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24. Juni 1990

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Peter Brandt vermutet, dass – ähnlich wie 1949 in der Bundesrepublik – »das große Kapital und die liberal-konservativen Kräfte eine historische Schlacht gewonnen« haben. Dass die Linke nicht gut vorbereitet war auf die neue Virulenz der nationalen Frage, ist ein Faktor, aber nicht der Hauptgrund. Diesen sieht B »in dem für alle unerwartet raschen und radikalen Zusammenbruch des Systems sowjetischen Typs mit der Bürokratie als einer herrschenden und privilegierten Schicht, mit der politischen Diktatur und weitestgehend verstaatlichter Zentralverwaltungswirtschaft und, damit verbunden, in dem dramatischen Niedergang der sowjetischen Weltmachtposition.« (»Die deutsche Linke und die Nation«, Gewerkschaftliche Monatshefte, Mai/Juni, 274).

In derselben Nummer wendet sich Detlef Hensche gegen den »Abschied von antikapitalistischen Zielen« unterm Eindruck der Tatsache, »dass der reale Sozialismus niedergeht bzw. sich radikal verändert« (403). Ohne »weitergesteckte politische Perspektiven« bleibt es bei »Handwerkelei« (»›Der Sozialismus geht‹ – was kommt? Lehren aus dem Niedergang«, 404). Das Reden von Marktwirtschaft »in wichtigen Sektoren pure Ideologie« (wo die Konkurrenz ausgeschaltet ist). Oder gesamtgesellschaftliche Irrationalität als Preis für profitgetriebene innerbetriebliche Rationalisierung. BRD: »Verlagerung sozialer Probleme ins Ausland«. Dritte Welt: »Abhängigkeit, Not und Elend dieser Völker haben sich in den letzten Jahren verschärft. Unter diesem Gesichtspunkt wirken konservativer Siegestaumel über den Erfolg des Kapitalismus zynisch und partnerschaftlicher Burgfrieden einäugig.« (404f) Frauengleichstellung und Ökologie weitere Politikfelder. Ebenso: »Die Durchsetzung und Sicherung individueller Freiheitsräume und die Fortentwicklung der Demokratie«. All das »erfordert Antworten, die den Verwertungsinteressen des Kapitals zuwiderlaufen und durch partnerschaftliche Mitverantwortung nicht zu erreichen sind« (405). »Auch in kapitalistisch geprägten Verhältnissen sind Freiräume, begrenzter Fortschritt, Zonen demokratischer Beteiligung möglich. Sie gilt es auszubauen; einzelne Zugeständnisse sind zu verallgemeinern; Bruchstellen und immanente Widersprüche müssen immer wieder genutzt werden.« Kampf notwendig. Aber »Alternativ-Denken nach dem Prinzip: Konflikt oder Kooperation ist Unfug.« Doch keine Partnerschaft möglich, wegen ungleicher Macht.

Allgemeinere Gründe für die Fehlentwicklung: »Die Arbeiterbewegung war mit Vorrang auf die Macht im Staat und in der Wirtschaft fixiert.« Zitiert Rosa Luxemburg, sehr schön (406), benennt »bürokratische und zentralistische Wurzeln« und die »Dominanz des Repräsentations- und Stellvertreter-Systems« (407): »Die Versuchung ist immer wieder groß, sein Amt für die Kollegen einzusetzen, für sie zu handeln und zu verhandeln – in bester Absicht, versteht sich –, nicht jedoch mit ihnen zu handeln und zu kämpfen.« (Ebd.) Er denkt die Kritik an der Neuen Heimat parallel zur Kritik am »Realsozialismus«. – Dann plötzlich Gramsci! »Proletkult und Intellektuellenvorbehalte haben eine lange Tradition, auch bei uns. Dabei wissen wir spätestens seit Gramsci, dass nicht allein der starke Arm des Arbeiters, sondern ebenso die öffentliche Meinung, die kulturelle Hegemonie über die eigene Durchsetzungskraft entscheiden.« (410)

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