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9 Kastentheorie

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Von Kühne erfuhren Fey und Mörris einen Abriss über Inge Beers Lebenslauf. Aufgrund der unklaren Todesumstände wollten sie die Fragen nicht vertiefen, sondern erst die Experten der KTU und der Rechtsmedizin urteilen lassen. Harry und sein Team waren in der Halle beschäftigt, als Fey und Mörris eintrafen. Inge Beers Leiche lag auf einer Folie auf dem Boden. Ein Kollege schabte einige Partikel unter den Fingernägeln der Leiche ab und versiegelte sie in einer Plastiktüte. Die Pathologin Dr. Degenhardt rauschte herbei, doch statt mit der Arbeit zu beginnen, fuhr sie Fey an.

„Ein Selbstmord und Sie rufen mich! Meine Zuständigkeit deckt das ganze Münsterland ab. Als hätte ich nichts anderes zu tun. Es wäre nun ratsam, mich davon zu überzeugen, dass ich hier gebraucht werde.“

Fey kannte Degenhardts aufbrausenden Charakter. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass sie ein herzensguter Mensch war, wäre ihr vielleicht auch der Kragen geplatzt.

„Die Umstände haben uns alarmiert. In Anbetracht der Korpulenz des Opfers sehen wir bei der Rekonstruktion des Tathergangs Probleme. Sollten Sie zu dem eindeutigen Ergebnis kommen, dass das Opfer hier starb und außer der Wunden von der Stragulation keine anderen körperlichen Merkmale auftauchen, wären wir ein Stück näher dran, den Selbstmord als erwiesen zu betrachten.“

„Dann wollen wir mal zur Tat schreiten.“

Degenhardt nahm dem Opfer den Strick vom Hals, entknotete und untersuchte ihn.

„Ein Springseil, wenn mich nicht alles täuscht. Gute Qualität. Hätte nicht gedacht, dass die so strapazierfähig sind. Außerdem trägt das Opfer eine Kette mit einem für meine Begriffe billigen Plastikanhänger.“

Sie untersuchte die Leiche an leicht zugänglichen Stellen und stellte die Kerntemperatur fest, während Harry und sein Team Fingerabdrücke sicherten, Blut entnahmen, den Tatort fotografierten und Inge Beers Auto, das vor der Halle stand, nach Auffälligkeiten überprüften. Degenhardt kam zu dem Schluss, dass ein Fremdverschulden auszuschließen sei. Keine Kampf-oder Abwehrspuren. Den Todeszeitpunkt legte sie auf 23:00 Uhr des Vortages fest.

„Frau Beer verlor ihr Leben durch den Strang. So sieht es aus. Aber ich gebe zu, dass mich die Umstände auch kritisch stimmen. Warum wählte sie ausgerechnet diesen Weg? Das Aufstellen der Böcke und das Abmessen der Seile ist ein aufwendiges Unterfangen. Aber wer weiß. Sie nahm sich Zeit und plante jeden Schritt einzeln durch. Sicherheitshalber möchte ich aber noch eruieren, ob sie unter Drogen stand. Es wäre auch nicht schlecht, ihren Hausarzt nach der Krankenakte zu fragen. Also packt die Leiche ein und ab zu mir ins Labor.“

Harry wartete, bis Degenhardt verschwunden war, und schlug eine gespielte Rekonstruktion des Tathergangs vor. Er rief Fey und Mörris zu sich.

„Kommt mal zu mir. Links steht der niedrige Kasten, rechts davon stößt er an den höheren. Die beiden Ringe hängen im Lot und sind etwa zwei Meter vom rechten Kasten entfernt. Frau Beer greift nach den Ringen.“

„Warum machst du nicht weiter?“, fragte Fey.

„Das Opfer ist 166 cm groß und mit ausgestrecktem Arm …“

Harry ging zur Leiche, nahm den rechten Arm und legte ihn trotz einsetzender Leichenstarre seitlich nach oben und maß die maximale Greifhöhe. Er zeigte Fey das Maßband.

„198 cm.“

Er stellte die Höhe der Ringe fest und sagte laut: „234 cm.“

„Frau Beer konnte nicht ohne Hilfe die Ringe packen“, folgerte Mörris, überlegte einen Moment und nahm das Springseil, stellte sich unter die Ringe und warf ein Ende des Springseils durch den Ring. Es war nun ein Leichtes, eine Schlaufe zu binden und die Ringe rüber zu den Kästen zu ziehen. Er stieg hinauf, betont schwerfällig, wie Inge Beer es gemacht hätte, und stand auf dem hohen Kasten. Er band eine Schlinge, knotete das Seil an die Ringe und steckte den Kopf hindurch.

„Danke. Das reicht“, rief Fey. „Suicide possible.“

Harry nahm Feys Wertung zum Anlass, mit seinen Leuten die Sachen zu packen. Fey und Mörris standen dabei, als zwei Männer von der KTU die Leiche in einen tragbaren Aluminiumbehälter verfrachteten, nicht ohne dabei mächtig zu stöhnen.

„War’s das?“, fragte Fey. „Sag mir, dass wir etwas übersehen.“

„Wir übersehen etwas.“

„Das meine ich auch. Beer benutzte einen Rollator. Warum nicht in der Halle? Kühne sprach von chronischen Knieschmerzen. Wollte sie lieber in Würde ihren Tod vorbereiten?“

„Eitelkeit in letzter Minute? Das glaube ich nicht“, urteilte Mörris.

„Vielleicht hatte sie sich mit Schmerzmitteln vollgepumpt. Wir blasen ab. Von den Fingerabdrücken erhoffe ich mir keine Neuigkeiten. Wenn Degenhardt nichts weiter findet, wird sie Selbstmord auf den Totenschein schreiben. Kommst du?“

Tot am Ring

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