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Strukturelles Technologiedefizit
Оглавление»Ein Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung und weiter zwischen methodischer Vorgehensweise und Ziel, der stabil und eindeutig ist, lässt sich in der Sozialen Arbeit nicht herstellen. Alle Komponenten einer Situation wandeln sich aufgrund der strukturellen Komplexität sozialer Prozesse und sind folglich prinzipiell nicht vorhersehbar. Die Soziale Arbeit verfügt somit über ein ›Technologiedefizit‹ (Luhmann/Schorr 1982). Darum ist es auch nicht möglich, pädagogische Prozesse in Gänze zu steuern, zu kontrollieren und Wirkungen exakt vorherzusagen. Pädagogische Planung muss somit in relativierter und revidierbarer Form erfolgen, beispielsweise mittels konstruierter und immer hypothetischer Wirkungszusammenhänge« (von Spiegel 2018, 255).
Einen gewissen Gegenentwurf zur linearen »Anwendung« wissenschaftlichen Wissens stellt die Konzeption der Sozialen Arbeit – stark in Anlehnung an eine sozialpädagogische Denktradition – als Reflexionswissenschaft dar. Diese zielt letztlich darauf ab, der Praxis ein Bild ihrer selbst zu spiegeln, »so dass deren Nachdenken über sich selbst angereichert werden kann« (Sommerfeld 2011, 43). Dabei wird das Vermittlungsproblem von wissenschaftlichem Wissen in die Praxis aber nicht tatsächlich gelöst, sondern vielmehr das Auflösen der Dominanz der Wissenschaft gegenüber der Praxis in der »Ideologie der Reflexion verschleiert« (ebd. 44). Die hochkomplexe Vermittlung zwischen Wissenschaft und Praxis wird nun dem*der einzelnen unter Handlungsdruck stehenden Professionellen übertragen. Für die professionell handelnde Person besteht die Aufgabe nun darin, die Integration von wissenschaftlichem Wissen in die eigenen Praxisbezüge im Rahmen der »stellvertretenden Deutung« (Haupert & Kraimer 1991) zu bewältigen. Die Herausforderung der Relationierung – also wie tatsächlich wissenschaftliches Wissen systematisch in die Handlungspraxis einfließen kann – bleibt jedoch weiterhin bestehen (Sommerfeld 1998; 2011).
In diesem Spannungsfeld führt nun Sommerfeld, basierend auf einem handlungswissenschaftlichen Verständnis, das Modell der Kooperation als wesentlichen Vermittlungsmodus von Wissenschaft und Praxis an (vgl. Sommerfeld 1998; 2003; 2014). Hierbei sollen zum einen die Systemgrenzen von Wissenschaft und Praxis nicht nur aufrechterhalten, sondern auch verstärkt sichtbar gemacht werden. Zum anderen geht es aber darum, die Systemreferenzen durch Austausch- und Kooperationsprozesse höherer Ordnung neu zu gestalten (vgl. Sommerfeld 1998). Wie genau der Austausch und die Kooperation von Wissenschaft und Praxis im Rahmen des Modells von Sommerfeld aussehen, wird in Kapitel 8.2 ausführlicher beschrieben ( Kap. 8.2).