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Tag 3,
Bestattungsinstitut Erdmann

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Stefan Gastmann und Jan Broning saßen im Zivilwagen und waren unterwegs zum Bestatter. Nach der Leichenschau wollte Jan abreisen.

»Stefan, ich hab immer noch ein schlechtes Gewissen.«

»Ich bin froh, mal meine Ruhe zu haben.« Stefan grinste. »Auch wenn es nur für eine Woche ist.«

»Danke, Stefan!«

Der Kollege zog eine Schnute. »Erdmann, der singende Bestatter. Hast du dir eigentlich mal seine CD angehört? Ich meine, falls er fragen sollte.« Die hatte ihnen der Bestatter bei ihrem letzten gemeinsamen Fall überreicht. Eine Zusammenstellung, sozusagen Best of Erdmann. Seine Hobbys waren Gesang und feierliche Reden.

»Mist«, Broning verzog schuldbewusst sein Gesicht, »habe ich nicht, muss ich wohl vergessen haben. Na ja, gleich bekommen wir ja die Live-Version.«

Ein gut gelaunter Bestatter öffnete die Tür des Instituts. Seine Singsang-Stimme war unverkennbar. »Ah, die Herren von der Kriminalpolizei! Bitte folgen Sie mir in meine bescheidenen Räumlichkeiten.« Er ging voraus, die Polizisten folgten ihm. In den Händen trugen sie die Aluminiumkoffer mit der Ausrüstung.

»Diesmal haben wir aber einen sehr speziellen Gast«, bemerkte Erdmann und begann eine Melodie zu summen. Gastmann bekam große Augen und Broning hörte noch mal genauer hin … Ja, ein Antikriegslied, und es handelte vom Schicksal eines Soldaten. Eigentlich sehr passend und einfühlsam gesummt.

Im Behandlungsraum lag auf einem Chromtisch ein Leichensack. Der Reißverschluss war komplett geöffnet. Schimmel, ein großer Feind der Spurensicherer – die Trocknung der Spuren vor der Asservierung war deshalb so wichtig. »Sofort, als wir unseren Gast einquartiert hatten, habe ich dafür gesorgt, dass die Sachen trocknen können«, erklärte der Bestatter.

»Sehr gut, Herr Erdmann!« Broning nickte anerkennend. »Stefan, fängst du schon mal mit den Fotos an?«

Stefan Gastmann entnahm einer Alu-Kiste die Spiegelreflexkamera und machte als Erstes die Übersichtfotos. Die Reste des alten Wehrmachtsmantels umhüllten das Skelett. Außer dem dicken Mantelstoff war von der Kleidung der Leiche nichts mehr zu erkennen.

Erdmann unterbrach sein Summen und bemerkte aus dem Hintergrund: »Die Todesursache zu bestimmen, dürfte schwierig sein, Herr Broning.«

»Ich weiß. Vielleicht haben wir Glück und finden ein Einschussloch im Mantel, Spuren einer Gewehrkugel, eines Messers oder eines Granatsplitters an den Knochen.« Broning beugte sich über das Skelett, das von starken Strahlern beleuchtet wurde. Mit einer großen Pinzette hob er die Reste des Mantels an. Ausgerechnet im Brustbereich hatte sich der Stoff stark zersetzt. Ein muffiger Geruch, wie in einem Keller, stieg ihm in die Nase.

Stefan machte weiter Fotos, auch im Nahbereich. Erdmann summte weiter das Lied vom unglücklichen Soldaten. Stefan sprach aus, was Broning dachte. »Der Stoff ist so vergammelt, da finden wir kein Einschussloch.«

Jetzt untersuchte Broning das Skelett, insbesondere den Schädel. Er sah in die leeren Augenhöhlen und hielt stumme Zwiesprache mit dem Toten. Was hast du als Letztes gesehen? Die Mündung eines Gewehrs, ein zustechendes Messer oder die Explosion einer Granate?

Wenn es Spuren im Knochenbereich gab, so konnte er sie bis jetzt nicht sehen. Am Fundort hatten sie keine Spuren gefunden. Ein Gewehrprojektil, das den Oberkörper durchschlagen hätte, ohne einen Knochen zu berühren, würde irgendwo in der Umgebung liegen und wäre längst verrostet. Bis auf die Knochen war kein organisches Gewebe mehr vorhanden. Ein Stich ins Herz mit einem Messer ließ sich nicht nachweisen, weil das Herz verwest war.

Broning sah seinen Kollegen an und schüttelte enttäuscht den Kopf. »Nada, nichts. Letzte Hoffnung Gerichtsmedizin.«

Aus dem Hintergrund fragte Erdmann: »Und, hatten Sie schon Gelegenheit, sich meine CD anzuhören?«

Jan Broning und Stefan Gastmann sahen sich entsetzt an.

Gänseblut

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