Читать книгу Rauch auf Rügen - Witte Wittkamp - Страница 5

EINS

Оглавление

Als sie kam, war er gerade hinter seinem Haus und brachte Helga um. Er schnitt ihr den Kopf ab. Sowas hatte er noch nie gemacht. Aber es war leicht. Leichter als gedacht. Und es gab kaum Blut. Seine Finger krallten sich in ihre weißen Locken, als der Rumpf wegsackte und dann zur Seite fiel. Helga war ein Schaf. Ein weißes Schaf mit einem schwarzen Lamm. Zu seiner Überraschung blökte der Schafskopf in seiner Hand jetzt noch einmal. Und das Lamm antwortete.

Dass sie schließlich da war, spürte er, bevor er sie sah. Bevor sie überhaupt seinen Garten betreten hatte. Er drehte sich um. Sie stand da und sah ihm direkt ins Gesicht.

»Ach. Herr Schiller?«

Es klang ein wenig überrascht. Sie kam näher, selbstbewusst, mit dem ihr eigenen leicht tänzelnden Gang. Und ihrem spöttischen Blick. Schiller wusste, dass er jetzt besser nichts sagte. Da stand sie vor ihm, die Frau, die sein Leben verändert hatte. Für immer verändert. Sein Atem ging schneller. Er ließ den Schafskopf los und versuchte, bei ihr irgendeine Gefühlsregung auszumachen. Vergeblich. Aber das würde sich ändern, da war er sicher. Sie blickte auf das tote Schaf.

»Ach, Herr Schiller …«

Diesmal klang es ein wenig herablassend. Aber das störte ihn kaum. Viel mehr ärgerte er sich über das ›Herr‹. Er hatte auch einen Vornamen. Und den kannte sie. Genauso wie er ihren Namen kannte: Annekatrin. Annekatrin Struve.

Sie hatte das schwarze Lämmchen auf den Arm genommen, es schmiegte sich zitternd an ihre Brust. Sie ging über den Rasen auf das Haus zu und schaute sich systematisch um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie einen weißen Plastikanzug trug und Plastiktüten über ihre pinkfarbenen Sneakers gezogen hatte. Wie die Spurensicherung im Fernsehen.

»Sie wissen, warum ich hier bin?«

»Natürlich«, sagte Schiller schnell. »Aber das war das erste Mal. Wirklich.«

»Sie meinen Helga? Das interessiert mich im Moment nicht«, sagte sie, während sie an ihm vorbei zur anderen Seite des Gartens ging. Offenbar immer noch auf Spurensuche. Schiller schwieg.

»Ich will Ihnen doch helfen, Herr Schiller«, sagte sie und drehte sich vor der hohen Hecke zu ihm um. »Aber dazu müssen Sie mir auch entgegenkommen.«

Den Satz hatte er von ihr schon gehört. Mehrfach. Immer wieder. Er war ihr doch immer entgegengekommen. Und zum Dank hatte sie ihn für dreieinhalb Jahre in den Knast gebracht. Diese Polizistin hatte vom ersten Tag an ein mieses Spiel mit ihm gespielt. Und aus diesem Grund war sie jetzt hier.

»Na klar, Annekatrin«, sagte er mit einem feinen Lächeln, »ich komme dir entgegen.«

Schiller ging auf Annekatrin Struve zu, die das zitternde schwarze Lamm vorsichtig auf den Boden setzte. Als sie sich aufrichtete, ließ sie beide Arme sinken, die Handflächen nach vorne, eine Geste, die wohl sagen sollte: Jetzt bin ich ganz für dich da.

»Dreieinhalb Jahre«, sagte er und ging weiter auf sie zu. Langsam zog er dabei das Fleischermesser aus seinem Gürtel. Jetzt gab es bei ihr eine Gefühlsregung, wenn auch nicht die, die er erwartet hatte. Sie lachte. Sie lachte ihn aus. Mit einer Bewegung, als wollte er sie umarmen, stieß er ihr das Messer etwas unterhalb des Schulterblatts in den Rücken. Diesmal gab es Blut. Sehr viel Blut sogar. Es kam aus ihrem Mund. Und der Kopf des toten Schafs, der auf dem Rasen lag, blökte noch einmal. Oder war sie das jetzt gewesen?

Rauch auf Rügen

Подняться наверх