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Relativbewegungen und Tripelpunkte

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Die Relativbewegungen zweier Platten erfolgen an verschiedenen Stellen ihrer gemeinsamen Grenze nicht gleich schnell, nur die Winkelgeschwindigkeit ist die gleiche. Entlang ein und derselben Transformstörung ist die Bewegung gleich groß, weil alle Punkte entlang der Störung gleich weit vom gemeinsamen Rotationspol der beiden Platten entfernt liegen. Entlang der Grenze zwischen zwei divergierenden Platten wird die Spreizungsrate desto kleiner sein, je mehr man sich dem Rotationspol nähert, im Pol selbst wird sie auf Null reduziert (Abb. 2.4). Das Gleiche gilt sinngemäß für Einengungsraten zwischen konvergierenden Platten. 90° vom gemeinsamen Rotationspol der Platten entfernt ist die Bewegung am größten, und zwar entlang der einzigen möglichen Transformstörung, die einen Großkreis nachzeichnet: entlang des Äquators der Rotation.

Die Abnahme der Geschwindigkeit der Relativbewegung vom Äquator zum gemeinsamen Rotationspol erfolgt nach der Beziehung

vα = v0 cos α,

wobei vα die Geschwindigkeit der Relativbewegung auf einem Kleinkreis ist, der sich im Winkel α vom Äquator entfernt befindet (Abb. 2.4). Beträgt die Geschwindigkeit am Äquator der Rotation v0, so ist z. B. 30° vom Äquator entfernt (α = 30°)


und am gemeinsamen Rotationspol v90 = 0.

Das Plattenmuster der Erde enthält eine Anzahl von Tripelpunkten, das sind Stellen, an denen sich drei Platten oder drei Plattengrenzen treffen. Die Natur der Tripelpunkte kann sehr komplex sein. Der einfachste Fall ist ein Tripelpunkt, an dem drei ozeanische Rücken zusammenlaufen, auch RRR-Tripelpunkt genannt: R steht für (Mittelozeanischer) Rücken. Besitzen die drei Spreizungsachsen gleich hohe Ausbreitungsraten, so wird sich ein Gleichgewichtszustand einstellen, bei dem die drei Plattengrenzen in einem Winkel von 120° zueinander stehen (Abb. 2.5). Dies würde bei einem Tripelpunkt über einem gleichmäßig aufsteigenden Manteldiapir der Fall sein, wenn nicht Zwänge von anderen Platten eine Verzerrung verursachen.

Geht man davon aus, dass die Bewegung jeder einzelnen Platte jeweils mit der Geschwindigkeit v : 2 senkrecht vom Rücken weg verläuft, so ergibt sich die in Abbildung 2.5 dargestellte Geometriebeziehung. Die Vektoren, die senkrecht zur Spreizungsachse stehen, zeigen nur die Relativbewegung zweier benachbarter Platten an. Betrachtet man den Tripelpunkt als fixiert, dann bewegt sich Platte B mit der Geschwindigkeit v : – in Richtung Ost-Nord-Ost (60°). Da die anderen Platten entsprechende Bewegungen ausführen, erscheint die Auseinanderbewegung zweier Punkthälften (P’ und P″), die gemeinsam an einem der Rücken gebildet wurden (P), als eine senkrecht zum Rücken verlaufende Relativbewegung. Der tatsächlich zurückgelegte Weg ist aber größer als der Abstand zum Rücken.

Ein Beispiel für eine solche Situation findet sich im Südatlantik, wo nahe am Mittelozeanischen Rücken der Heiße Fleck bei den Tristanda-Cunha-Inseln Vulkanbauten speist. Der Heiße Fleck erzeugte sowohl auf der Südamerikanischen als auch auf der Afrikanischen Platte Vulkane, die dann auf ihrer jeweiligen Plattenunterlage wegdrifteten (Abb. 2.6). Die Spuren dieses Heißen Flecks sind daher an den Vulkanketten abzulesen, die vom Heißen Fleck in Richtung NW (Rio-Grande-Rücken) und NO (Walfischrücken) ziehen. Wenn der Heiße Fleck dem Punkt P in dem oben gezeigten Beispiel entspricht, dann sind die Vulkane in einem bestimmten Abstand vom Heißen Fleck die Punkte P’ und P″, die das gleiche Alter besitzen. Je weiter die Vulkane vom Heißen Fleck entfernt sind, desto älter sind sie. Das Beispiel zeigt, dass die Relativbewegung der beiden Platten ziemlich genau Ost-West verläuft, was auch durch die Ausrichtung der Transformstörungen belegt wird. Die Bewegung der Platten relativ zum Heißen Fleck richtet sich aber nach NW für die Südamerikanische und nach NO für die Afrikanische Platte. Ist der Heiße Fleck ortsfest, dann zeigen Rio-Grande-Rücken und Walfischrücken die Absolutbewegung der Platten an. Heute liegt der Heiße Fleck in einiger Entfernung vom Mittelozeanischen Rücken auf der Afrikanischen Platte, so dass nur noch in der Verlängerung des Walfischrückens neue untermeerische Vulkane entstehen.


Abb. 2.5: Bewegungsrichtung und geschwindigkeit dreier Platten an einem RRRTripelpunkt (drei Rückensysteme treffen zusammen). Die Relativbewegungen zweier Platten zueinander entsprechen nicht der absoluten Plattenbewegung, die z. B. durch Vulkanketten, die an einem (ortsfesten) Heißen Fleck gebildet wurden, nachgezeichnet wird. Zur Veranschaulichung sind ozeanische Krustenstreifen gleichen Alters farblich abgestuft.


Abb. 2.6: Beispiel für einen Heißen Fleck (Tristan da Cunha), der Vulkanbauten nahe einem Mittelozeanischen Rücken speist. Der Walfisch-Rücken befindet sich auf der Afrikanischen, der Rio-Grande-Rücken auf der Südameri kanischen Platte. Die Rücken zeichnen die absolute Bewegung der beiden Platten nach. Die Zahlen geben die Alter der vulkanischen Gesteine in Millionen Jahren an.


Abb. 2.7: Vektordiagramm zur Bestimmung der Relativbewegungen zwischen drei Platten um einen Tripelpunkt wie in Abb. 2.5 dargestellt. Der Vektor AvB gibt die Bewegungsgeschwindigkeit und richtung von Platte B relativ zu Platte A an.

Die Relativbewegungen der Platten können in einem Vektordiagramm dargestellt werden. Abbildung 2.7 folgt der Darstellungsmethode von McKenzie & Parker [1967]. Befindet sich ein Beobachter auf Platte A, so bewegt sich Platte B mit der Geschwindigkeit v genau in Richtung Osten von ihm weg (AvB). Steht er auf Platte B, bewegt sich Platte C mit der gleichen Geschwindigkeit nach SSW, steht er auf Platte C, bewegt sich Platte A mit der gleichen Geschwindigkeit nach NNW. Damit kommt er wieder zum Ausgangspunkt, und die Bedingungen der Vektorgleichung

AvB + BvC + CvA = 0

sind erfüllt. Mit dem Diagramm sind die Relativbewegungen dreier Platten um einen Tripelpunkt anschaulich ausgedrückt. Sind zwei Vektoren bekannt, ergibt sich daraus der dritte.

Ein RRR-Tripelpunkt befindet sich im Indischen Ozean zwischen Afrikanischer, Indisch-Aus tralischer und Antarktischer Platte (Abb. 2.8). Die Plattendrift folgt nicht dem vorgestellten symmetrischen Beispiel eines RRR-Tripelpunkts, doch sind die geometrischen Bedingungen erfüllt, wie das Vektordiagramm zeigt.


Abb. 2.8: RRRTripelpunkt zwischen Afrikanischer, Indisch-Australischer und Antarktischer Platte im Indischen Ozean. Das Vektordiagramm zeigt die unterschiedlichen Spreizungsraten und richtungen.

Es gibt eine Reihe weiterer möglicher Situationen an Tripelpunkten, auch solche, an denen sich drei Subduktionszonen treffen, wie dies z. B. im westlichen Pazifik zwischen Eurasischer, Pazifischer und Philippinischer Platte verwirklicht ist (Abb. 1.2). Eine Anzahl von Konstellationen ist aber geometrisch nicht möglich (z. B. fast immer, wenn mehrere Transformstörungen am Tripelpunkt zusammenlaufen) oder macht einen Prozess der Wandlung durch, bis ein stabiler, über längere Zeit gleich bleibender Zustand erreicht ist.


Abb. 2.9: RTF-Tripelpunkt mit zugehörigem Vektordiagramm [McKenzie & Parker 1967]. a) Instabile Situation. b) Stabile Situation des Tripelpunkts, wenn Platte A unter Platte B abtaucht. c) Stabile Situation, wenn Platte B unter Platte A abtaucht.

Zwei RTF-Tripelpunkte vor Nordamerika

Kompliziertere Verhältnisse herrschen an einem RTF-Tripelpunkt, an dem sich eine konstruktive (R für Rücken), eine destruktive (T für Tiefseerinne als Ausdruck einer Subduktionszone) und eine konservative Plattengrenze (F für TransFormstörung) treffen. In Abbildung 2.9a ist ein von McKenzie & Parker [1967] vorgeschlagener theoretischer Fall dargestellt. Platte A wird mit der Geschwindigkeit v unter Platte B in Richtung Süden subduziert (die Zähnchen entlang des subduzierenden Plattenrandes befinden sich immer auf der Oberplatte). Platte C bewegt sich von B mit 2 · v/2 = v in Richtung Westen weg. Es resultiert eine rechtsseitenverschiebende Bewegung mit der Geschwindigkeit v · – entlang der Transformstörung (rechts seitenverschiebend heißt: Wenn ein Beobachter auf einer der beiden Platten steht und in Richtung der anderen blickt, dann bewegt sich diese nach rechts).

Die in Abbildung 2.9a dargestellte Geometriebeziehung ist jedoch nicht stabil und daher nur eine Momentaufnahme. Neue ozeanische Kruste, die an der Spreizungsachse zwischen Platte B und C im Tripelpunkt gebildet wird (Punkt P), muss, sofern sie Platte C zugehört, parallel zur Transformstörung nach NW wandern (P’), da sonst hier eine Lücke entstehen würde. Damit sich aber die andere Hälfte von P (P″) von dem sich nach NW bewegenden Punkt P’ aus gesehen senkrecht zur gemeinsamen Spreizungsachse Richtung Osten entfernt, muss P″ um den gleichen Betrag nach NO wandern. Da Platte B nicht subduziert wird, bleibt P″ an der Oberfläche und bestimmt damit den Verlauf des Plattenrands an der Subduktionszone. Die Plattengrenze nimmt somit eine SW-NO-Orientierung ein. Der Tripelpunkt kann auf diese Weise über längere Zeiträume stabil bleiben. Die Subduktion verläuft 45° schräg zur Plattengrenze A/B (Abb. 2.9b).

Eine andere Plattengeometrie entsteht, wenn Platte B unter Platte A subduziert wird (Abb. 2.9c). P″ wird unmittelbar nach seiner Bildung unter Platte A subduziert. Da sich Platte A gegenüber dem Tripelpunkt nach SO verschiebt, richtet sich die Plattengrenze A/B nach SO aus, wodurch die Plattengrenzen A/C und A/B einen gestreckten Verlauf (NWSO) annehmen. Auch hier erfolgt die Subduktion nicht senkrecht zur Plattengrenze. Diese Situation ist vor der nordamerikanischen Westküste gleich zweimal verwirklicht (Abb. 2.10). Im Golf von Kalifornien treffen der Ostpazifische Rücken (R), die Mittelamerikanische Subduktionszone (T) und ein Äquivalent der San-Andreas-Störung (F) in einem im Detail komplizierten Tripelpunktbereich zusammen. Weiter im Norden, vor der kanadischen Pazifikküste, wiederholt sich diese Situation unter Beteiligung der Nordamerikanischen, der Pazifischen und der fast vollständig subduzierten Juan-de-Fuca-Platte.


Abb. 2.10: Plattentektonische Situation an der Westküste Nordamerikas mit zwei RTF-Tripelpunkten. Beide Tripelpunkt-Situationen entsprechen jener in Abbildung 2.9c. Bewegungsgeschwindigkeiten in cm/Jahr.

Die Rotationspole dreier sich in einem Tripelpunkt treffender Plattenpaare stehen ebenfalls in geometrischer Beziehung zueinander. Sind die Lagen und Winkelgeschwindigkeiten zweier Rotationsachsen bekannt, kann man Lage und Winkelgeschwindigkeit der dritten Achse mit Hilfe einer Vektorgleichung berechnen. Die Winkelgeschwindigkeiten ω der drei Plattenpaare stehen in folgender Beziehung:

AωB + BωC + CωA = 0.

Die Rotationspole für alle drei Plattenpaare liegen auf einem gemeinsamen Großkreis (Abb. 2.11).


Abb. 2.11: Geometrische Beziehung dreier Platten um einen Tripelpunkt [Dewey 1972]. Die gemeinsamen Rotationspole der drei Plattenpaare liegen auf einem Großkreis (weiße Linie).

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