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1. Die Erzählungen über David und Salomo im Licht der Archäologie

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Die Erzählungen der Samuelbücher

Die Erzählungen der Samuelbücher über die ersten Könige Saul, David und Salomo sind außerordentlich umfangreich und ausführlich. Die Leser erfahren selbst kleinste Details aus dem Leben der Protagonisten; man ist Zeuge von Ereignissen, die im Verborgenen stattfinden; lange wörtliche Reden und Dialoge machen die Erzählung lebendig. Man könnte daher meinen, die Quellenlage für das 10. Jahrhundert sei erfreulich gut. Doch die auffällige literarische Eigenart dieser Texte zwingt zu einem anderen Schluss: Diese Erzählungen sind weder Augenzeugenberichte, noch stammen sie aus den Jerusalemer Hofannalen. Vielmehr handelt es sich um Lehrerzählungen, die sehr viel später zum Zwecke der Unterweisung von Prinzen und anderen Eliten geschaffen wurden. Sie drehen sich um Themen wie Herrschaftslegitimation und Loyalität, um Themen also, die jeden König von Israel und Juda betreffen, nicht allein die Gründergestalten. Saul, David und Salomo sind vielmehr paradigmatische Figuren, deren traditionelle Autorität bei den Adressaten der Erzählungen die rechte Haltung zum Königtum hervorrufen soll. Die älteren Erzählungen der Samuelbücher um Saul und David klären das Verhältnis zwischen Benjamin und Juda, die jüngeren Erzählungen, die überwiegend in den Königebüchern zu finden sind, das Verhältnis zwischen Ephraim, d.h. dem ehemaligen Nordreich Israel, und Juda. Beide literarischen Komplexe laufen jedoch darauf hinaus, dass ein legitimes Königtum in Israel nur aus dem Haus David und damit aus Juda kommen kann.

Historischer Kern

Gleichwohl wäre es verfehlt, diese Erzählungen als reine Fiktion zu betrachten. Vielmehr gibt es etliche Hinweise, dass den Erzählungen der Samuelbücher, anders als den Texten in den Büchern Genesis bis Josua, ein historischer Kern innewohnt. Zwei Hinweise stammen aus Inschriften des 9. Jahrhunderts, der Tel-Dan-Inschrift und der Mescha-Stele (ausführlich zu diesen Texten, s. IV.3), die beide das Königreich Juda als „Haus David“ bezeichnen. Hier erscheint David als Dynastiegründer, wie ihn auch die Samuelbücher darstellen. Über die näheren Umstände seiner Herrschaft lassen uns diese Inschriften allerdings im Unklaren.

Historiographische Probleme

Den biblischen Erzählungen zufolge sollen David und Salomo im 10. Jahrhundert v. Chr. geherrscht haben. Archäologische Zeugnisse für moderat ausgebaute Herrschaftsstrukturen im Bergland sind aber erst im 9. Jahrhundert unzweifelhaft vorhanden. Die Frage ist, wann diese Entwicklung von der Dorfkultur zum frühen Staat begonnen hat: bereits im 10. Jahrhundert (zur Zeit Davids und Salomos) oder erst ein Jahrhundert später? Und fand diese Entwicklung auf dem Gebiet des späteren Südreichs Juda statt oder zunächst auf dem Gebiet des Nordreichs Israel?

David und Salomo – biblisch

Gemäß den Erzählungen der Samuel- und der Königebücher über David und Salomo war es diesen beiden Königen gelungen, für eine gewisse Zeit die Vorherrschaft in der südlevantinischen Region zu erlangen. Diese Erzählungen sind als Ganze literarische Kompositionen aus späteren Zeiten und konstruieren politische Konstellationen, die nicht historisch sind: die idealen Regierungszeiten von jeweils vierzig Jahren, die staatsrechtliche Konstruktion eines Vertrages zwischen den Nordstämmen und David, die sogenannte Reichsteilung nach dem Tod Salomos. Die Frage ist also, ob die regionale Hegemonie Davids und Salomos eine rein literarische Konstruktion ist, die den legitimatorischen Interessen der sehr viel später verfassten literarischen Werke dient, oder ob schon die historischen Gestalten eine gewisse Dominanz in der Region ausübten.

Sechskammer-Stadttore

Auf archäologischer Seite dreht sich die Diskussion vor allem um die Datierung einer Reihe von Funden. In landesweiter Perspektive geht es um die sogenannten Sechskammer-Stadttore, die man in Hazor, Megiddo und Geser gefunden hat. Die ersten Ausgräber korrelierten diese Funde mit der Notiz 1 Kön 9,15, wonach König Salomo neben anderen auch diese drei Städte ausgebaut habe. Die Ausgräber datierten daher diese Sechskammertore in das 10. Jahrhundert und werteten diese Koinzidenz als Beweis für eine zentrale, vom Salomonischen Hof aus gesteuerte Bautätigkeit und damit als Bestätigung der regionalen Vorherrschaft Davids und Salomos.

„Standard Chronology“ und „Low Chronology“

Andere Archäologen datieren die Sechskammertore hingegen in das 9. Jahrhundert und schreiben sie der damals im Nordreich Israel regierenden Omriden-Dynastie zu. Sie weisen zudem darauf hin, dass Sechskammertore auch an anderen Orten und aus anderen Zeiten gefunden worden sind. Man nennt diese Hypothese die „low chronology“, während die traditionelle als „standard chronology“ bezeichnet wird. Gemäß den Vertretern der low chronology begann die Entwicklung zu einem zentral verwalteten Königreich erst im 9. Jahrhundert, und dies vor allem im Nordreich. Im 10. Jahrhundert, als David und Salomo mutmaßlich regiert haben, waren nach diesem Modell die Bergländer noch dörflich geprägt. Erst im frühen 9. Jahrhundert hätten die Herrscher der Omridendynastie in Samaria einen zentral organisierten Staat errichtet.

Archäologie Jerusalems

In Jerusalem ist nahezu jeder lokale archäologische Befund aus dieser Zeit umstritten. In Frage steht etwa, ob die Stadt vor der Mitte des 8. Jahrhunderts überhaupt befestigt war. Beispielhaft für diese umstrittene Diskussionslage sind etwa die sogenannte „stepped stone structure“, eine gestufte Stützmauer, und die sogenannte „large stone structure“, ein großes öffentliches Gebäude, beide am Südhang des Tempelberges gelegen, die von manchen Archäologen als Teile des Palastes von David und Salomo interpretiert werden. Andere datieren sie jedoch etwa 100 Jahre später, also in das 9. Jahrhundert. Die archäologische Gesamtsituation scheint jedoch darauf hinzudeuten, dass Jerusalem vielleicht schon im 10., sicher aber im 9. Jahrhundert eine gewisse administrative und politische Bedeutung für das judäische Bergland hatte.

Ausdehnung Jerusalems

Jerusalem hatte zur Zeit Davids etwa dieselbe Ausdehnung wie zur Mitte des zweiten Jahrtausends, es umfasste nur einen südlich des Tempelberges gelegenen Sporn westlich des Kidrontales, d.h. einen Teil der später sogenannten „Davidstadt“. Auf diesen etwa 4,5 ha lebten vielleicht 1000–1500 Personen. Unter Salomo – falls die biblischen Erzählungen zutreffen, sonst etwas später – kamen der Tempel- und Palastbereich sowie der „Ophel“ (= Akropolis) dazu. Nunmehr umfasste Jerusalem etwa 17 ha und bot 5000–7000 Personen Lebensraum. Die in der Literatur genannten Bewohnerzahlen schwanken freilich beträchtlich je nach Berechnungsgrundlage.

Khirbet Qeiyafa

Kontrovers diskutiert werden derzeit auch die Funde aus dem 25 km südwestlich von Jerusalem gelegenen Khirbet Qeiyafa. Ein dort gefundenes Ostrakon (eine beschriftete Tonscherbe) soll nach der einen Auffassung die Existenz einer ausgeprägten Schreiberkultur im davidzeitlichen Juda beweisen, nach der anderen handelt es sich bei der Sprache gar nicht um Hebräisch und bei den Bewohnern der Siedlung nicht um Judäer.

Für Nichtarchäologen sind diese teilweise von Weltanschauungen geprägten und mit politischen Interessen vermischten Debatten nur schwer nachzuvollziehen. Daher seien mit Blick auf Juda und Jerusalem zwei moderate Positionen noch einmal knapp umrissen.

Zwei Hypothesen zu David und Salomo

Die Vertreter der low chronology zeichnen das Bild eines langsamen kontinuierlichen Wachstums in Juda und Jerusalem, der erst Ende des 8. Jahrhunderts ein zentral verwaltetes Königreich hervorbrachte. Israel Finkelstein schreibt: „The kingdom of David and Solomon was no more than a poor, demographically depleted chiefdom centered in Jerusalem, a humble village.“ (The Quest for the Historical Israel, 115). Die Vertreter der standard chronology akzeptieren auch, dass Juda und Jerusalem bis in das späte 8. Jahrhundert infrastrukturell gegenüber dem Nordreich im Rückstand waren, sie ergänzen jedoch, dass – mittelfristige Entwicklungen hin oder her – im 10. Jahrhundert mit David und Salomo zwei außergewöhnliche Herrschergestalten aufgetreten sind, denen es gelang, auch ohne extensive administrative Infrastruktur die Vorherrschaft in der Region für eine gewisse Zeit an sich zu reißen. David war nach Amihai Mazar „a talented, charismatic, and politically astute leader in control of a small yet effective military power“, der als solcher „could have … united diverse population groups under his leadership“ (Quest, 139).

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