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6 Postmoderne/Virtualisierung (21. Jahrhundert)

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Von einem Schulraum der Postmoderne zu reden, ist zugegebenermaßen fragwürdig, wird doch der Begriff der Postmoderne selbst nicht einheitlich verwendet. Wenn der Versuch hier dennoch unternommen wird, so geschieht dies mit Blick auf den Mediatisierungssprung der letzten Jahrzehnte, der die Gestaltung des Schulraums vor gänzlich neue Herausforderungen stellt. Der virtuelle, nur im Datennetz vorhandene Raum ist als Schulraum zu entdecken und zu gestalten. Zugleich ist der physische Schulraum mit dem virtuellen Raum zu verbinden. Michael Scheibel (2008) hat an der kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburgs, der Radiokonzeption Brechts, der Fernuniversität Hagen, der ETH World und anderen Beispielen die Entwicklung virtueller Lehr- und Lernräume herausgearbeitet. Dabei wird bekräftigt, was ich für die Entwicklung von der frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert aufgezeigt habe (s.o., vgl. Göhlich, 1993): dass die räumliche Entwicklung stets eng mit der Schul- bzw. Unterrichtsentwicklung und dem Wandel der Bilder von Mensch und Welt zusammenhängen.

Die Vor- und Nachteile der Virtualisierung lassen sich nach Otto Peters, dem Gründungsrektor der Fernuniversität Hagen, folgendermaßen umreißen:

Die Stärken [des physischen Lernraums, M. G.] sind vor allen Dingen […] die geistige Intimität. Sagen wir wenigstens die Möglichkeit zur geistigen Intimität, und die kann hervorragend sein. Dies ist im virtuellen Raum uneinholbar. Der zweite Vorteil im physischen Raum ist eine Form der Kommunikation, die naturwüchsig ist. Diese Form der Kommunikation kommt jeden Tag vor, wird von klein auf eingeübt und ist das Ergebnis einer unendlich langen Tradition. Sie ist selbstverständlich und wird bei der Vermittlung von Wissen zu einem Mittel des Unterrichts. Beim Arbeiten am Computer ist die Kommunikation dagegen künstlich und abstrakt und wurde nicht im Alltag der Lebenswelt eingeübt. Gleichwohl – und jetzt kommen wir in eine anthropologische Dimension – hat sich die Ausstattung des Menschen im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. Der Mensch im Industriezeitalter ist naturgemäß in vielfacher Beziehung ein anderer als im Agrarzeitalter. Ich könnte mir vorstellen, dass die Entwicklung im Laufe von weiteren Jahrzehnten zu einer derartigen Gewöhnung an die Computertechnologien und die virtuellen Lernräume führen wird, wie wir es uns noch gar nicht vorstellen können. In diesem Bereich werden Entwicklungen geschehen, die auf eine Fusion des Biologischen und Technischen zielen. Dies ist etwas, was wir heute befürchten, weil wir das Humanum retten wollen. Wahrscheinlich ist es aber gar nicht zu retten, und die Menschen werden in drei oder vier Jahrzehnten möglicherweise über unsere Bedenken lachen. (Peters, zit. n. Scheibel, 2008, 78)

Wer Kinder im familiären Alltag ihres Kinderzimmers heute am Computer beim alltäglichen Downloaden, Chatten und Skypen erlebt, ahnt, dass die von Peters avisierte Entwicklung gar keine drei oder vier Jahrzehnte mehr dauern wird. Zu erwarten ist, dass das, was in Hochschulräumen bereits an Virtualisierung geschieht, in nächster Zeit auch in Schulräumen stattfinden wird. Exemplarisch ist deshalb die ETH World anzuführen, ein Planungskonzept zur Umstrukturierung und Virtualisierung der ETH Zürich.

Im Jahr 2000 wurde von ETH World ein internationaler Wettbewerb aus­geschrieben, der die Herstellung einer Beziehung zwischen physischer und virtueller Hochschul-Infrastruktur als Aufgabe stellte. Nicht die Fernuniversität sollte als Leitbild dienen, sondern eine integrale Infrastruktur, in der durch die Kombination von physischen und virtuellen Elementen eine erweiterte Realität geschaffen wird. […] Das Preisträger-Projekt beyond luxury […] entwickelt praktische Ideen für die permanente und persönliche Anbindung ans ETH-Netz: Smart Cards und Wearables. Beispielsweise eine einfache Card im Kreditkartenformat, deren intelligentes Innenleben einerseits die elektronische Identifikation ihres Trägers und andererseits den Wireless-Anschluss an alle erdenklichen ETH-­Daten ermöglicht. Dasselbe als Accessoire zur Alltagskleidung: miniaturisierte Info-Portale zur ETH-Welt. Die individuelle Konfiguration der Cards und Wearables ­erlaubt die personalisierte virtuelle Präsenz der Benutzer. Der physische Kommunikationsraum der ETH wird dagegen als ein modulares, veränderbares Raumkonzept gedacht, das sich den speziellen Projekttreffen, Events und Ausstellungen der ETH-World-Community in ihrer Größe und Struktur anpasst. (Scheibel, 2008, 126ff.)

Auf den Schulraum übertragen, bedeutet dies, dass der physische Schulraum nur noch einer von vielen dezidiert für Lehre und Lernen konzipierten Räumen ist. Die Virtualisierung des Schulraums hängt von medientechnolo­gischer Entwicklungskompetenz und von Refinanzierungsmöglichkeiten ab. Deshalb spricht einiges für die Vermutung, dass mit der Virtualisierung des Schulraums auch eine Privatisierung (nun nicht im familiären, sondern im wirtschaftlichen Sinne) des Schulraums durch Medienunternehmen einhergehen wird.

Gestalten des Schulraums

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