aus dem Gefolge geht ab. Der Haushofmeister kommt. Ihr da! - He! - Wo ist meine Tochter?
HAUSHOFMEISTER
Verzeiht mir -
Er geht ab.
LEAR
Was sagt der Schlingel da? Ruft den Tölpel zurück.
Ein Ritter geht dem Haushofmeister nach. Wo ist mein Narr, he? - Ich glaube, die Welt liegt im Schlaf. - Der Ritter kommt zurück. Nun? Wo bleibt der Lümmel?
RITTER
Er sagt, Mylord, Eurer Tochter sei nicht wohl.
LEAR
Warum kam denn der Flegel nicht zurück, als ich ihn rief?
RITTER
Herr, er sagte mir sehr rund heraus, er wolle nicht.
LEAR
Er wolle nicht?
RITTER
Mylord, ich weiß nicht, was vorgeht; aber nach meiner Ansicht begegnet man Eurer Hoheit nicht mehr mit der ehrerbietigen Aufmerksamkeit, wie man pflegte; es zeigt sich ein großes Abnehmen der Höflichkeit sowohl bei der Dienerschaft als auch beim Herzog und Eurer Tochter selbst.
LEAR
Ha, meinst du?
RITTER
Ich bitte Euch, verzeiht mir, Mylord, wenn ich mich irre, denn mein Diensteifer kann nicht schweigen, wenn ich Eure Hoheit beleidigt glaube.
LEAR
Du erinnerst mich nur an meine eigne Wahrnehmung. Ich habe seit kurzem eine sehr kalte Vernachlässigung bemerkt, doch schob ichs mehr auf meine argwöhnische Gemütsart als auf einen wirklichen Vorsatz und absichtliche Unfreundlichkeit. Ich will genauer darauf acht geben. Aber wo ist mein Narr? Ich hab ihn in zwei Tagen nicht gesehn.
RITTER
Seit der jungen Fürstin Abreise nach Frankreich, gnädiger Herr, hat sich der Narr ganz abgehärmt.
LEAR
Still davon; ich hab es wohl bemerkt. Geht und sagt meiner Tochter, ich wolle sie sprechen. -
Einer aus dem Gefolge geht ab. Und Ihr ruft meinen Narren! Ein weiterer aus dem Gefolge geht ab. Der Haushofmeister kommt. O Ihr, Herr, Ihr, Herr, kommt doch näher, Herr, wer bin ich, Herr?
HAUSHOFMEISTER
Myladys Vater.
LEAR
Myladys Vater? Mylords Schurk! Du verdammter Hund, du Lump, du Schuft!
HAUSHOFMEISTER
Ich bin nichts von alledem, Mylord, ich bitte mirs aus.
LEAR
Wirfst du mir Blicke zu, du Hundsfott?
Er schlägt ihn.
HAUSHOFMEISTER
Ich lasse mich nicht schlagen, Mylord.
KENT
schlägt ihm ein Bein unter. Auch kein Bein stellen, du niederträchtiger Fußballspieler?
LEAR
Ich danke dir, Bursch, du dienst mir, und ich will dich lieben.
KENT
Kommt, Freund, steht auf, packt Euch! Ich will Euch Unterschiede lehren; fort, fort! Wollt Ihr Eure Flegelslänge noch einmal messen, so bleibt, sonst packt Euch! Fort! Seid Ihr klug? - So!
Er stößt den Haushofmeister hinaus.
LEAR
Nun, mein freundlicher Gesell, ich danke dir, hier ist Handgeld auf deinen Dienst.
Er gibt Kent Geld. Der Narr kommt.
NARR
Laß mich ihn auch dingen; hier ist meine Kappe.
Gibt Kent seine Kappe.
LEAR
Nun, mein schmuckes Bürschchen? Was machst du?
NARR
Höre, Freund, du tätst am besten, meine Kappe zu nehmen.
KENT
Warum, Narr?
NARR
Warum? Weil du's mit einem hältst, der in Ungnade gefallen ist. Ja, wenn du nicht lächeln kannst, je nachdem der Wind kommt, so wirst du bald einen Schnupfen weghaben. Da nimm meine Kappe. Sieh, dieser Mensch da hat zwei von seinen Töchtern verbannt und der dritten wider Willen seinen Segen gegeben; wenn du dem folgen willst, mußt du notwendig meine Kappe tragen. - Nun wie stehts, Gevatter? Ich wollt, ich hätte zwei Kappen und zwei Töchter!
LEAR
Warum, mein Söhnchen?
NARR
Wenn ich ihnen all meine Habe geschenkt hätte, die Kappen behielt ich für mich. Ich habe meine; bettle du dir eine von deinen Töchtern.
LEAR
Nimm dich in acht, du! - Die Peitsche!
NARR
Wahrheit ist ein Hund, der ins Loch muß und hinausgepeitscht wird, während Madame Schoßhündin, die großmäulige Petze, am Feuer stehn und stinken darf.
LEAR
Eine bittre Pille für mich!
NARR
Hör, guter Freund, ich will dich einen Reim lehren.
LEAR
Laß hören.
NARR
Gib acht, Gevatter!
Nicht alles mußt zeigen
Und manches verschweigen,
Nicht alles leih her,
Reit wenig, geh mehr,
Glaub wenig, hör viel,
Setz wenig beim Spiel,
Laß Dirnen und Wein,
Halt im Hause dich fein,
Und aufs Schock wird dir gehn
Mehr als sechs mal zehn!
LEAR
Das ist nichts, Narr.
NARR
Dann ists gleich dem Wort eines unbezahlten Advokaten; du gabst mir nichts dafür. Kannst du von nichts keinen Gebrauch machen, Gevatter?
LEAR
Ei nein. Söhnchen, aus nichts wird nichts.
NARR
zu Kent. Bitt dich, sag ihm doch, geradesoviel trage ihm die Rente seines Landes; er wirds einem Narren nicht glauben.
LEAR
Ein bittrer Narr!
NARR
Weißt du den Unterschied, mein Junge, zwischen einem bittren Narren und einem süßen Narren?
LEAR
Nein, Bursch, lehr ihn mich!
NARR
Der dirs geraten, Lear,
Dein Land zu geben hin,
Den stell hierher zu mir,
Oder steh du für ihn.
Der süß und bittre Narr
Zeigt sich dir nun sofort.
Der ein im scheckgen Wams,
Den andern siehst du dort.
LEAR
Nennst du mich Narr, Junge?
NARR
Alle deine andern Titel hast du weggeschenkt, mit diesem bist du geboren.
KENT
Darin ist er nicht so ganz Narr, Mylord.
NARR
Nein, mein Seel, Lords und andere große Herren würdens mir auch nicht ganz lassen; hätt ich ein Monopol darauf, sie müßten ihr Teil daran haben, und die Damen ebenso, die würden mir auch den Narren nicht allein lassen, sie würden was abhaben wollen. Gib mir ein Ei, Gevatter, ich will dir zwei Kronen geben.
LEAR
Was für zwei Kronen werden das sein?
NARR
Nun, nachdem ich das Ei durchgeschnitten und das Inwendige herausgegessen habe, die beiden Kronen des Eis. Als du deine Krone mittendurch spaltetest und beide Hälften weggabst, da trugst du deinen Esel auf dem Rücken durch den Dreck; du hattest wenig Witz in deiner kahlen Krone, als du deine goldne wegschenktest. Wenn ich diesmal in meiner eignen Manier rede, so laß den peitschen, ders zuerst so findet.
Singt:
Den Narrn blüht heuer wenig Glück,
Denn Weise wurden Laffen;
Mit ihrem Witz gings sehr zurück,
Benehmen sich wie Affen.
LEAR
Seit wann bist du so reich an Liedern, he?
NARR
Das bin ich, Gevatter, seit du deine Töchter zu deinen Müttern gemacht hast; denn als du ihnen die Rute übergabst und dir selbst deine Hosen herunterzogst,
Da weinten sie aus freudgem Schreck,
Ich sang aus bitterm Gram,
Daß solch ein König Butzemann spielt'
Und zu den Narren kam.
Bitt dich, Gevatter, nimm einen Schulmeister an, der deinen Narren lügen lehre; ich möchte gern lügen lernen.
LEAR
Wenn du lügst, Bursch, so werden wir dich peitschen lassen.
NARR
Mich wundert, wie du mit deinen Töchtern verwandt sein magst; sie wollen mich peitschen lassen, wenn ich die Wahrheit sage, du willst mich peitschen lassen, wenn ich lüge, und zuweilen werde ich gepeitscht, weil ichs Maul halte. Lieber wollt ich alles in der Welt sein, als ein Narr; und doch möchte ich nicht du sein, Gevatter. Du hast deinen Witz von beiden Seiten abgestutzt und nichts in der Mitte gelassen. Da kommt so ein abgestutztes Ende.
Goneril tritt auf.
LEAR
Nun, Tochter, was soll denn das Stirnband da? Mir scheint, Ihr habt in letzter Zeit die Stirn zu viel gerunzelt.
NARR
Du warst ein hübscher Gesell, als du noch nicht nötig hattest, auf ihr Runzeln zu achten; nun bist du eine Null ohne Ziffern. Ich bin jetzt mehr als du: ich bin ein Narr, du bist nichts. - Ja doch, ich will ja schweigen; das befiehlt mir Euer Gesicht, obgleich Ihr nichts sagt.
Mum, mum,
Wer nicht Krust' bewahrt noch Krum,
Wenn er satt, der bangt noch drum.
Er zeigt auf Lear. Das ist so 'ne leere Erbsenschote!
GONERIL
Nicht Euer Narr bloß, Herr, der alles darf,
Auch mancher Eurer zügellosen Ritter
Sucht stündlich Zank und Unfug, schwelgt und rauft
In unerträglich lästiger Wildheit. Herr,
Ich glaubte, wenn ich dies Euch angezeigt,
Ihr würdets ändern; doch befürcht ich nun
Nach dem, was Ihr seit kurzem spracht und tatet,
Ihr schützt dies Treiben selbst und reizt dazu
Durch Euern Beifall. Steht es so, dann fehlt
Die Rüge nicht noch schläft die scharfe Zucht,
Die, zwar, nur strebend nach wohltätigem Frieden,
Vielleicht in ihrem Lauf Euch Kränkung bringt,
Was Schmach uns wäre sonst, doch weise Vorsicht,
Wenn es die Not gebietet.
NARR
Denn du weißt, Gevatter,
Grasmücke so lange den Kuckuck speist,
Bis das Junge ihr schließlich den Kopf abbeißt.
Und da ging das Licht aus und wir saßen im Dunkeln.
LEAR
Bist du meine Tochter?
GONERIL
Hört mich:
Ich wollt. Ihr brauchtet den gesunden Sinn,
Der sonst, ich weiß. Euch ziert, und legtet ab
Die Launen, die seit kurzem Euch verwandelt,
Wie Ihr nicht wirklich seid.
NARR
Kanns nicht ein Esel merken, wenn der Karren das Pferd zieht? - He, Hanne! Ich liebe dich.
LEAR
Kennt mich hier jemand? Nein, das ist nicht Lear!
Geht Lear so? Spricht so? Wo sind seine Augen?
Sein Kopf muß schwach sein oder seine Denkkraft
Im Todessschlaf. Ha, bin ich wach? Es ist nicht so.
Wer ists, der mir kann sagen, wer ich bin?
NARR
Lears Schatten.
LEAR
Ich wüßte es gern; denn nach den Zeichen des Königtums, der Einsicht und der Vernunft wärs Täuschung, wenn ich glaube, ich hätte Töchter.
NARR
Die dich zum gehorsamen Vater machen werden.
LEAR
Euer Name, schöne Frau?
GONERIL
Dies Staunen, Herr, schmeckt allzu sehr nach andern
Von Euern neuen Grillen. Ich ersuch Euch,
Nicht meine wahre Absicht zu mißdeuten.
So alt und würdig, seid verständig auch,
Ihr haltet hundert Ritter hier und Knappen,
So wildes Volk, so schwelgerisch und frech,
Daß unser Hof, befleckt durch ihre Sitten,
Gemeiner Schenke gleicht. Unzucht und Prassen
Stempelt ihn mehr zum Weinhaus und Bordell
Als fürstlichen Palast. Scham selber heischt
Abhülfe schleunig: Seid deshalb ersucht
Von der, die sonst sich nimmt, um was sie bat,
Ein wenig zu vermindern Euern Schwarm;
Und wählt den Rest, der Euerm Dienst verbleibt,
Aus Männern, wohlanständig Euerm Alter,
Die sich und Euch erkennen.
LEAR
Höll und Teufel!
Sattelt die Pferde, ruft all mein Gefolg! -
Entarteter Bastard, ich will dich nicht
Belästigen; noch bleibt mir eine Tochter.
GONERIL
Ihr schlagt mein Dienstvolk, und Eur frecher Troß
Macht beßre sich zu Knechten.
Albany tritt auf.
LEAR
Weh, wer zu spät bereut! -
Zu Albany. O Herr, seid Ihrs? Ist das Eur Wille? Sprecht! - Bringt meine Pferde! - Undankbarkeit, du marmorherzger Teufel, Abscheulicher, wenn du dich zeigst im Kinde, Als Meeresungeheuer!
ALBANY
Bitte, faßt Euch,
Mylord!
LEAR
zu Goneril. Verruchter Geier, wie du lügst! Mein Volk sind ausgewählte wackre Männer, Höchst kundig aller Pflichten ihres Dienstes, Und die mit strenger Achtsamkeit genau Halten auf ihre Ehre. O kleiner Fehl, Wie schienst du an Cordelien mir so greulich, Daß du, wie folternd, mein natürlich Wesen Verrenkt, dem Herzen alle Lieb entrissen, Zu Galle sie gemacht! O Lear, Lear, Lear! Schlägt an die Stirn. Schlag an dies Tor, das deine Tollheit einließ, Die Urteilskraft hinaus! - Geht, gute Leute!
ALBANY
Herr, ich bin schuldlos, ja ich ahne nicht,
Was Euch bewegt.
LEAR
Es kann wohl sein, Mylord! -
Hör mich, Natur, hör, teure Göttin, hör mich!
Hemm deinen Vorsatz, wenns dein Wille war,
Ein Kind zu schenken dieser Kreatur!
Unfruchtbarkeit sei ihres Leibes Fluch!
Vertrockn ihr die Organe der Vermehrung;
Aus so entartetem Leib erwachse nie
Ein Säugling, sie zu ehren. Muß sie kreißen,
So schaff ihr Kind aus Zorn, auf daß es lebe
Als widrig quälend Mißgeschick für sie!
Es grab ihr Runzeln in die junge Stirn
Und ätz mit Tränenströmen Furchen ein
In ihr Gesicht; all Muttersorg und Wohltat
Erwidr es ihr mit Spott und Hohngelächter,
Daß sie empfinde, wie es schärfer nagt
Als Schlangenzahn, ein undankbares Kind
Zu haben! - Fort, hinweg!
Er geht ab.
ALBANY
Nun, ewge Götter, was bedeutet dies?
GONERIL
Nicht kümmert Euch, die Ursach zu erfahren;
Laßt seiner wilden Laune nur das Ziel,
Das Torheit ihr gesteckt.
Lear kommt zurück.
LEAR
Was? Fünfzig meiner Leut auf einen Schlag?
In vierzehn Tagen?
ALBANY
Gnädiger Herr, was ists?
LEAR
Ja, hör mich! -
Zu Goneril. Höll und Tod! Ich bin beschämt, Daß du so meine Mannheit kannst erschüttern, Daß heiße Tränen, die mir wider Willen Entstürzen, dir geweint sein müssen. Pest Und Giftqualm über dich! - Wunden des Vaterfluchs, zu tief für Heilung, Die spür in jeder Faser deines Wesens! Ihr alten kindischen Augen, weint noch einmal Um dies Geschehn, ich reiß euch aus und werf Euch mit den Tränen hin, die ihr vergießt, Den Staub zu löschen! Dahin ists gekommen? - Laß es so sein, ich hab noch eine Tochter, Die ganz gewiß mir freundlich ist und liebreich. Wenn sie dies von dir hört, mit ihren Nägeln Zerfleischt sie dir dein Wolfsgesicht. Dann findst du Mich wieder in der Art, von der du denkst, Ich habe sie auf immer abgeworfen. [Du sollst, das schwör ich dir! ] Lear, Kent und Gefolge gehen ab.
GONERIL
Habt Ihrs gehört, Mylord?
ALBANY
Bei meiner großen Liebe, Goneril,
Kann ich nicht so parteiisch sein.
GONERIL
Ich bitt Euch, laßt das gut sein!
He, Oswald, he! -
Zum Narren. Ihr da, mehr Schurk als Narr, folgt Eurem Herrn!
NARR
Gevatter Lear, Gevatter Lear, wart und nimm den Narren mit dir!
'ne Füchsin, wenn man sie fängt,
'ne Tochter wie diese: gehenkt
Gehören sie beide. Verschenkt
Hätt die Kapp ich fürn Strick, daß sie hangen!
So der Narr hinterher kommt gegangen.
Geht ab.
GONERIL
Der Mann war gut beraten. - Hundert Ritter!
Politisch wärs und sicher, hundert Ritter
Zur Hand ihm lassen: daß bei jedem Traum,
Bei jeder Grill und Laune, Klag und Unlust,
Er seine Torheit stützt auf ihre Macht,
Und unser Leben hing an seinem Wink. -
He, Oswald, he!
ALBANY
Du fürchtest wohl zu viel.
GONERIL
Besser, als traut ich ihm zu viel. Laß mich
Wegschaffen einen Schaden, den ich fürchte,
Statt fürchten, selber weggeschafft zu werden.
Ich kenn sein Herz. Was er geäußert, schrieb ich
Der Schwester. Nimmt sie ihn, die hundert Ritter,
Zu sich, da ich den Nachteil zeigt -
Der Haushofmeister kommt. Nun, Oswald, Hast du den Brief an meine Schwester fertig?
HAUSHOFMEISTER
Ja, gnädge Frau!
GONERIL
Nimm dir Begleitung mit und schnell zu Pferd;
Belehre sie, was ich besonders fürchte,
Und füge selbst ihr solchen Grund hinzu,
Der dies noch mehr verstärkt. Nun mach dich auf
Und kehre bald zurück!
Der Haushofmeister geht ab. Nein, nein, Mylord, Euer allzugütiges, milchsanftes Wesen, Ich wills nicht schelten; doch Euch trifft, verzeiht, Mehr Tadel, weil Euch Klugheit fehlt, als Lob Für Sanftmut voll Gefahr.
ALBANY
Ob du das Rechte triffst, ich weiß nicht recht;
Wer bessern will, macht oft das Gute schlecht.
GONERIL
Nun, dann -
ALBANY
Gut, gut, - der Ausgang.
Sie gehn ab.