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Abbildung 2

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Rechenmeisterschule (16. Jahrhundert)

Quelle: Alt, 1966, 209

Gemeinsam ist beiden, dass der gesamte Unterricht in einem einzigen Raum stattfindet. Gemeinsam ist beiden auch, dass der Raum nicht frontal ausgerichtet ist. Unterricht vorrangig frontal und/oder jahrgangsspezifisch durchzuführen, ist der damaligen Zeit fremd und setzt sich erst im 19. Jahrhundert durch.

Trotz dieser Gemeinsamkeiten sind die erheblichen Unterschiede der beiden Schulraumtypen im 16. Jahrhundert offensichtlich. Bei aller Dezentralität des verwinkelten Großraums der Lateinschule, in dessen verschiedenen Bereichen Unterlehrer Abteilungen von Schülern unterrichten, ist in Kathedra und Rute des Schulmeisters auf den Darstellungen jener Zeit doch dessen Lehr- und Sanktionsprimat eindeutig auszumachen. Das hausherrliche Recht gilt zwar grundsätzlich auch für die Rechenmeisterschulen, aber das selbstverständliche Zelebrieren der Körperstrafe fehlt dort, und die räum­liche Dezentralität wird weniger durch Insignien der Macht des Lehrers konterkariert als in der Lateinschule. Während die Lateinschüler auf langen Bänken in fester Ordnung sitzen oder in Reihen vor dem auf dem Lehrstuhl sitzenden Schulmeister stehen, sitzen die Schüler in der frühneuzeitlichen Rechenmeisterschule um einen Tisch, auf dem ihnen mittels Rechenbrett und Rechenpfennigen eigenständige und selbst kontrollierbare Lösungsversuche ermöglicht werden. Die bildliche Ebenbürtigkeit von Schülervater und Rechenmeister und die im Hintergrund selbstständig lernenden oder ungestraft schlafenden Schüler stärken den innerschulischen Stellenwert des neu als Schüler eintretenden Kaufmannssohns ebenso wie der Vertrag (s. die Papierrolle in der linken Hand des Meisters) über seine Ausbildung, in dem sich der Rechenmeister dazu verpflichtet, ihm alles beizubringen, was er selbst beherrscht. Im Unterschied zu den privaten Schreib- und Rechenmeisterschulen sind die Lateinschulen der damaligen Zeit in der Regel zudem (im Verhältnis zur Schülermenge) kaum mit Tischen ausgestattet. Dies ist darin begründet, dass in diesen Schulen hauptsächlich gehört, gelesen, gesungen und rezitiert, dagegen weniger geschrieben und noch weniger gerechnet wird. Die unterschiedlichen Raumgestalten verkörpern unterschiedliche Bilder vom Menschen: Lateinschüler werden auf Orthodoxie und Hierarchie vorbereitet, Rechenschüler dagegen auf betriebliche Selbstständigkeit, Vertraglichkeit und Gleichrangigkeit innerhalb der Zunft.

Gestalten des Schulraums

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