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13 Pastor Beer

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„Gut Ding will Weile haben“, bemerkte Mörris. „Mir ist, als bräuchten wir Geduld. Was schlägst du vor?“

„Geduld, wenn es ein Selbstmord war, Ungeduld, wenn es ein Mord war. Der Mörder könnte Inge Beer unter einem Vorwand in die Halle gelockt, abgeschlossen und sein Ding durchgezogen haben. Beginnen wir mit der Suche nach dem Motiv.“

„Klappern wir also alle Kollegen ab?“

„Arbeitsteilung: Du Kühne und die Kollegen, ich ihren Ehemann Pastor Beer.“

„Spür ich da ein Ungleichgewicht?“, fragte Mörris ironisch.

„Keine Spur. Die entzückenden Lehrerinnen werden dir zu Füßen liegen. Ein echter Kriminalkommissar und ledig ist er auch noch.“

Fey ließ sich von Kühne die Adresse der Familie Beer geben. Eine traurige Nachricht überbrachte man immer persönlich. An diesen Grundsatz hatten Fey und Mörris sich strikt gehalten. Nicht selten, dass sie Erste Hilfe leisten mussten und Betreuung für Kind oder Hund organisieren mussten.

Sie hielt vor einem Neubau im Bauhausstil. Da steckte sicher eine halbe Million drin, ohne Grundstück und Gartenarchitektur, glaubte sie zu wissen. Fey warf einen abfälligen Blick auf den pflegeleichten Vorgarten mit den nichtssagenden Steinwänden und den Marmorkugeln als kastriertem Springbrunnen.

Ein hochgewachsener, schmächtiger Mann öffnete die Tür, schaute freundlich und wartete auf eine Erklärung. Fey zeigte ihren Ausweis und stellte sich mit Namen vor. Pastor Beer bat sie herein. Im Flur stand ein Koffer. Alles sonst wirkte sehr aufgeräumt, fast wie aus einem Katalog. Blumenvase, Garderobe, Vitrine, Teppich, Bücherregal und ein Beistelltischchen fürs Telefon erweckten den Eindruck, als wären sie nach einer bestimmten Rezeptur angeordnet worden. Der grau-silbrige Betonton des Vorgartens setzte sich innenarchitektonisch fort. Fey konnte sich mit dem Interieur nicht anfreunden und hatte gleich das Gefühl, dass es nicht zu Inge Beer passte. Leblos, ganz anders als in einer Schule.

Als sie sich im Wohnzimmer gesetzt hatten, konfrontierte Fey den Ehemann mit der tragischen Wahrheit. Er blieb gefasst und hörte sich kommentarlos die näheren Umstände des Todesfalls an. Seine seelsorgerische Arbeit hatte ihn wohl vorbereitet. Dem Tod den Schrecken nehmen. Das war seine Aufgabe. Diejenigen, die gingen und diejenigen, die blieben, sollten im Tod nicht nur Erlösung finden, sondern vor allem Erfüllung. Jeder Mensch stand dem Tod irgendwann gegenüber. Ihm dann die Hand zu reichen und sich im Sterben in Liebe auf sich selbst zu konzentrieren und die Liebe zu anderen zu spüren, entkräftete den Zinnober um Hölle und Gottes Schwert. Der Tod war immer gerecht, nur das Sterben nicht. Wenn Kinder starben, so lag das in der Hand der Natur, zu der das Leben gehörte. Natur war einst Chaos und doch barg dieses Chaos die Gesetze der Natur. So entstand Ordnung, wie der leibliche Körper. Aber diese Ordnung ist endlich. Sie vergeht wieder, wie die Sonne und das Universum eines Tages nicht mehr da sein werden. Im Sterben lag die Vergänglichkeit der Ordnung und im Tod der Urbeginn der Schöpfung.

Beer hatte sich Zeit für die innere Einkehr genommen und bat nun seinen Besuch darum, allein sein zu dürfen. Fey betonte erneut die Möglichkeit eines Mordfalls und unterstrich die Notwendigkeit einer schnellen Aufklärung.

„Pastor Beer, hatte Ihre Frau in der letzten Zeit depressive Stimmungen oder klagte sie über starke Schmerzen? Ich möchte mir gerne ein Bild verschaffen.“

„Meine Frau war nicht in psychotherapeutischer Behandlung, wenn Sie das meinen. Sie nahm Medikamente gegen ihre Rücken- und Knieschmerzen. Leider musste sie die Dosierung erhöhen. Sie war ein sehr liebevoller Mensch, mit Leib und Seele Lehrerin. Sie beklagte allerdings, dass es heute in der Schule weniger um die Kinder gehe, als um die Institution Schule. Schulleiter und Dezernenten, aber auch die Eltern würden den Blick für die Kinder verlieren. Die Schule ächzt unter dem Druck einer orientierungslosen Bildungspolitik und dem Einfluss selbstsüchtiger Eltern, denen der Abschluss ihrer Kinder über deren Wohl geht. Auch wenn ich ihr nicht immer zustimmte, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass es in manchen Familien nur noch um Noten geht und die Zukunft eher eine Bedrohung bedeutet als eine Chance. Aber bitte, könnten wir Ihre Fragen nicht vertagen?“

„Etwas möchte ich gerne noch wissen. War Ihre Ehe intakt?“

„In meiner Funktion als Pastor werde ich Ihnen darauf antworten, ansonsten würde ich Ihre Frage als unangemessen empfinden. Wir führten eine Ehe mit Höhen und Tiefen. Kommunikation war unsere berufliche Stärke und deswegen fanden wir auch im Privaten immer wieder zu einer lebendigen Beziehung zurück, die es wert war, gelebt zu werden. Wenn das Ihre Fage beantwortet.“

„Ich danke Ihnen, Herr Beer.“

Als sie durch den Flur gingen, fiel ihr der Koffer wieder auf.

„Wollen Sie verreisen, oder kommen Sie von einer Reise?“

„Ich bin erst heute Nacht nach elf von einem Seminar in Augsburg zurückgekehrt. Inge und ich schlafen in getrennten Räumen und ich wollte Inge nicht extra wachmachen. Deswegen hatte ich nicht gemerkt, dass sie nachts nicht im Haus war. Heute Morgen habe ich angenommen, dass sie bereits zur Schule unterwegs war.“

„Das klärt dann doch einiges“, bemerkte Fey und verabschiedete sich.

Tot am Ring

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