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1 Familiengeheimnisse

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Es klingt wie eine abstruse Vorlage für einen Film. Da treten ein Mann und eine Frau vor den Traualtar und stellen plötzlich fest, dass sie gar nicht heiraten können. Der Grund ist besonders peinlich: Die beiden sind miteinander verwandt. Ein legitimiertes Verhältnis würde also Inzucht bedeuten, Blutschande. Was der Sache besondere Würze verleiht, ist die Tatsache, dass der Bräutigam nicht genau weiß, wer sein Vater ist – seine Mutter hat den Namen mit ins Grab genommen. Um das Ganze zusätzlich zu dramatisieren, könnte ein Regisseur auf die Idee kommen, die Vermählung als Zwangsehe darzustellen, weil die Frau bereits hochschwanger ist. Damit noch immer nicht zufrieden, spitzt er die Geschichte mit einer anderen Frau zu, der Noch-Ehefrau. Die ringt mit dem Tode, während sich die beiden Liebenden im Nebenzimmer im Bett vergnügen ... Weit hergeholt? Nicht im Geringsten – willkommen mitten in der Familiengeschichte der Hitlers! Die beiden Hauptdarsteller heißen Alois Hitler und Klara Pölzl. Sie werden später traurige Berühmtheit erlangen als Eltern eines Jahrhundertverbrechers.

Nachbarn, die der großen, adretten Klara auf der Straße begegnen, vermuten hinter dem freundlichen Gesicht, den blaugrauen Augen, dem schlichten Kleid, den sorgsam zurückgekämmten Haaren kaum die Mutter eines Bösewichts. Klara ist eine stille Frau, Verwandte und Freunde beschreiben sie als höflich, zurückhaltend, im Haushalt penibel auf Ordnung bedacht. Für den jungen Adolf ist sie der einzige Bezugspunkt in der Familie. Später wird er einen Kult um seine tote Mutter pflegen. Das überlieferte Fotoporträt hat Hitler überall hängen, im Schützengraben während des Ersten Weltkrieges trägt er es in seiner Brusttasche bei sich. Er lässt eine Reihe Ölgemälde anfertigen, die das Bildnis ikonenhaft verklären. Klara Hitlers Geburtstag am 12. August adelt der Diktator zum »Ehrentag der deutschen Mutter«. Eine ganze Nation soll auf diesem Weg an Hitlers persönlicher Erinnerung teilnehmen. In Mein Kampf stilisiert er Klara zur »Mutter im Haushalt aufgehend und vor allem uns Kindern in ewig gleicher liebevoller Sorge zugetan« und bekennt dramatisch: »Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt.«1 Bei einem der Tischgespräche im Führerhauptquartier begründet er seinen Mutterkult später auch mit dem abseitigen Argument: »Sie hat dem deutschen Volk einen großen Sohn geschenkt.«2

Klara Hitler ist zugleich die biografische Gelenkstelle der Hitlers. Nicht nur, weil sie einen Adolf Hitler hervorbrachte. Sondern auch, weil mit ihr ein Licht auf die dunklen Seiten der Familiengeschichte fällt und die Wurzeln des späteren Reichskanzlers erkennbar werden. Klara wuchs im Waldviertel auf, einem armen Landstrich im Nordwesten Österreichs nahe der böhmischen Grenze, der zur Wiege der ganzen Hitler-Sippe wurde. Dort lernte sie ihren späteren Gatten Alois kennen. Am 7. Januar 1885 heiratete Klara Pölzl den Mann, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich hatte.

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