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15 Zu spät

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Elmar Kipping und Mörris machten sich auf den Weg. Fey ging zu Kühne. Er war gerade im Begriff, seine für morgen geplante offizielle Erklärung zum Tode von Frau Beer zum Tippen an seine Sekretärin Frau ­Strickling zu geben. Fey sprach Kühne zwischen Tür und Angel auf die Stellung von Frau Beer im Kollegium an. Er hob die Augenbrauen und bat sie in sein Büro zu kommen. Dort schloss er die Tür.

„Frau Amber, Schule bewegt sich heute in einem sehr schwierigen Rahmen. Die sozialen Netzwerke sind Fluch und Segen zugleich. Schüler sollen ihre Meinungen austauschen, aber oft genug bleibt es nicht bei einer Meinungsäußerung. Es wird gepöbelt, gemobbt, bedroht, beschimpft und aufs Niederträchtigste gelästert. Inge war diese Entwicklung zuwider. Sie zitierte einzelne Schüler zu einem Gespräch, aber, wissen Sie, in Sachen Respekt haben wir Lehrer empfindliche Einbußen hinnehmen müssen. Die Schüler berufen sich auf ihre Meinungsfreiheit und haben oftmals kein Schuldbewusstsein, wenn sie andere im Netz fertigmachen. Im Ernstfall regen sich die Eltern auf, weil sie Nachteile für ihre Kinder befürchten, und bestehen darauf, dass sich Schule nicht in die privaten Belange ihrer Kinder einmischt. Der Shitstorm passiert nicht von der Schule aus, sondern von zu Hause. Verstehen Sie die Problematik?“

„Gab es spezielle Vorkommnisse?“

Kühne antwortete nicht gleich. Fey sah ihn an und überlegte, ob ihm die Frage unangenehm war und er nach einer ausflüchtigen Antwort suchte.

„Vor einem Monat kursierten Fotos von Frau Beer im Netz, aber auch auf den Handys der Schülerinnen und Schüler. Drei Mädchen aus den 10er-Klassen hatten Frau Beer heimlich fotografiert, aber nicht so, dass man auf Anhieb erkennen konnte, um wen es sich handelte. Es waren nur Ausschnitte, aber es dauerte nicht lange, da wusste die ganze Schule, wer abgebildet war. Die Fotos waren außerordentlich kompromittierend, eine Schande.“

„Wurden die Mädchen zur Rechenschaft gezogen?“

„Was heißt hier Rechenschaft? Was wollen Sie denn machen? Ich habe die drei hierher bestellt und ihnen ihr Vergehen klar gemacht. Aber der Schaden war entstanden. Zu spät. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass mein Eingriff in der Sache zu einer Verhaltensänderung geführt hat.“

„Und die Eltern?“

„Das bleibt unter uns. Schüler, die Mobbing betreiben, kommen nicht selten aus einem Elternhaus, das diesem Verhalten gleichgültig gegenüber steht. Ellenbogengesellschaft sagte man früher. Diese Menschen stigmatisieren andere, um selbst besser dazustehen. Die Häme und die verbale Gewalt, die im Netz kursieren, ob von Erwachsenen oder Kindern, dienen einer verzweifelten Suchen nach Identität. Mobbing ist ein Zeichen von Schwäche, die durch den Fingerzeig auf einen anderen für bestimmte Zeit behoben wird. Es ist eine Art Sucht nach Anerkennung, die in der Zerstörung eines anderen Erfüllung findet. Böse Menschen könnte man auch sagen. Erst die sozialen Medien haben Mobbing zu einer Seuche gemacht. Darin liegt ihr Fluch.“

„Hat Inge Beer sich an die betreffenden Eltern gewandt?“

„Möglich. Davon weiß ich nichts.“

„Können Sie mir sagen, ob Herr Brisinzki noch im Hause ist?“

„Er hat ein Elterngespräch um 17 Uhr im Nebenzimmer.“ Kühne schaute auf die Uhr. 17:07 Uhr. „Ich sehe mal nach. Einen Moment.“ Er kam kopfnickend zurück und empfahl Fey, vor dem Zimmer zu warten.

Tot am Ring

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