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Der Gebrauch des Wortes KommunikationKommunikationBegriff
ОглавлениеWas Kommunikation ist, weiß eigentlich jeder, was Kommunikation bedeutet, dazu kann jeder etwas sagen und irgendwas wird damit sicherlich auch erklärt. Der Wunsch nach einer grundsätzlichen Klärung macht indes wenig Sinn, denn das würde bedeuten, zu den von Faßler (Faßler 1997, S. 20) identifizierten 160 Definitionen weitere hinzuzufügen. Halten wir daher für uns fest: Kommunikation ist ein Phänomen, das uns allen vertraut ist und auf das wir mit dem Wort Kommunikation hinweisen. Eine Ausdifferenzierung der Begrifflichkeit wird im Verlauf und in Abhängigkeit zu den einzelnen Themen erfolgen.
Manfred Faßler (*1949)
Professor für Soziologie, Medienwissenschaftler, Schwerpunkte: Medienevolution und medienintegrierte Wissenskulturen
Kommunikation wird im allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein stark mit Sprache assoziiert.KommunikationverbalKommunikationnonverbal Das ist gewiss nicht falsch, trifft aber nur eine ihrer spezifischen Formen. Generell kann Kommunikation weiter gefasst werden, und spätestens seit den Arbeiten von Watzlawick (1969) und der Paolo Alto Gruppe Ende der 60er Jahre ist das in der wissenschaftlichen Diskussion auch geschehen. Intensiv wurden die körperbezogenen Ausdrucksformen unter dem Begriff der nonverbalen Kommunikation diskutiert. Eco (1977) Eco, Umbertoöffnete als einer der ersten den Blick auch auf Bilder und ihre Kommunizierbarkeit. Um sich dem Phänomen der Kommunikation in einem ersten Schritt anzunähern, soll die Aufmerksamkeit einer kleinen Geschichte gelten. Die Erzählung entstand als Reaktion auf Überlegungen in der SprachphilosophieSprachphilosophie, wo der Frage nachgegangen worden war, ob Kommunikation ohne Sprache überhaupt vorstellbar sei.
Umberto Eco (1932–2016)
Italienischer Schriftsteller, Kolumnist, Philosoph und Medienwissenschaftler, Schwerpunkt: Semiotik
Ein Vorspiel – die Beerenfalle
Jill und Jack kennen sich schon lange. Jill macht einen Waldspaziergang, als sie bemerkt, dass sie von Jack beobachtet wird. Sie weiß, dass Jack aus dem, was sie tun wird, jetzt seine Schlüsse ziehen wird. Sie steht vor einer Reihe von Sträuchern mit Beeren. Einige kann man essen, andere nicht. Sie weiß, dass sich Jack mit Beeren nicht auskennt, aber wie sie Brombeeren mag. Diese pflückt sie, um sie zu essen, und steckt auch einige in den Mund. Sie greift nur nach den Brombeeren an einem bestimmten Strauch. Sie tut damit zweierlei. Sie mag Beeren und pflückt sich diese, um sie zu essen. Da sie weiß, dass Jack sie beobachtet und er auch Beeren mag, aber keine Kenntnisse hat, welche giftig und welche nicht giftig sind, zeigt sie Jack mit ihrem Handeln, welche Beeren er pflücken und essen darf. Jack ist heimlich Jill gefolgt und glaubt, dass er nicht gesehen wird. Ihn interessiert, was Jill macht und wo sie hingeht. Dass sie Beeren pflückt, nimmt er mit besonderem Interesse wahr, weil er sich nicht traut, selbst welche zu pflücken, da er unsicher ist, welche essbar sind und welche nicht. Die Beobachtung von Jill, wo sie Beeren pflückt und welche sie dann isst, erlaubt ihm, daraus auf die Essbarkeit zu schließen.
Nach einer Idee von Sperber und Wilson Sperber, Dan Wilson, Deirdre
Dan Sperber (*1942)
Französischer Anthropologe und Linguist, Schwerpunkte: Anthropologie und Relevanztheorie
Deirdre Wilson (*1941)
Britische Linguistin und Kognitionswissenschaftlerin, Schwerpunkte: linguistische Pragmatik, Relevanztheorie und Sprachphilosophie
Merkmale der EpisodeDie Szene für sich betrachtet hat zunächst einmal nichts Ungewöhnliches, außer dass sie nicht unbedingt typisch dafür ist, als Ausgangsszene für die Betrachtung von Kommunikation gewählt zu werden. Denn das, was wir gemeinhin mit dem Begriff Kommunikation verbinden, kommt hier auf den ersten Blick nicht vor. Eigentlich könnte man sogar meinen, die Szene sei ein Beispiel dafür, wie Kommunikation nicht funktioniert. Denn eine der beiden beteiligten Personen will von der anderen noch nicht einmal gesehen werden. Und doch werden wir erkennen, dass sich Schlüsselfragen der Kommunikation gerade aus dieser Episode herleiten lassen.
Paar-StrukturAn Kommunikation, darüber besteht kein Zweifel, sind wenigstens zwei beteiligt, und das ist auch hier der Fall. Es müssen nicht immer Individuen sein, die an der Kommunikation teilnehmen; denn es gibt viele Formen, bei denen eine Institution der Kommunikationspartner sein kann, wenn beispielsweise die Polizei mir mitteilt, dass ich mein Auto falsch geparkt habe. Auch stehen Institutionen oder Organisationen in kommunikativem Austausch miteinander, wenn die Einwohnermeldebehörde von Rostock bei der von Passau anfragt, ob ich dort gemeldet bin.
Absichtsvolle HandlungDie zitierte Episode weist eine Besonderheit auf, denn Kommunikation lässt normalerweise erwarten, dass die daran Beteiligten etwas voneinander wollen und dass ihnen das auch im Normalfall bewusst ist. Zwar will Jill Jack etwas mitteilen und Jack möchte etwas erfahren, allerdings will er die Information unbemerkt und nur durch das Beobachten von Jill gewinnen. Dabei unterstellt er nicht, dass Jill ihm Informationen übermitteln will. Denn er will ja von Jill nicht gesehen werden, aber trotzdem wissen, was sie tut. Er informiert sich, nicht wissend, dass die Andere mit ihm „kommuniziert“. Erkennbar wird, dass das (Sich-)Informieren und das Jemandem-etwas-mitteilenMitteilung eigenen Gebrauchsbedingungen unterliegen. Information ist nicht automatisch Kommunikation.
Es scheint daher möglich, dass jemandem etwas mitgeteilt wird, ohne dass dieser eine Mitteilung erwartet. Trotzdem kann er von dem so Mitgeteilten profitieren, wie das Beispiel belegt. Des Weiteren fällt auf: Das Mitteilen selbst muss nicht durch einen expliziten Akt des Mitteilens erfolgen. Denn es wird nichts gesagt, was der Andere hören kann. Interessant ist nun aber beobachten zu können, dass auch Jills Beerenpflücken kommunikativ nutzbar ist. Denn Jill will ja Jack vor giftigen Beeren warnen bzw. ihm essbare zeigen. Ich kann also jemanden warnen, ohne dass ich ihm sage: Ich warne dich. Ferner kann ich jemanden darüber aufklären, was er darf oder nicht. Ein und dieselbe Handlung wird mehrfach und zu verschiedenen Zwecken genutzt, so dass man sagen kann: Nicht das Tun an sich ist kommunikativ, sondern die kommunikative Funktion erfolgt durch eine Zuschreibung der jeweils am Ereignis Beteiligten. Jill will mit ihrem Verhalten Jack warnen und ihm mitteilen, was er darf. Jack will wissen, welche Beeren essbar sind und welche nicht. Er sucht nach Informationen.
Vertraut ist uns der Gedanke, dass eine InformationInformation bzw. eine BotschaftBotschaft weitergegeben wird. Jill will Jack darüber informieren, wo er essbare Beeren findet. Überraschend ist hier eben das Wie. Die Voraussetzungen sind, dass Jack ein bestimmtes Verhalten beobachten kann und dass er daraus für sich Schlüsse zieht. Diese Schlüsse gehören zum Kalkül der beobachteten Person, denn sie will zeigen, welche Beeren essbar sind. Obwohl für den Rezipienten gar nicht offenkundig ist, dass ihm etwas mitgeteilt wird, kann ihm durch den Handelnden durchaus etwas mitgeteilt werden. Beide Akteure teilen nämlich den Blick auf eine ihnen bekannte Wirklichkeit – die Beeren – und das Bedürfnis, von diesen zu essen. Ohne diese Gemeinsamkeit gelänge der Austausch über die Eigenschaften des Nahrungsmittels nicht. Nur weil Jill weiß, was Jack will, und Jack weiß, dass Jill etwas tut, was Jack auch für sich möchte, kann er dem Tun von Jill vertrauen.
TransferleistungAus Vorfindlichem auf etwas damit Gemeintes zu schließen, ist im Alltag nichts Ungewöhnliches. Im Gebirge ist es üblich, die Wanderwege mit Farbpunkten zu markieren. Wenn diese Markierungen nicht sorgfältig gepflegt werden, verwittern die Punkte und verlieren ihre Farbqualität, so dass sie wie natürliche Flecken eines Steins aussehen können. Wenn wir den Wanderweg nehmen wollen, suchen wir in der Umgebung des Weges an den Steinen oder Baumstämmen nach Farbflecken, von denen wir annehmen, dass sie dort jemand hingepinselt hat. Wenn wir unsicher sind, vergleichen wir die Form und Farbqualität mit der Struktur des Steines, auf dem wir den Flecken vermuten, und entschließen uns dann, ihn als Markierung zu akzeptieren oder als natürliche Erscheinung zu betrachten. Im ersten Fall folgen wir dem Kommunikationsangebot dessen, der die Markierung gelegt hat. Im zweiten Fall unterstellen wir, dass dieser Färbung keine kommunikative Funktion zugeschrieben werden kann.
Markierung eines Bergwanderweges
Der Erfolg der Kommunikation zwischen Jill und Jack basiert daher auf der Fähigkeit von beiden, aus Beobachtungen in ihrer Umwelt auf etwas zu schließen, was für sie von Belang ist. Die Episode erzählt davon, dass Jill mit ihrem Verhalten die Erwartung verbindet, Jack werde es wahrnehmen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Jack weiß davon nichts, macht sich aber die Beobachtung des Verhaltens von Jill zunutze und beseitigt so sein Informationsdefizit. Wer eine Wanderung in einem fremden Gebiet macht, orientiert sich an Wegmarken. Diese können natürlich sein, markante Gesteinsformationen beispielsweise. Üblich sind jedoch kommunikativ gesetzte Markierungen wie Farbpunkte. Kommunikation erweist sich als ein Ereignis, das auf Gegenseitigkeit abzielt, ohne sich dieser sicher sein zu können. Denn was der Andere mit dem Angebot tun wird, hängt von seiner Befindlichkeit und den Umständen ab, in denen er sich gerade befindet. Dabei ist bedeutsam, dass jemand das in der Umwelt Vorgefundene nur so wahrnimmt, wie er es möchte oder kann.
Erklärung
Kommunikation ist nicht einfach da, sondern sie wird von jemandem gesucht oder sie wird versucht. Das setzt jemanden voraus, der sich darauf einlassen kann und will. Es muss nicht unbedingt eine Person sein, sondern kann beispielsweise ebenso in der Form einer Behörde in Erscheinung treten. Der Vorgang kann als gelungen wahrgenommen werden, wenn die betroffenen Akteure herausfinden bzw. erkennen können, was es mit dem Kommunikationsversuch auf sich haben könnte.