Читать книгу 50 weitere archäologische Stätten in Deutschland - die man kennen sollte - Wolfram Letzner - Страница 8
ОглавлениеHandelsplatz, Fürstensitz oder „slawisches Haithabu“ – so lässt sich eines der bedeutendsten archäologischen Denkmäler Schleswig-Holsteins mit eindrucksvollen Überresten längst vergangener Zeiten beschreiben.
03OLDENBURG – EINE DER ÄLTESTEN STÄDTE SCHLESWIG-HOLSTEINS
Schleswig-Holstein
Sucht man nach Oldenburg, so wird man mindestens zwei Orte dieses Namens in Norddeutschland finden. Das Oldenburg, um das es hier geht, liegt im nordöstlichen Teil Holsteins auf der Halbinsel Wagrien, nur rund 50 km nördlich der einst mächtigen Hansestadt Lübeck entfernt.
Geschichtlicher Überblick
Lange Zeit glaubte man, die Geschichte Oldenburgs würde im frühen Mittelalter beginnen. Dabei stützte man sich auf die schriftlichen Quellen. Archäologische Untersuchungen am Oldenburger Wall (siehe unten), dem heutigen Wahrzeichen der Stadt, brachten aber Zeugnisse germanischer Präsenz ans Tageslicht.
An Bedeutung gewann der Platz aber erst, als slawische Fürsten vom Stamm der Wagrier im 8. Jh. erkannten, dass sich dieser Ort sowohl für eine Burganlage als auch für einen Handelsplatz eignete. Die Befestigung diente zugleich als Sitz des Fürsten.
Durch die Lage an der Ostsee stieg Starigrad – so wurde der Ort einst genannt – zum wichtigsten Handelspunkt neben Haithabu auf. Dies spiegelt sich auch im archäologischen Befund wider: Bei Ausgrabungen konnte nämlich eine intensive Bebauung beobachtet werden.
Im 10. Jh. hatte das Christentum Einzug gehalten: Starigrad wurde zum Zentrum des heutigen Bistums Oldenburg, welches dem Erzbistum Hamburg nachgeordnet war. Um die Mitte des 12. Jhs. setzte sich zunehmend deutscher Einfluss durch, dem es vermutlich auch geschuldet war, dass der Bischofssitz in den 1160er-Jahren nach Lübeck verlegt wurde.
Ein wichtiges Datum in der Geschichte Oldenburgs war das Jahr 1233. In diesem Jahr wurde der Stadt durch Adolf IV., Graf von Schauenburg und Holstein, das Stadtrecht verliehen. Adolf war es gelungen, dänische Ansprüche in der Region zurückzudrängen und seinen Herrschaftsbereich auszubauen.
Die wirtschaftliche Prosperität Oldenburgs scheint im Mittelalter zurückgegangen zu sein. Aus Quellen der frühen Neuzeit – zu nennen ist etwa die Cosmographia Universalis des großen Humanisten und Kosmografen Sebastian Münster – lässt sich festhalten, dass Starigrad bzw. Oldenburg einst am Meer gelegen habe, dann aber durch Versandung des Hafens und durch Kriege verarmt und nun, in der Mitte des 16. Jhs., nur noch ein ländlicher Ort ohne Befestigung gewesen sei.
Im Zusammenhang mit dem Hafen muss aber darauf hingewiesen werden, dass er nicht unmittelbar am Meer lag, sondern über den „Oldenburger Graben“ mit der Ostsee verbunden war, der vielleicht noch bis zum Beginn des 17. Jhs. für die Schifffahrt nutzbar war und erst in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr offen gehalten werden konnte.
Der „Oldenburger Graben“ ist eine natürliche Rinne, die in der letzten Eiszeit entstand. Nach der Eisschmelze stieg der Wasserstand der Ostsee an und flutete den Einschnitt. Heute zeigt er sich im Frühjahr und Sommer von sattem Grün umgeben.
Der Oldenburger Wall
Nach dem Überblick zur Geschichte Starigrads bzw. Oldenburgs ist es nun an der Zeit, sich dem eindrucksvollsten Denkmal zu widmen: dem Wall.
Ausgrabungen
Der Wall wurde in der ersten Hälfte des 19. Jhs. massiv abgetragen, sodass am Denkmal große Schäden entstanden. In das Blickfeld der Archäologen rückte die Befestigung erst wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. In zwei Grabungsperioden (1953–1958 und 1973–1986) wurde die Burganlage systematisch untersucht. Aufgrund dieser Forschungen wurde darauf in den Folgejahren ein Teil des Walls rekonstruiert.
Funde und Befunde
Als Resultat der Ausgrabungen lässt sich die Geschichte der Anlage vom 7. Jh. bis in das 13. Jh. hinein nachvollziehen. Es zeigte sich, dass es drei Bauphasen gab.
Die erste Phase fällt in die Zeit der slawischen Landnahme, also zwischen 680 und 700. Es entstand der westliche Abschnitt des Walls, dem noch eine Vorburg angefügt war. Die Bauart des Walls entsprach als Holzkastenkonstruktion ganz der slawischen Befestigungstechnik.
Die zweite Bauphase – so konnten die Archäologen feststellen – gehört in die Zeit nach 750 und brachte erhebliche bauliche Veränderungen. Die Vorburg wurde ausgebaut und unmittelbar mit der Hauptburg verbunden, sodass ein ellipsenförmiger Grundriss entstand. Im Bereich der ehemaligen Vorburg wurde dann der oben schon erwähnte Fürstensitz eingerichtet. Diese Bauphase endete in der Mitte des 12. Jhs., als dänische Truppen unter Waldemar I. (1157–1182) den Ort zerstörten.
Die dritte und letzte Bauphase ist natürlich hochmittelalterlich. Auf den Resten der slawischen Burg wurde nach 1200 eine dänische Festung angelegt, die aber 1227 an den aus dem Hause Schauenburg stammenden Adolf IV. (vor 1205–1261) ging. Diese Anlage unterschied sich in einigen Teilen von den Vorgängern. Die elliptische Form blieb zwar erhalten, wurde jedoch in einen nördlichen und einen südlichen Teil aufgespalten. Zwischen beiden Teilen wurde ein Grabensystem angelegt und die einzelnen Teile durch Brücken miteinander verbunden.
Für den Besucher sind im Gelände noch gut nachvollziehbar und überaus beeindruckend die Dimensionen der Anlage. In der Ost-West-Achse erstreckt sie sich über eine Länge von etwa 220 m und in der Nord-Südrichtung mit einer Breite von ca. 100 m; das entspricht der Fläche von drei Fußballfeldern.
Der Wall selbst ist besonders eindrucksvoll an der Nord-, Süd- und Westseite, da er sich gegenüber der Umgebung durch eine steile Böschung mit rund 18 m Höhe absetzt (Abb. 5). Diese Höhe entspricht etwa der eines sechsstöckigen Hauses. Von der Wallkrone aus hat der Besucher einen phantastischen Blick auf die Umgebung mit ihrer Auenlandschaft.
Abb. 5 Oldenburg. Der „Oldenburger Wall“. Blick auf die eindrucksvolle Nordseite.
Enttäuscht wird der Besucher vielleicht, wenn er sich der Befestigung von deren Inneren nähert. Der Wall hebt sich nur mit wenigen Metern vom Boden ab.
Wer nach Oldenburg kommt, sollte sich das idyllisch an einem kleinen See gelegene Wallmuseum nicht entgehen lassen. Hier wird Vieles von dem anschaulich, was man an der Wallanlage vielleicht nicht mehr so wahrnimmt.
Vom Charakter her handelt es sich um ein Freilichtmuseum, das aus mehreren Teilen besteht. Zunächst gibt es verschiedene historische Bauwerke, welche die ständigen Ausstellungen des Museums aufnehmen. Diese thematisieren einmal das Verhältnis von Slawen und Deutschen während des Mittelalters zueinander. Zum anderen wird das Leben in einer westslawischen Stadt in seiner ganzen Breite dargestellt. Darüber hinaus werden Themen aufgegriffen, die zeitlich über das hinausgehen, was uns an dieser Stelle interessiert.
Im eigentlichen Freigelände ist ein slawisches Dorf nachgebaut; hier lassen sich nicht nur Häuser bestaunen, sondern auch mittelalterliche Handwerke. Um die Bedeutung Starigrads als Handelsplatz zu verdeutlichen, findet sich hier der Nachbau eines frühmittelalterlichen Schiffes (Abb 6).
Inmitten des Sees sieht der Besucher die Rekonstruktion eines slawischen Inselheiligtums. Früher durften dieses nur Priester betreten und auch heute bleibt aus diesem Grund der Eintritt verwehrt.
Wer den Weg zum Wall scheut, findet im Freigelände des Museums eine verkleinerte Version der Befestigung. Aber sollte man wirklich die 300 m Wegstrecke scheuen?
Abb. 6 Oldenburg. Oldenburger Wallmuseum. Nachbau eines frühmittelalterlichen Schiffes. Im Hintergrund die Gebäude des Museums.
Oldenburger Wallmuseum
Prof.-Struve-Weg 1
23758 Oldenburg in Holstein
Tel.: 04361 - 623142
http://www.oldenburger-wallmuseum.de
Literatur
F. Biermann, Die all- und Grabenanlagen auf dem Hamburger Domplatz und der nordwestslawische Burgenbau, in: R.-M. Weiss/A. Klammt (Hrsg.), Mythos Hammburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs (2014) S. 377–387 Abb. 1–3. 8;
M. Fricke, Der Oldenburger Wall. Ein archäologisches Juwel soll glänzen, Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 15 (2009); M. Müller-Wille (Hrsg.), Starigrad, Oldenburg: ein slawischer Fürstensitz des frühen Mittelalters in Ostholstein (1991).