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Die junge Chicagoer Szene
ОглавлениеNeben den Tänzern im Lincoln Gardens waren auch junge weiße Musiker auf Armstrong und die Oliver-Band aufmerksam geworden. Sie nahmen sich die schwarzen Profis aus New Orleans zum Vorbild, schlichen in die Tanzsäle oder hielten sich hinter der Bühne auf, um möglichst jeden Ton mitzukriegen. Zugleich besorgten sie sich die Platten und spielten viele der Stücke mit der Dringlichkeit nach, die sie im Lincoln Gardens erlebt hatten. Neben Oliver orientierten sie sich auch an weißen Kapellen wie der Original Dixieland Jazz Band oder den New Orleans Rhythm Kings. Ihre Nachahmung betraf die Themen, die Art und Weise kollektiv zu improvisieren, betraf aber erstmals auch die Nachahmung einzelner Vorbilder. In die Jazzgeschichte ging vor allem ein Kreis von Freunden ein, die gemeinsam die Austin High School besuchten und insbesondere von Olivers Band begeistert waren. Die »Austin High School Gang« bestand aus Musikern wie dem Trompeter Jimmy McPartland, dem Klarinettisten Frank Teschemacher, dem Saxophonisten Bud Freeman, dem Gitarristen Eddie Condon und dem Schlagzeuger Dave Tough. Wie stark der Einfluss Olivers und Armstrongs auf diese jungen Musiker war, zeigen ihre eigenen ersten Aufnahmen, die sich am Ideal der Creole Jazz Band orientierten.
›Buddy’s Habits‹ etwa – ein Stück in klassischer Ragtime-Form (AA BB A CCCC) mit einem Slide-Whistle-Solo Armstrongs im ersten C-Teil und einem Duo-Break der beiden Kornettisten im zweiten C-Teil – wird im Februar 1924 von der Bucktown Five eingespielt, einer Besetzung junger weißer Chicagoer Musiker um den Kornettisten Muggsy Spanier und den Klarinettisten Volly De Faut, und die Aufnahme entspricht erkennbar dem Vorbild des Oliver-Arrangements. Der Platz des Slide-Whistle-Solos kommt bei der Aufnahme der jungen weißen Chicagoer dem Posaunisten zu. Und in Spaniers Spiel hört man deutlich, dass dieser sich Phrasen aus Olivers Band abgeschaut hatte, und zwar beim gleich alten Armstrong und nicht etwa beim Bandleader. Vor allem aber wird in diesen Aufnahmen deutlich, dass die rhythmische Energie der Creole Jazz Band die jungen weißen Musiker beeindruckt haben musste, etwa im B-Teil, den sie weit swingender vortragen als die Oliver Band und in dem man ahnt, welche Spuren die neue rhythmische Grundhaltung hinterlassen hatte, die sich insbesondere in Armstrongs Spiel widerspiegelte.
Übrigens suchten nicht nur die jungen Chicagoer Musiker Olivers Band im Lincoln Gardens auf, sondern auch national bekannte Stars kamen vorbei. Baby Dodds etwa erinnert sich an Paul Whiteman, Guy Lombardo oder Paul Ash, die in den Lincoln Gardens kamen, wenn sie anderswo in Chicago ein Engagement hatten.