Читать книгу Morgen werde ich verkauft - Wolfgang Pfeifenschneider - Страница 13
28. Mai 1943, Tag 1 einer schweren Zeit
ОглавлениеZufällig fiel meinem Bruder Joachim am nächsten Tag der „Essener Anzeiger“ in die Hand. Unter den Todesanzeigen fand er eine von der Familie E. und A. Heuer. Sie waren Mitbewohner unseres Hauses. Weil die Traueranschrift mit Waldbröl angegeben war, wurden wir unruhig. Die Eltern hatten sich noch nicht gemeldet. Was war passiert?
Abends als wir im Bett lagen, kam die Heimleiterin und fragte, ob wir Verwandte in Berlin hätten. Eine Tante hätte angerufen und lasse uns schön grüßen. Joachim fing tüchtig zu weinen an. Am nächsten Morgen kam die Heimleiterin und holte uns und andere Kinder zu einem Spaziergang ab. Wir wollten ins Museum oder ins Salzbergwerk. Es regnete tüchtig und sie nahm uns mit ins Büro angeblich um uns mit einem Regenumhang zu versorgen. Hinter uns schloss sie die Tür ab und teilte uns barsch mit, dass unsere Eltern bei einem Bombenangriff umgekommen seien. Um elf Uhr käme unser Onkel aus Berlin, um uns zu holen. Mit den anderen Kindern durften wir nicht mehr zusammenkommen. Es waren viele Kinder aus Essen darunter.
Die Eltern waren nach unserem Abschied direkt in ihre Wohnung zurückgefahren. Um 0.10 Uhr – so steht es zumindest in ihrer Sterbeurkunde – fielen eine Luftmine und Sprengbomben, die das Haus völlig vernichteten. Unsere Eltern konnten nur noch tot geborgen werden.
Am nächsten Morgen holte uns der Onkel in Reichenhall ab. Der Zug von München nach Berlin fuhr jedoch erst abends spät. Um uns abzulenken zeigte uns der Onkel in München die Feldherrnhalle und vieles andere mehr. Dann ging es nach Berlin. Die Züge waren überfüllt, es gab keinen Sitzplatz für uns und wir mussten auf den Koffern im Gang sitzen. Auf der Fahrt nach Berlin-Mahlow fuhren wir an einem offenen Güterwagen vorbei, in dem zwei Särge standen. Diese waren mit „Mann“ und „Frau“ gekennzeichnet und wir wussten, dass darin unsere Eltern lagen. Denn sie wurden auf ausdrücklichen Wunsch von Oma Adele nach Berlin übergeführt. Unsere Eltern wurden wenige Tage später in einem Doppelgrab auf dem Friedhof von Berlin-Blankenfeld beigesetzt.