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2.1 Was sind Lernprobleme und Lernbehinderungen?

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Aufgrund der vielfältigen Voraussetzungen erfolgreichen Lernens kann dieses scheitern und dabei zeigen sich unterschiedliche Phänomene, entweder mit Bezug zu spezifischen Inhaltsbereichen – man spricht in diesem Fall von Lernstörungen wie z. B. der Rechenstörung – oder bereichsübergreifend, also einer umfassenden Lernbehinderung. Zudem sind manche der Probleme vorübergehend oder aber sehr stabil. Darüber hinaus gibt es in der Literatur sehr viele Begriffe, die sich mit Lernproblemen beschäftigen und die je nach Disziplin variieren: Lernschwäche, Lernbehinderung, Lernbeeinträchtigung, Lernstörungen und noch viele weitere, wie beispielsweise medizinisch geprägte Begriffe, die entweder Einschränkungen eines Fähigkeitsbereichs andeuten (Dyslexie, Dyskalkulie …) oder deren völliges Fehlen (Aphasie, Alexie, Agnosie …). In bildungswissenschaftlichen Disziplinen wird häufig der Begriff Schwäche, Behinderung oder Beeinträchtigung verwendet, wodurch eher auf ein Kompetenz- oder Fähigkeitsdefizit hingewiesen wird, das es zu kompensieren gilt. In der Psychologie ist dagegen der Störungsbegriff vorherrschend, der eher auf ein gestörtes Zusammenspiel von Teilkomponenten oder ein nicht funktionierendes Gesamtsystem abzielt. In der Folge gilt es, die Gründe für diese Blockade zu finden und zu beheben. ICD und DSM bezeichnen diesem Grundgedanken entsprechend spezifische Lernprobleme als Lesestörung, Rechtschreibstörung usw. (Sammelbegriff »Lernstörungen«). Während diese enger gefassten Begriffe klar definiert und deren Häufigkeiten relativ sicher bekannt sind (z. B. Fischbach et al., 2013), gibt es im deutschen Schulsystem aufgrund des föderalen Bildungssystems der BRD und der damit verbundenen länderspezifischen Verwaltungsregelungen dagegen eine enorme Heterogenität der Definitionen von sonderpädagogischem Förderbedarf und Ausgleichsregelungen bei spezifischen Lernproblemen. In der Folge variiert die Rate an Schülerinnen und Schülern, die entweder in Förderschulen oder inklusiv unterrichtet werden. Hinzu kommen noch jene Schülerinnen und Schüler, die keinen sonderpädagogischen Förderbedarf attestiert bekommen und deren Lernprobleme durch spezifische Verwaltungserlasse adressiert werden. Diese Personen werden meist nicht gesondert statistisch erfasst. Diese inhomogene Datenlage lässt sich am Anteil von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf illustrieren, der beispielsweise 2016/2017 erheblich zwischen den Bundesländern variierte und von 4,2 % im Saarland bis 9,8 % in Mecklenburg-Vorpommern reichte. Er nahm von 6,0 % im Schuljahr 2008/2009 auf 7,1 % zu (Klemm, 2018; Tab. A1 & A2). Ca. 40 % der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf entfallen auf den Förderschwerpunkt »Lernen« (Klemm, 2018, Tab. A5). Etwa 40 % der Schülerinnen und Schüler wurde 2016/2017 inklusiv, d. h. in Regelschulen, unterrichtet, mit einer enormen Spannbreite der Anteile zwischen den Bundesländern. Zu diesen Anteilen kommen jene Fälle in Regelschulen hinzu, die »still integriert« werden, d. h., die trotz umfänglicher Probleme keine spezifische Unterstützung erhalten.

Die enorme Variation der Anteile sonderpädagogischen Förderbedarfs nach Bundesland lässt sich auch dadurch erklären, dass je nach Verwaltungserlass unterschiedlich progressiv diagnostiziert wird. Zudem gibt es regionale Unterschiede hinsichtlich soziodemografischer Variablen, wie z. B. Arbeitslosigkeit oder Strukturwandel, die ihre Spuren in der Schülerschaft hinterlassen. Insgesamt sind die großen Unterschiede jedoch wenig plausibel, sodass die Einschätzung dessen, was als förderbedürftig eingestuft wird, nicht vollständig objektiv geklärt werden kann. Festhalten lässt sich jedoch, dass Lernprobleme mit weitem Abstand der häufigste Anlass für sonderpädagogische Maßnahmen darstellen.

Betrachtet man die Regelungen in den Diagnosemanualen, so tragen diese leider nur begrenzt zu einer Schärfung der Begrifflichkeiten bei: Zwar enthalten DSM-5 und ICD-11 Sektionen zu spezifischen Lernproblemen des Lesens, Schreibens und Rechnens, Spezifikationen zu unterschiedlichen Graden geistiger Behinderung, Sprachproblemen etc., aber nicht zu allgemein unterdurchschnittlicher Lernleistung, die im deutschen Schulsystem unter dem Begriff Lernbehinderung zusammengefasst wird. Eingrenzungen anhand von IQ-Bereichen, wie z. B. der Bereich zwischen IQ 60 und 85, erweisen sich als wenig zielführend, da ein solcher Anteil ca. 15 % der Bevölkerung umfasst. Der Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist jedoch deutlich kleiner, sodass es nicht ausreichen kann, lediglich den IQ zu messen. Daten eigener Untersuchungen (A. Lenhard & Lenhard, 2011) zeigen zudem, dass an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen auch Kinder unterrichtet werden, die hinsichtlich des IQs (über-)durchschnittlich sind, dennoch aber massive Schulleistungsprobleme aufweisen, die beispielsweise aus Aufmerksamkeitsproblemen oder anderen Verhaltensstörungen resultieren. Während die Intelligenz als eine der bewährtesten Informationsquellen zur Vorhersage der generellen Leistungsentwicklung gilt, ist ihre Aussagekraft in spezifischen Personengruppen unter Umständen eingeschränkt, beispielsweise, da es sehr starke Ausfälle in einzelnen Intelligenzbereichen gibt.

Hasselhorn und Gold (2013, S. 177) versuchen, die Unsicherheiten in der Definition von Lernbehinderung mittels IQ-Definitionen zu reduzieren, indem neben einem IQ < 85 zusätzlich Probleme im Lesen, Schreiben und Rechnen auftreten müssen. Neben diesem Operationalisierungsversuch existieren jedoch noch zahlreiche andere Ansätze, wie beispielsweise von Vaughn und Fuchs (2003). Diese gehen vom schulischen Leistungsniveau aus und schlagen vor, jene Kinder als lernbehindert einzustufen, die a) ein niedriges Ausgangsniveau schulischer Leistungen aufweisen und b) über einen längeren Untersuchungszeitraum hinweg keine Fortschritte machen. Lernbehindert sind somit jene Personen, die nicht von Instruktion profitieren, also im eigentlichen Sinn im Lernen behindert sind, da sie keine Fortschritte machen. Diese Definition deckt sich mit älteren Definitionsversuchen aus dem pädagogischen Bereich: »Als lernbehindert gelten Kinder und Jugendliche, die ein chronisch und durchgehend erniedrigtes schulisches Lernniveau haben, bzw. permanent und relativ umfassend beeinträchtigte schulische Aneignungsprozesse aufweisen« (Kobi, 2004). Neuere Definitionen versuchen dagegen, gesellschaftliche Normvorstellungen und institutionelle Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: »Lernbehinderung wird vielmehr verstanden als eine derart ausgeprägte, verschärfte Situation negativer Abweichung im schulischen Lernen, dass die allgemeine Schule, so wie sie im deutschen Bildungssystem existiert, sie nach ihrem Verständnis und Auftrag mit ihren Mitteln und Möglichkeiten (einschließlich zusätzlich aufgewandter Förderung) nicht mehr auf ein erträgliches Ausmaß reduzieren kann und zu tolerieren bereit ist« (Schröder, 2005, S. 95). Im Gegensatz zu den bisherigen Erklärungen, wird in dieser Definition der Schwerpunkt auf die entsprechenden Schulen verlagert, welche mit ihren Mitteln in der Lage sein müssen, dem Förderbedarf nachzukommen. Sollten sie es nicht sein, so gilt das entsprechende Kind als lernbehindert. Weinert und Zielinski (1977) fokussieren auf die Belastungen, die mit der Überwindung von Lernbehinderungen einhergehen: »Lernschwierigkeiten liegen vor, […] wenn die Leistungen eines Schülers unterhalb der tolerierbaren Abweichung von verbindlichen institutionellen, sozialen und individuellen Bezugsnormen liegen [und] wenn das Erreichen (bzw. das Verfehlen) von Standards mit Belastungen verbunden ist, die zu unerwünschten Nebenwirkungen im Verhalten, Erleben oder in der Persönlichkeitsentwicklung des Lernenden führen«. Eine Lernbehinderung liegt also gemäß dieser Definition vor, wenn die Schule überfordert ist, das soziale Umfeld es nicht auffangen kann, und das Kind für sich selbst unterhalb der erwünschten Leistungen liegt. Außerdem ist der Lernprozess mit Belastungen verbunden, welche zu Nebenwirkungen im Leben oder in der Persönlichkeitsentwicklung führen. Basierend auf diesen Definitionsversuchen lässt sich also zusammenfassend festhalten, dass eine Lernbehinderung folgendermaßen gekennzeichnet ist:

Erleben, Lernen und Verhalten von Kindern und Jugendlichen

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