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Teil 1 Theoretische Grundlagen › I. Das Beweisantragsrecht – ein Fremdkörper im Strafverfahren?

I. Das Beweisantragsrecht – ein Fremdkörper im Strafverfahren?

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Das Recht, Beweisanträge zu stellen (§ 244 Abs. 3–6, § 245 Abs. 2 StPO), scheint ein Fremdkörper in der Verfahrenskonstruktion der Strafprozessordnung zu sein: Es bringt ein Verhandlungselement in ein Verfahren, das eigentlich auf dem Grundsatz der Inquisition aufgebaut ist. Das Beweisantragsrecht ist ein prominenter Beleg dafür, dass wir ein gemischtes Strafverfahren haben.

§ 244 Abs. 2 StPO, der die Pflicht zur Amtsaufklärung formuliert, steht in einem seltsamen Gegensatz zu den weiteren Absätzen dieser Norm. Wenn das Gericht wirklich, wie das Gesetz es befiehlt, die Beweisaufnahme „auf alle Tatsachen und Beweismittel“ erstreckt, „die für die Entscheidung von Bedeutung sind“, so scheint eine Erweiterung der Beweisaufnahme über diesen Rahmen hinaus sinnlos zu sein. § 244 Abs. 2 StPO umfasst schon nach seinem Wortlaut schlechthin alle nur denkbaren Gegenstände und Beweismittel, die als Grundlage eines Strafurteils in Betracht kommen können.

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Gleichwohl erweitert § 244 Abs. 3–5 StPO den Umfang der gebotenen Beweisaufnahme offenbar beträchtlich.[1]

Diese Vorschriften führen jenes Verhandlungselement in das Verfahren ein, welches in die Konstruktion eines Strafprozesses wie des unsrigen nicht gut zu passen scheint.

Während § 244 Abs. 2 StPO dem Gericht die Pflicht zur Sachaufklärung positiv auferlegt, formulieren die Vorschriften zum Beweisantragsrecht negativ: Sie sagen nicht, was ein Beweisantrag ist, wer ihn wann und wie stellen darf, sondern nur, unter welchen Voraussetzungen ein Beweisantrag abgelehnt werden muss, darf oder kann. Diese Vorschriften gehen also offensichtlich davon aus, dass es das Phänomen von Beweisanträgen jenseits gesetzlicher Regelung bereits „gibt“, dass ausdrücklicher rechtlicher Regelung bedürftig nur das Ablehnungsverfahren sei.[2]

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Dass die Wahrheitsfindung im Strafverfahren überhaupt von „Anträgen“ der Verfahrensbeteiligten abhängen soll, wäre in der Tat systemwidrig, wenn die folgenden wichtigen Grundsätze des Strafverfahrens wirklich ohne Einschränkung anerkannt wären:

Das Strafverfahren ist eine Veranstaltung im öffentlichen Interesse, nicht im Interesse von Verfahrensbeteiligten, auch nicht des Verbrechensopfers. Der Idee nach kann der Beschuldigte das Verfahren nicht – auch nicht durch ein Geständnis – abwenden oder abkürzen. Das Opfer ist regelmäßig in eine Zeugenrolle abgedrängt. Klageerzwingung, Privatklage und Nebenklage sind nur – teilweise – Ausnahmen, welche diese Regel bestätigen. Nicht die Parteien, sondern der Staat beginnt das Verfahren, führt es durch und bringt es zu einem Ende.

Außerdem ist das Strafverfahren dem Prinzip der materiellen Wahrheit verpflichtet. Diese „Wahrheit“ kann kein Gegenstand von „Verhandlung“ sein oder von „Anträgen“ abhängen, sie ist ein objektiv gegebenes Datum und muss mit objektiven Methoden gefunden, sie muss „erkannt“ werden.

Dies sind im Wesentlichen die Argumente und Sichtweisen der „Identitätslehre“.[3] Sie sieht die richterliche Pflicht zur Sachaufklärung und das Beweisantragsrecht als nahe verwandt bzw. identisch an und meint, dass das Beweisantragsrecht den Umfang der gerichtlichen Ermittlungspflicht nicht erweitern, sondern allenfalls konkretisieren könne.[4]

Eine solche Sicht kann das Beweisantragsrecht nur schwach begründen; es wäre nicht viel mehr als ein Anhängsel der Amtsaufklärungspflicht. Freilich ist sie nicht überzeugend: Sowohl die historische Entwicklung des Beweisantragsrechts als auch seine systematische Verankerung im richterlichen Erkenntnisverfahren legen eine andere Einschätzung nahe.

Beweisantragsrecht

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