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3. Die Herrschaft Davids und Salomos – ein mögliches Szenario
ОглавлениеDavid und Salomo – historisch
In Anbetracht der schwierigen Quellenlage lässt sich mit Hilfe eines gewissen Maßes an historischer Imagination folgendes Szenario entwickeln: Nach einer hundertfünfzigjährigen Phase der Aufsiedelung im Bergland waren die Bevölkerungszahlen und der Ausbaustand der Ortschaften im 10. Jahrhundert v. Chr. so weit gestiegen, dass erstmals die Voraussetzungen für eine regionale Herrschaftsausübung gegeben waren. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch den wirtschaftlichen Rückgang der Stadtstaaten in der Ebene und durch einen ausgeprägten Klimawandel.
David und seine outcasts
Neben den Bewohnern der Dörfer und Städte muss es nichtsesshafte Personen gegeben haben, die in Analogie zu den in den Amarnabriefen erwähnten „Hapiru“ zu verstehen sind. Der Judäer David aus Bethlehem scharte wohl eine Truppe von solchen outcasts um sich und wurde zunächst zu ihrem Anführer, aber in der Folge auch zu einem Machtfaktor in der Region.
Quelle
22,2 Und es sammelten sich um ihn (David) lauter Bedrängte und solche, die verschuldet waren, und andere mit erbittertem Gemüt. Und er wurde ihr Anführer. Und es waren bei ihm etwa vierhundert Mann. (1 Sam 22,2)
David und die Philister
Weiter kann als historisch wahrscheinlich gelten, dass David enge Beziehungen zu den Philistern hatte, sei es als deren Vasall oder als deren Söldner. Die Tradition, die im Hintergrund der Erzählung über den Aufenthalt Davids beim Stadtfürsten von Gat (1 Sam 27) steht, muss wohl auf die Davidzeit selbst zurückgehen, da Gat bereits um das Jahr 830 zerstört wurde (2 Kön 12,18) und zudem das, was da erzählt wird, trotz oder gerade wegen seiner apologetischen Tendenz zu erkennen gibt, dass David mit den Philistern in Verbindung gestanden haben muss. Möglicherweise beruht auch die für die Samuelbücher wichtige Stilisierung des Benjaminiters Saul zu seinem Hauptkonkurrenten auf einer historischen Konstellation. Auch Davids Wirken in Jerusalem muss einen historischen Kern haben, da sich anders der spätere Name „Stadt Davids“ für die Stadt bzw. den ältesten Teil der Stadt nicht erklären lässt.
Die Herrschaft Davids
David muss es um die Mitte des 10. Jahrhunderts gelungen sein, sich sowohl von den Philistern als auch von Häuptlingen des Berglandes zu emanzipieren und seine Herrschaft auszubauen. Aus strategischen Gründen verließ er Hebron, den Hauptort des judäischen Berglandes, und machte die zentraler gelegene, altehrwürdige Stadt Jerusalem zu seiner Residenz. Mit Hilfe seiner Kämpfertruppe konnte er im Hügelland gegen die Philister, im Bergland gegen die benjaminitischen und ephraimitischen Nachbarn sowie im Ostjordanland gegen die Edomiter und Moabiter gewisse Erfolge erringen. Diese Unternehmungen muss man sich freilich eher als Raubzüge vorstellen, von denen man Beute und Kriegsgefangene mitbrachte, nicht als Errichtung einer permanenten Herrschaft. Das „Reich“ Davids war weder ein Territorial- noch ein Nationalstaat.
Die Herrschaft Salomos
David gelang es, seine Herrschaft soweit zu festigen, dass er sie auf seinen Sohn Salomo übertragen konnte. Dieser wirkte wohl weniger als Eroberer denn als Bauherr und Konsolidator. Doch auch bei Salomo kommt man in historischer Hinsicht über gut begründete Spekulationen nicht hinaus. Denn auch die Salomoerzählung 1 Kön 3–10 ist eine literarische Komposition aus sehr viel späterer Zeit, die das Bild eines orientalischen Märchenkönigs entwirft, der einen ebenso märchenhaften Tempel baut.
Beamtenlisten
Historisch relevant sind allenfalls zwei Listen von Beamten, die in 1 Kön 4 eingearbeitet sind. Die erste Liste in 1 Kön 4,2–6 ähnelt den Beamtenlisten Davids (2 Sam 8,16–18 und 2 Sam 20,23–26), ist aber gegenüber jenen ausgebaut. Zur Zeit Davids soll es demnach folgende Funktionäre gegeben haben: Priester, Heerführer, Leibwachenoberst, Schreiber, Herold und Fronaufseher. Unter Salomo kommen als Hofämter der Hausmeier und der Berater hinzu, vor allem aber eine Gruppe von „Vorsteher“ genannten Personen, die in einer zweiten Liste (1 Kön 4,8–19) enthalten sind. Sie waren über das ganze Land verteilt und fungierten vor Ort als Verbindungsleute zu Salomo. Natürlich gibt es keine Garantie, dass diese Listen auf das 10. Jahrhundert zurückgehen, aber wenn überhaupt Nachrichten über die frühkönigszeitliche Administration erhalten geblieben sind, dann in diesen Listen. Für eine Herkunft der Listen in 1 Kön 4 aus dem 10. oder 9. Jahrhundert spricht, dass sie einerseits gegenüber der Davidzeit einen Zuwachs an Komplexität anzeigen, andererseits aber gegenüber dem opulenten Bild der Salomoerzählung eine vergleichsweise bescheidene Gesellschaft abbilden.